.@APosener hat mich nach Belegen für die Scheinargumente in seinem Artikel gefragt. Ich muss es in dieser Form beantworten, da es ein kleiner 🧵 wird. 1. Wir fangen mit der Arzt- und Therapiefreiheit an, die @lenacschwelling auch erwähnte. Klar ist das richtig, aber gleichzeitig
haben wir auch eine Qualitätssicherung in Deutschland. Es ist leider nicht flächendeckende für alle Bereiche, aber viele von uns müssen öffentlich nachweisen, mit welcher Qualität (Erfolg und Komplikationen) wir eine Therapie anbieten. Das ist die Voraussetzung für den mündigen
Patienten, seinen Arzt zu wählen. 2. Über die Kosten der Medikamente auf die in Anspruchnahme zurückzuschließen ist nicht möglich. Es gibt extrem kostspielige Behandlungen - oder extrem günstige. 0.003% der Kosten heißt nicht, dass die "Arzt- und Therapiewahl" zu dem %-Satz
stattfindet. 3. Die Impfskepsis. Die Meinung sowie Entscheidungen von Menschen werden selten eindimensional getroffen. Der direkte Rückschluss über die Inpfquote auf den Einfluss der Homöopathie ist falsch. Man müsste vielmehr aufarbeiten, was die Ursachen für oder gegen die
Impfung waren und was die Einstellung für Homöopathie darin für eine Rolle spielen. Vielleicht waren die Repressalien für Ungeimpfte eine Entscheidungsgrundlage oder rechtspopulistische Regierungen, die eher wissenschaftsfeindlich argumentieren und eine Grundskepsis säen. 4. Der
nicht bestehende Zusammenhang zwischen der Opioid-Krise in USA und Homöopathie. Puh. Das ist dermaßen #PLURV dass man das einfach so stehen lassen könnte. Dennoch: hier prallen zwei völlig unterschiedliche Welten zusammen. So viel zu der USA: das Land, in dem die Lebenserwartung
sinkt. Das Gesundheitswesen nicht in allen Facetten allen zur Verfügung steht, Behandlungen (z.B. Abtreibung in einzelnen Bundesstaaten) nicht zur Verfügung stehen, der Rassismus im Gesundheitswesen zu einer massiven Benachteiligung von BiPoC führt, in dem das ganze System völlig
Anders läuft (ich möchte hier nicht auf zu viele Details eingehen) mit unserem (auch kränkeldem aber deutlich besserem und sozialerem) System zu vergleichen und auf einen Punkt herunterbrechen ist falsch. Ganz abgesehen davon einen Zusammenhang zwischen der Opioid-Krise und
Homöopathie herstellen, den es nicht gibt, damit die Ärzte versuchen in ein schlechtes Licht zu rücken ist typisch für ein Scheinargument. Das typische "Es gibt aber auch schlechte Ärzte". Ja, die gibt es. Ich kenne mehr als Es mir lieb wäre. Aber das hat nichts mit der
Unwirksamkeit von Homöopathie zu tun.
Es ist nun länger geworden als ich wollte. Danke fürs Lesen.
Ach mist: zu Punkt 1 ein Nachtrag: Homöopathie wirkt nicht. Damit ist die Qualität der Behandlung grundsätzlich schlecht.
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Ein Patient wird nach Schüssen in den Rücken eingeliefert. Mehrere Kugeln haben die Wirbelsäule getroffen und den Rückenmark verletzt. Er blutet. Es droht ein Querschnitt. Er wird in Einer 12h Notoperation in der Neurochirurgie versorgt und die Kugeln werden herausgeholt. Die
Blutung gestoppt. Der Patient wird stabil auf die ITS gebracht. Einige Stunden später wird er plötzlich instabil. Lungen- und Kreislaufversagen. Reanimation. Das ECMO Team wird gerufen. Wir bauen keine ECMO ein, sondern behandeln die kollabierte Lunge des Patienten und die
Blutung im Brustkorb, die zu der Situation geführt hat. Vermutlich ist eine der entfernten Kugeln auch mit der Spitze in die Lunge eingedrungen und zusätzlich die Hauptschlagader verletzt. Oder bei der Notfall-OP ist vielleicht die Lunge und die Hauptschlagader verletzt worden.
Ich bin praktisch auf dem Weg ins Bett. Zähne geputzt... Anruf aus einer externen Klinik. Patient im kardiogenen Schock. Braucht eine herzchirurgische OP.
Kurze Absprachen,
ITS Bett - Check
Anästhesie - Check
Art der Diagnostik - Check
Indikation steht, Kapazitäten auch.
Also los geht's. Unterwegs im Auto durch die Nacht telefoniere ich mit dem Kollegen der Anästhesie. In welchem Zustand wird der Patient ankommen. Was habe ich vor. Was erwartet uns. Wir treffen vor der Patientin in der Klinik an.
Inzwischen ist es nach Mitternacht. Der Kollege
auf der ITS nutzt die Gelegenheit und spricht andere Patienten mit mir ab. OP-Pflege, Kardiotechnik, Anästhesie - alle sind bereit. Wir sprechen uns ab.
Telefon klingelt. Die Patientin fährt in die OP Schleuse. Kaltschweißig. Asch-Grau. Sie ist noch wach.
Digitales Zeitalter -
Mal was völlig anderes: Neue Chirurg:innen auszubilden ist eine große Herausforderung. Eine OP (oder auch Teile) jemandem zu assitieren und beizubringen kostet deutlich mehr Zeit, Konzentration und Nerven als die OP selber durchzuführen. Ich bin wesentlich unentspannter wenn ich
jemandem die OP zeige als wenn ich es selbst durchführe. Die Kontrolle abgeben aber die Verantwortung behalten. Wesentlich mehr steht für denjenigen auf dem Spiel, der am wenigsten Kontrolle über die Situation hat als wir: Derjenige, der auf dem OP-Tisch liegt. Jeder Bewegung
des anderen kritisch beäugen, dafür sorgen, dass alles klappt, erklären, versuchen keinen Fehler zuzulassen. Dennoch ist er unerlässlich, sonst gibt es keine weitere Generation an Chrirurgen. Je öfter ich ausbilde, desto dankbarer bin ich meinem Ausbilder für seine Zeit,
Liebe Patien:innen, bei allem Verständnis für eure Anspannung, Ängste und Sorgen vor einer Operation... das Gesundheitssystem ist kaputt. Dass Operationen aufgrund des allgegenwärtigen Mangels an Personal auf allen Stationen, Bereichen und Kliniken ständig verschoben werden
müssen, ist der Alltag. Man kann nur froh und dankbar sein, dass alle Mitarbeiter:innen sich maximal einsetzen, um mit täglich knapperen Ressourcen die Versorgung auf möglichst hohem Niveau aufrechtzuerhalten. Drohungen an das Personal mit "Ich gehe wo anders hin" oder mit "der
Presse" können bei uns allen allerhöchstens ein müdes Lächeln hervorrufen. Wir tun unser bestes für eure Gesundheit. Aber unser Tag hat auch nur 24h und unsere Woche nur 7 Tage. In der aktuellen Lage hilft nur Geduld. Wenn es so weitergeht wie bisher wird die Versorgung wie heute
Ein kurzer Einblick. Eine Mittelgroße Herzchirurgie mit 3 OP Sälen braucht ca. 25 Ärzt:innen um zu funktionieren. Es gibt die Vorgabe in vielen Kliniken, dass der Oberarztanteil einer Mannschaft (aus Kostengründen) 20% nicht übersteigen soll.
5 OAs.
6 Wochen Urlaub pro Kopf,
Zusätzlich Fortbildungen (Verpflichtend), Kongresse. Realistisch gerechnet fehlt immer einer. Bleiben noch 4. Einer operiert die Nacht durch. Der andere wird krank. 2 OAs in der Klinik. Wer nimmt den Dienst des kranken Kollegen? Wer übernimmt die OP? Was passiert morgen? Was
passiert in einem Notfall? Was passiert bei zwei Notfällen?
Wegen Kosteneffizienz gibt es keine Reserve in einer Mannschaft. Darf es nicht geben. Ist es die Medizin, die wir wollen? Oder wollen wir eine ausgeruhte, fitte Mannschaft, die auch auf Notfälle reagieren darf? Dann
Da gerade die Diskussion um Einsatz, Grenzen, Übermüdung, Raubbau und Märtyrertum in der Medizin geht, hier eine ca. 10 Jahre alte Geschichte. Ich hatte als Assistent Dienst mit unserem Leitenden OA. Wir waren auch privat sehr gut befreundet und haben immer wenn es ging zusammen
operiert. Dieser Nachtdienst war aber ein Zufall. Ein Notfalleingriff bei einem Patienten, der die Nacht ohne die OP nicht überlebt hätte. Am nächsten Morgen hätten unser LOA und ich zusammen eine komplexe Operation zusammen machen müssen. Er hatte sich explizit mich als
Assistenz für die OP gewünscht, da er sich bei solch schwierigen, langen und riskanten Operationen gerne 100% auf seinen Assistenten verlassen möchte. Welch ein Lob für mich in der Öffentlichkeit von unserem sonst so grimmigen LOA. Was für ein Schub für meine Ausbildung, Stellung