Am Montag wurde mir die Frage gestellt: wer ist für mich der Urvater der Wissenschaftskommunikation? Das geht direkt ans Herz meiner Forschung zu Narrativen in der Wissenschaft - Was ist Wissenschaft, und was ist #WissKom - also wollte ich das gern etwas genauer beantworten... /1
Wissenschaftler „Scientist“ kam im Englischsprachigen als Begriff erst in den 1830ern in den Gebrauch. Aber auch vor 1830 gab es schon Wissenschaftskommunikation in Buechern, Pamphleten, Zeitungen, in Kinderbuechern, oeffentlichen Vortraegen. /2
In England, z.B. gab es die "Society for the Diffusion of Useful Knowledge": sie druckte Lektionen aus Naturwissenschaft, Enzyklopädien, Magazine& direkte Vorgaenger der Kinderbücher noch bevor der Begriff Wissenschaft gängig war. /3
Solche Veröffentlichungen waren als der Begriff „scientist“ in den Gebrauch kamen laengst ein Trend: Naturbücher für Kinder die zu Experimenten verändern aber das Bildvon „Urvätern“: eine Großzahl wurde von Frauen geschrieben, und von Christlichen Pressen verlegt. /4
Was hat es denn also mit „Urvaetern“ auf sich? Die Kurze Antwort: „Storytelling“: das Narrativ des „Genius“, des „Heroes“,„Great Men of Science“& der „usual suspects“– Galileo, Newton, Darwin, den Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion /5
Kurzerhand: in diesen Geschichten wurde ausgelassen, geschönt, übertrieben, Hilfskräfte, Frauen welche die Forschung vorantrieben ausgelassen: das Biopic des 19. Jh& eine Story die sich an der Mittelalterlichen Hagiografie orientiert, in der normale Menschen zu Heiligen wurden /6
Nicht der einzige Fall in der sich #Wisskomm der Stilmittel der damals allgegenwärtigen, allwichtigen& allbekannten Religion bedient. Das ist aus vielen Gruenden Problematisch– ein paar Artikel hier, von @michlfuchs, @difarzin et al @BVLSingler, Naomi Oreskes und Mary Midgeley /7
Solche Narrative sind auch der Grund fuer vieeele Mythen in der Wissenschaftsgeschichte, die wir einfach nicht mehr loswerden – wie zu m Beispiel hier @KampourakisK und Ronald Numbers hier zusammentragen – allein ein Blick ins Inhaltsverzeichnis sollte den Atem stocken lassen /8
Was hat das mit den „Urvätern“ der Wissenschaftskommuniktion zu tun? „Ur“ deutet auf Geschichte („history“)& Geschichtsschreibung („historiography“) hin& Wissenschaftsgeschichte kann uns helfen den Narrativ zu durchschauen das ist, an sich, eine wissenschaftliche Aufgabe /9
Solche Narrative zu durchschauen ist wichtig, da sie eben im Zeitalter der „fake news“ und „alternative facts“ vor allem auch von wissenschaftskritischen Lagern missbraucht werden – wie z.B. @nielsmede und @mss7676 hier erklären /10 nielsmede.com/publication/me…
Wissenschaft& #WissKomm sind überall wie ich bereits in einem vorigen Tweet sagte passieren& passierten überall& ob man es nun „natural philosophy“, oder den Prozess „popularisation of science“, oder „public understanding of science“ nannte. Ohne "ur" ist es realistischer. /11
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Jetzt kann ich konkreter werden und euch meine eigentliche Forschung näherbringen!
Als erstes möchte ich über das Gebiet der Konnektomik sprechen.
Was ist Konnektomik?
(Video: Wurm mit leuchtendem Nervensystem)
So wie ein Genom die Gesamtheit aller Gene eines Organismus enthält, so enthält ein "Konnektom" die Gesamtheit aller "Konnektionen", aller Verbindungen. Auf Englisch nennt man es "connectome" und das Gebiet heißt entsprechend "connectomics".
Und damit sind die Synapsen gemeint:
Synapsen sind Schnittstellen zwischen Nervenzellen. Über Synapsen kommunizieren sie miteinander. Deswegen sind sie die Verbindungen zwischen ihnen.
(Bild: meine Lieblingssynapse in C. elegans. Erkläre ich später noch genauer)
Was treibt euch an? Was lässt euch morgens aus dem Bett aufstehen?
Für mich ist es die Frage nach dem #Bewusstsein. Ich muss einfach verstehen, wie das #Gehirn funktioniert. Ich MUSS einfach! Versteht ihr??
Aber es gibt da ein Problem:
Ich habe selbst nur ein Gehirn. Kann ein Gehirn sich überhaupt selbst verstehen? Oder ist das schon prinzipiell unmöglich? Braucht man vielleicht etwas "Größeres"?
Aber selbst wenn es ginge, das Gehirn ist das komplexeste Ding im Universum!
Es scheint völlig hoffnungslos...
Aber ich kann nicht aufgeben. Also, was tun?
Nun, was man in der Forschung immer macht, wenn etwas zu schwierig ist. Man fängt klein an. In diesem Fall wohl am besten so klitzeklein wie irgend möglich!
Hmm... Was wäre wohl so ziemlich das einfachste Nervensystem der Welt? 🤔
Wisst ihr, warum ausgerechnet dieser kleine Wurm in so vielen Laboren rumkriecht?
Na ja, er ist einfach zu halten, wächst schnell, macht keinen Ärger,...
Aber einer der Hauptgründe ist auch eine ganz besondere Eigenschaft von C. elegans
C. elegans zeigt Eutelie. Das bedeutet, eine konstante Anzahl an Zellen. Ich habe schon erwähnt, dass jeder Wurm genau 302 Neuronen hat. Aber es geht noch weiter. Jeder Wurm hat genau 959 Zellen insgesamt (Männchen: 1031).
Warum ist das so spannend?
Stellt euch vor: Jede Zelle ist immer genau an der gleichen Stelle und macht immer genau das gleiche, in jedem Wurm!
Biologie ist sooo komplex, es ist schwierig, Fakten zu schaffen. In C. elegans sind es ein paar Freiheitsgrade weniger und damit um Größenordnungen einfacher
C. elegans-Würmer sind Hermaphroditen (Zwitter), das heißt, sie befruchten sich selbst.
Aber es gibt trotzdem zwei Geschlechter! Es gibt nämlich auch Männchen. Die produzieren logischerweise nur Spermien, keine Eier. Und sie sehen ein bisschen anders aus
Sie sind kleiner und haben eine fächerartige Konstruktion am Schwanzende. Damit greifen sie die Hermaphroditen und suchen die Vulva, um die Spermien zu injizieren.
Hier ist ein Video von dem #Paarungsvorgang. Aber nicht rot werden!
Video von Sherlekar A et al., 2013
Aber... wozu sind die Männchen gut? Die Hermaphroditen haben doch selbst Spermien!
Sehr gute Frage. Tatsächlich ist das bei C. elegans so, dass die Hermaphroditen nicht genug Spermien haben. Wie das?
Tatsächlich hat jeder ausgewachsene Wurm genau 302 Nervenzellen (#Neuronen). Das ist übrigens der Hauptgrund, warum ich und viele andere Forscher überhaupt mit C. elegans arbeiten!
Dazu später mehr :)
Roller. Einfach die besten xD
Und diese hier haben auch fluoreszierende #Mitochondrien in den Muskeln.