Dennoch etwas dazu: Ist es wirklich genau so schlimm (so wird insinuiert), jetzt zT Gas aus Aserbaidschan zu beziehen wie aus Russland? Verschiedene Punkte: 1) Es ist nicht schön, das ist klar. Auch Katar und Ägypten sind problematisch.
Es waere natuerlich besser, ganz ohne Gas aus Diktaturen auszukommen. ZB auch selber foerdern. Wenn das aber nicht geht, halte ich es fuer besser als das Gas aus Russland. Erstens geht es darum, Klumpenrisiken zu vermeiden. Dazu ist es sinnvoll, wenn man schon mit Bad Boys
(sind ja meist Boys) dealen muss, dann lieber mit mehreren und verschiedenen (es mag zwar ein Szenario geben, in dem die alle kooperieren, aber das ist doch eher unwahrscheinlich). Man will einseitige Abhängigkeiten vermeiden.
2) Russland ist speziell. Nur Russland kann die europaeische Nachkriegsordnung von Helsinki wirklich existentiell bedrohen. Ich sehe das bei den anderen Staaten nicht. Man kann nicht gleichzeitig sagen, ein militärischer Krieg sei gegen Russland nicht zu gewinnen (was ich
zwar auch bestreite), UND diese Besonderheit Russland nicht sehen. Viele vertreten aber beide Positionen im Diskurs. 3) Was aber ist mit den Menschenrechten - ist das bloße Folklore wie @SchmittJunior@CarloMasala1 und mir vorwirft?
Also erst einmal verstehe ich das Argument nicht ganz. Wie koennen Menschenrechte jemals Folklore sein, also außer fuer Diktaturen (was ich @SchmittJunior natuerlich nicht unterstelle)? Also muss das Argument irgendwie sein: ein Toter im Berg-Karabach ist genau so schlimm
wie einer in der Ukraine. Ja, sicher. Ich werde diese Toten jetzt nicht gegeneinander aufrechnen, aber wenn wir schon Tote in Kauf nehmen müssen für die BASF (nebenbei: auf deren Propaganda @SchmittJunior und @friiyo im Podcast gehörig auf den Leim gehen)
dann sollten wir diese Toten und Menschenrechtsverletzungen dennoch minimieren (eigentlich ja ganz vermeiden) UND unsere Sicherheit erhöhen. Hier dominiert fuer mich Aserbaidschan ueber Russland, wenn es denn so sein muss, dass es nicht anders geht.
4) Letztlich ist das in 3) aber natürlich eine falsche Alternative, weil wegen 1) und 2) man im Zweifel bei schwersten Menschenrechtsverstoessen Aserbaidschans ganz andere Sanktionsmoeglichkeiten haette als gegen Russland.
5) Dieser letzte Punkt mag umstritten sein, aber ich finde schon, dass der Punkt von @TimothyDSnyder zB fuer mich ein Gewicht hat. Neben der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands gegenueber Israel gibt es fuer mich eine zweite besondere historische
Verantwortung Deutschlands gegenueber Polen und der Ukraine. Die Existenz beider Staaten sollte deutsche Staatsraison sein. @AliceBota@EFDavies Das heißt nicht, dass Tote im Berg-Karabach weniger schlimm sind als in der Ukraine.
Zum Schluss: @friiyo fragt nach Studien, die die deutsche Gasabhaengigkeit modellieren wie bei Corona die Modellierer das taten. Bzw. er beklagt das angebliche Fehlen dieser Studien. Nun, ihm kann geholfen werden - aber: wo war @friiyo das letzte halbe Jahr?
Und wem unsere Ergebnisse ideologisch nicht gefallen, der wird beim @IMKFlash und bei @Tom_krebs_ fuendig.
Also: kein Mangel an Studien zum Thema!!!
Zum letzten Schluss: die beiden preisen @Kachelmann robusten Diskussionsstil (den ich auch Klasse finde). Ich finde robuste No-Bullshit Diskussionen auch gut. Kommt doch mal auf #Econtwitter@SchmittJunior und @friiyo
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Ich nehme zwei Punkte mit aus der gestrigen Debatte:
1) Wie gehen wir mit Grenzgängern und Systemwechslern um? Es scheint ja Einigkeit zu bestehen darin, welche Standards bei wissenschaftlichen Publikationen zu gelten haben und niemand schien mir diese ändern zu wollen, soweit
ich das sehen konnte. Hier ist es auch klar, dass es gar nicht darauf ankommt, was die jeweilige Person will oder kann, es kommt idealiter auf diese Standards an (idealiter, weil es natürlich auch in der Wissenschaft Fehl- und grenzwertiges Verhalten gibt).
Dann gibt es Sachbücher, für die es offensichtlich ganz andere Standards gibt (anderes Genre), die mir, das gebe ich offen zu, so nicht bekannt waren, anderen Kollegen vermute ich auch nicht.
Also, ich habe heute den Rasen hinterm Haus weitergemaeht und weiter den @neuezwanziger Podcast gehoert. Was ich wirklich empfehlen kann, ist der Roblox Teil. Ich hatte davon noch nie gehoert, also was gelernt. Und die ersten 10 Minuten will man eigentlich weiterklicken, weil
man sich denkt: eyyy, was fuer ein Kinderthema. Aber dann wird es richtig interessant. Ohne dass @SchmittJunior und @friiyo es merken, steckt da noch viel mehr Economics drin im Thema, als nur Wolfgang Schmitts Kapitalismuskritik. Zum Beispiel: Conspicuous Consumption.
Oder Arrow-Debreu und ihre Definition des oekonomischen Gutes als zeit- und zustandsabhaengig indexiert.
Es ist auch deshalb interessant, weil, was @SchmittJunior kapitalismuskritisch interpretiert, eins zu eins auch konservativ, das heisst
Wie gesagt, ich habe keinerlei Expertise zur inhaltlichen Diskussion - Gasfracking in D, ja oder nein - und äußere mich deshalb bis auf Weiteres dazu nicht. ABER: die Antworten, warum das nicht gehe, erschrecken mich teilweise.
Da werden nämlich weitgehend keine technischen Argumente gemacht, sondern juristische und ökonomische Argumente, wie: zu lange Genehmigungsverfahren, keine Investoren - lohnt sich nicht wegen zu geringer Rendite.
Moment mal Leute: die Länge von Genehmigungsverfahren und die Rendite von Investitionen sind (auch) politische Entscheidungen. Man sollte hier nicht so tun, als handele es sich hier um unabänderliche exogene Constraints.
"The article discusses the German government’s reaction to the perception of an excessive dependence on Russian gas that was caused by the Ukraine war and to the reductions in Russian gas supplies that have taken place. First, the article lists various policy deficits:
Naivité of the expectation that Russia would watch German attempts to reduce its dependence without interfering, restricting thinking about gas scarcity to the mobilization of additional supplies, without paying much attention to demand, complete neglect of the allocative role of
"Traditionell waren Spitzenforschung und Politikberatung in Deutschland getrennte Welten. In Amerika und anderen Ländern ist das anders. Akademische Stars gehen ohne Zögern für ein paar Jahre nach Washington, wenn die Regierung ruft. Inzwischen tut sich aber auch in Deutschland
etwas. Andreas Peichl hat ja auch gesagt, dass in den Ministerien das Interesse sehr groß und die Zusammenarbeit gut ist. Das habe ich jetzt auch in vielen Gesprächen mit Ministerien und Kanzleramt gespürt.
Was ich neu durch unsere Berechnungen gelernt habe: Nachfragereduktion ist quantitativ einfach die wichtigere Komponente gegenüber Speicherauffuellung. Intuition: Deutschlands Speicher sind einfach nicht so groß.
Insofern war der Fokus der deutschen Politik auf Speicher statt auf frühe Nachfragereduktion doch nicht optimal (obwohl das natürlich was gebracht hat). Eine klare Forward Guidance - das kann Gasembargo oder ein anderes Mittel sein - für Nachfrage waere besser gewesen, wenn man
Fokus auf ein Hauptpolitikinstrument legen muss/will.