Eine ältere Dame, Kachexie. Ließ Positionswechsel nicht zu. Sie hat sich immer wieder direkt auf den Rücken gelegt. Links und rechts am Beckenkamm beginnende Rötungen.
Die Dame war toll, eine Rheinländerin mit einem tollen Dialekt.
Wir erklärten immer wieder, dass sie bitte auf der Seite liegen bleiben soll. Keine Chance, kaum war die Positionsunterstützung fertig, zack, bewegte sich der Hintern und sie lag erneut auf dem Rücken.
Es kam, wie es kommen musste. Die Rötungen wurden zunehmend dunkler und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie aufging.
Ich kontaktierte die Hausärztin mit der Bitte um Visite. Sie kam auch zügig. Ich zeigte ihr die Stellen.
👩🏼⚕️ Sie ist doch gestürzt.
🧏🏻♀️ Nein (erklärt das Problem mit der Lagerung)
👩🏼⚕️ Das sind doch Hämatome, sie ist gestürzt.
🧏🏻♀️ Nein, hier entstehen Dekubiti.
👩🏼⚕️ Ich werde ja wohl einen Dekubitus erkennen, sie ist gestürzt. Seien Sie still, ich BIN Ärztin und Sie NUR eine Pflegekraft.
🧏🏻♀️ Nein, das sind keine Hämatome.
👩🏼⚕️ (meckert vor sich hin) ich schreibe Schaumverband auf, damit die Hämatome abdecken bis sie verheilt sind. Und Heparin-Salbe.
🧏🏻♀️ (recht genervt) das sind KEINE HÄMATOME VON EINEM STURZ.
👩🏼⚕️ Verabschiedet sich von der Dame und braust davon.
Die "Hämatome" gingen wie zu erwarten auf. Kein Wort der Ärztin, dass sie sich geirrt hatte. Die Wundversorgung änderte sie nicht. Lediglich Schaumkompressen als Wundauflage. Und die waren abgezählt. Eine große Platte reicht für 2x Wechseln, wenn man sie zurecht schneiden würde.
Nur war die Größe längst nicht mehr ausreichend. Ebenfalls hat die Wunde stark Exsudat produziert. Als wir neue Platten bestellen wollten, bevor sie in den Urlaub ging, bekamen wir ein "Nein", rechnerisch müsste es bis nach dem Urlaub reichen.
Die Wundsituation verschlechterte sich täglich. Wir riefen einen unserer anderen Hausärzte an und baten ihn, in dem Fall um Urlaubsvertretung.
Er kam, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und erstellte einen Plan zur Wundversorgung. Er sparte nicht an Rezepten.
Er riet ebenso zu einem Wundexperten.
Hausärztin aus dem Urlaub zurück. Wir informieren sie über das Geschehen.
Sie übernahm die Wundversorgung des Kollegen nicht, sondern schrieb nur die Schaumkompressen auf. ABGEZÄHLT! Wundexperte wurde abgelehnt.
Ich habe erneut das Gespräch mit den Angehörigen gesucht. Nach dem Gespräch entschieden sie sich, den Hausarzt zu wechseln. (Gespräche zuvor diesbezüglich liefen ins Leere).
Der Vertretungsarzt übernahm die Dame als Patientin.
Ein Wundexperte wurde hinzugezogen. Es war ein langer Weg, aber wir haben es geschafft, dass die Wunden heilen konnten.
Da mußte eine Frau Schmerzen erleiden, weil ich nur eine Pflegekraft bin und keinen Dekubitus von einem Hämatom unterscheiden konnte. 🤡
Zum Glück war diese Ärztin eine Ausnahme.
Die Art und Weise, wie sie mit mir gesprochen hat, war unterirdisch. Als wäre ich ein dummes Kind.
Die meisten Ärzte sind topp und hören sich an, was wir zu sagen haben.
Allerdings glaube ich auch, daß sie es gerade in den Heimen oft nicht einfach haben. Denn fehlende Qualifikationen, erschweren die Kommunikation und somit die medizinische Versorgung.
Es ist nur manchmal blöde, wenn alle Pflegefachkräfte im Heim über einen Kamm geschoren werden. Das Gefühl wurde mir schon öfter vermittelt, auch von NÄ.
Das finde ich persönlich schade, aber auch dafür habe ich Verständnis. Oft stehen sie vor inkompetentem Personal.
Warum ist das so?
Die Ausbildung in der Altenpflege war in den meisten Fällen keine. Behandlungspflege fand nur theoretisch in der Schule statt. An der Arbeit war keine Zeit dafür.
Meine WBL sagte wortwörtlich:
"Deine Ausbildung hat in der Arbeitszeit nichts verloren."
Fehlende Qualifikationen ist das Ergebnis jahrelanger Ausbeutung von Azubis.
Und nun sollen wir noch zum Förderprogramm für alle werden, die woanders keinen Job bekommen?
Wie erklärt man den Menschen, daß durch den massiven #Personalmangel in der (Alten)Pflege #Pflegefehler mittlerweile an der Tagesordnung stehen?
Menschen, die in der nächsten Zeit einen Heimplatz für die eigenen Angehörige suchen.
Einen Heimplatz, wo sie davon ausgehen das ihre Liebsten gut versorgt werden,weil ihnen das so "verkauft" wird.
Was versteht die Gesellschaft im allgemeinen unter "Pflegefehlern"?
Und welcher Rattenschwanz daran hängt, welche weitreichenden Folgen das haben kann und wird?
Wie erklärt man man einer dementen, insulinpflichtigen Frau und deren Angehörigen, das die Wunde am Fuß, die viel zu spät "entdeckt" wurde, nun wahrscheinlich schwerwiegende Folgen haben wird? Da ungelerntes Pflegepersonal Anzeichen nicht erkennt?
Ich war neu in einer Einrichtung. Mein bisher schlimmstes Erlebnis in der Pflege. Ich hatte bis dahin nie eine schlimmere Form von Kontrakturen (steife Gelenke) gesehen.
Ein Thread… #etwaslängerSorry
1) Sie lag versteift, in Embryonalstellung im Bett, die Beine zusätzlich ineinander "verknotet".
Dazu mehrere Dekubiti (schlimme Wunden) an Steiß, Becken, an den Stellen wo die verknoteten Beine aufeinander drücken. Sie hat ununterbrochen gestöhnt.
2) Ich stand vor dem Bett und war entsetzt. Ich fragte ob sie immer so stöhnt. Antwort Fachkraft völlig desinteressiert: "ständig, das ist normal bei ihr"! Mir rutschte ein "willst du mich verarschen?" raus.
Mein erster Tag wo ich wütend ins Büro vom Chef gelaufen bin!
1) Stell dir vor es geht hier um dich, deine Eltern, Großeltern, Verwandte oder Freunde. Egal, JEDER kann von jetzt auf gleich zum Pflegefall werden, durch Krankheit, Unfall. Egal ob 25, 50, 75 oder 100 Jahre alt. Der Pflegebedürftigkeit ist dein Alter egal.
2) Pflegebedürftigkeit bedeutet das du auf Hilfe (fremder) Menschen angewiesen bist. Du sitzt vielleicht im Rollstuhl nach einem Unfall. Bist an Demenz erkrankt oder nach Schlaganfall bettlägerig. Oder zählst als "Genesen" nach Covid.