Ein Begründungsweg für diese Größenordnung geht so: bei Gasnachfrage von insgesamt 900 Mrd kWh p.a. wäre das jährliche Aufkommen der Umlage ca 18 Mrd Euro. Das deckt in etwa die geschätzten Kosten für den Uniper-Bailout ab.
Aber diese Begründung ist nicht überzeugend. /2
Denn eigentlich soll die Umlage eine strukturelle Schieflage am Gasmarkt korrigieren:
Importeure&Versorger haben oft lang laufende Verträge mit ihren Kunden und können deshalb die sprunghaft gestiegenen Beschaffungskosten für Gas nur mit großer Verzögerung weitergeben. /3
Kleines Rechenbeispiel: vor der Krise lag der Endkundenpreis für Gas bei ca. 8 Ct/kWh.
@christianbaye13 schätzt, dass darin ca. 6 Ct overhead und 2 Ct Grenzkosten für Gasinput stecken.
Letztere haben sich seit Krisenbeginn verzehn- bis verzwanzigfacht /4
Aber viele Bestandskunden zahlen nach wie vor ihre 8 Ct - der zentrale Grund, warum das Geschäftsmodell von Uniper & Co nicht mehr funktioniert.
Irgendwann werden auch diese Kunden bei 36 Ct landen. Aber erst nach und nach, in 1-2J, wenn die Verträge regulär auslaufen. /6
Solange können wir aber nicht warten, denn:
1) bis dahin wären Uniper & Co ohne Bailout insolvent
2) die Kunden sparen im kommenden Winter 22 nicht genug Gas ein, weil sie von gestiegenen Preisen NOCH nix merken. Mit der Gefahr... /7
...das die Gasspeicher zu schnell leer laufen und es am Ende in der Industrie zu Rationierung -> Produktionsstopps -> Jobverlusten kommt, die natürlich wiederum auf die Haushalte zurück fielen.
Um diese Gefahr zu brechen, muss der private Gasverbrauch SOFORT reduziert werden! /8
Ein Weg dorthin wäre die Preisanpassungsklausel gem. §24 EnSiG. Die wäre aber juristisch heikel, höchst ungleich verteilt und im Endeffekt ziemlich chaotisch.
Deshalb hat man sich (zurecht!) die Umlage gem. §26 ausgedacht, die gleichmäßig alle Gaskunden trifft. /9
Aber nach meiner Rechnung sollte diese Umlage dann eher bei 20 Ct/kWH statt bei 2 Ct liegen
So kämen die Bestandskunden sofort von 8 auf 28 und in die Nähe der magic 36. Die Neukunden blieben bei ihren jetzigen 26-28, weil die Umlage die normalen Preisanpassungen ersetzt. /10
Die Sparanreize wären sofort voll da! Und die Umlage würde, je nach Nachfragereaktion, ein Aufkommen von bis zu 180 Mrd. € generieren.
Hiermit ließen sich alle möglichen Entlastungspakete für Uniper, die Industrie und einkommensschwache Haushalte "relativ bequem bezahlen". /11
Bei 2 Ct/kWh ist die Umlage de facto ein Gaspreisdeckel.
Aber kein "guter" Deckel bezogen nur auf einen Grundverbrauch, wie von @SDullien und @IsabellaMWeber vorgeschlagen
Sondern ein "schlechter" Deckel, der alle Bestandskunden in trügerischer Sicherheit verharren lässt.../12
...bis die Verträge auslaufen, der Preishammer verspätet doch noch voll reinschlägt, und in der Zwischenzeit vielleicht noch der Job weg ist, weil die Industrierationierung eine schwere Rezession gebracht hat
Besser wäre es deshalb, die Umlage sofort mutig auszugestalten... /13
...also weit höher anzusetzen. Das träfe viele Haushalte schockartig. Aber nochmal: das Aufkommen der Umlage wäre beträchtlich und könnte für zielgenaue Abfederungen verwendet werden.
Bleibt es bei den 2 Ct/kWh, gibt es de facto kein wirksames Preissignal für Einsparanreize. /14
Dies ließe sich dann nur mit einem komplementären System wie unserem #Energiesparbonus (vorgeschlagen von @NinaScheer_SPD und mir) erzeugen.
Dieser Bonus sollte dann unbedingt parallel zur Umlage eingeführt werden. /15
Allmählich realisiere ich, welches high stake game die Gaswirtschaft und Teile der Politik spielen wollen
Es geht so: 1) Uniper&Co kriegen Bailout über direkten Staatseinstieg 2) statt heftiger Preisanpassung (§14 EnSiG) kommt bloß eine milde Umlage
Die Vorteile sind klar 🧵1/x
Uniper & Co:
- müssen ihren Kunden keine unangenehmen Briefe schreiben
- verkaufen weiterhin Gas zu moderaten Preisen, aber kriegen Verluste von der Clearing-Stelle erstattet
- werden sich dafür einsetzen, dass Staatseinstieg ohne freeze bei Boni&Dividenden kommt /2
Die Politik:
- erspart sich den Gaspreis-Schock bei den Verbrauchern mit Gelbwestenpotential
- muss kein teures Entlastungspaket schnüren (good news #Schuldenbremse)
- kann die Uniper-Aktien später mit Gewinn wieder verkaufen und sich schadlos halten
Lesenswertes Update der #Gemeinschaftsdiagnose. Letztlich wird bestätigt, dass die 🇩🇪 Gas-Strategie (kein Embargo verhängen, aber auf russischen Lieferstopp vorbereiten) vermutlich richtig war.
Aber die Ablehnung eines #Energiesparbonus kann ich nicht nachvollziehen. /1
Quite remarkably, almost all of German dependance on Russian oil has been cleared by now - down to just 12%. Much earlier than expected, and without @BMWK making a big fuzz about it. Good job!
Only unresolved issue is the oil refinery in Schwedt. /2
Die 🇩🇪Industrie steht ohnehin unter extremem Transformationsdruck
Aber die Nonchalance, mit der einige hier das in eine völlige Disruption steigern wollen — in der guten Hoffnung, ein Gasembargo ließe sich schon managen und werde Putin irgendwie stoppen — ist schon bemerkenswert
Natürlich muss klar sein, dass die Zeit des billigen russischen Gases ein für allemal vorbei ist.
Geschäftsmodelle, die nur darauf basierten, werden sich in Deutschland nicht mehr rechnen.
Diesen Elefanten im Raum übersieht niemand mehr, der bei Verstand ist. /2
Aber der Umbau, kurzfristig auf teures LNG-Gas und langfristig auf grüne Alternativen, braucht eine gewisse Zeit.
Mit einem „cold turkey“ Entzug ist das schlechter zu realisieren als in einer Welt, wo russisches Gas über einen klar definierten Zeitraum von 2-3 Jahren ausläuft.
Simple embargo logic goes like this: as we don't buy oil&gas anymore, 🇷🇺 loses inflow of hard currency (FX)
This may not directly affect the the war machine, as soldiers, domestic weapon producers etc. are all paid in RUB, which Putin (the CBR) can produce at will /2
But the drama would unfold indirectly: Without FX flows, 🇷🇺 cannot pay for imports anymore.
It'd face massive inflation, as the exchange rate goes into free fall and all budget gaps are monetized with newly printed RUB
Recipe for chaos -> possibly a revolt against Putin /3
Auf jeden Fall kann man sagen: Putin ist eine Überraschung gelungen.
Substantiell ändert sich eigentlich erstmal nicht so viel.
Derzeit ist es so: wir bezahlen Gas in $ an Gazprom, die müssen es aber (zu 80%) bei der CBR in Rubel tauschen. Die $ landen also bei der CBR. /2
Nun sagt Putin offenbar: nix da! Ihr müsst Gazprom direkt in Rubel bezahlen!
Aber wo kriegen wir die her? Auf den int. FX-Märkten gibt's nicht genug davon. Woher dann? RICHTIG - von der russischen Zentralbank!