Der #Anfahrthread. Hier erkläre ich, warum die von #Habeck @BMWK vorgeschlagene Betriebsweise der KKW den Ergebnissen des #Stresstest widerspricht, welche technischen Probleme die vorgeschlagene „Reserve“ birgt und warum die @PreussenEl dieses Angebot zu Recht ablehnt. 1/n KKW Grohnde während der Revision. Foto: Rolf Sander, Fotofr
Der Stresstest bmwk.de/Redaktion/DE/D… hat ergeben, dass 3 (nicht 2!) KKW im Streckbetrieb einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können. Gemeint war ein Streckbetrieb, wie er immer gefahren wurde – nahtloser Weiterbetrieb am Ende des natürlichen Reaktorzyklus. 2/n
@BMWK #Habeck hingegen: Nullbetrieb. Am 31.12. werden alle Anlagen vom Netz genommen. 2 sollen in Reserve, 1 (Emsland) ganz weg. Das hat nichts m dem von d Netzbetreibern durchgerechneten Szenario zu tun, aber viel mit den Grünen, die an Silvester Abschaltfest feiern wollen. 3/n
Aber nehmen wir mal kurz an, der Vorschlag von Habeck sei ohne Hintergedanken entstanden – ist er denn wenigstens durchführbar? Kann man also einen Streckbetriebs-Reaktor abschalten und in kalten Standby überführen und dann, wenn es nötig ist, wieder anfahren? 4/n
Rekapitulation #Streckbetrieb👇🏼: Der beginnt, wenn d Reaktor am Ende seines natürlichen Zyklus ist & *ohne* Neutronenabsorber gerade noch kritisch ist. Der Borgehalt (=Neutronen-Absorber) im Kühlmittel muss f Streckbetrieb nahe 0 sein, die Steuerstäbe sind kaum eingefahren. 5/n
Wird die Anlage 31.12. abgeschaltet, muss der Primärkreislauf "aufboriert“ werden. Denn wenn Kühlmittel & Brennstoff kalt werden, sorgen reaktorphysikalische Wechselwirkungen für Reaktivitätszunahme. Bei Abschaltung muss der Reaktor aber sicher unterkritisch gehalten werden. 6/n
Also gibt man eine sogenannte „Stillstandskonzentration“ Bor ins Kühlmittel, vorgeschrieben sind 2200 ppm. So steht die Anlage im Zustand „kalt unterkritisch“. Nehmen wir an, nun kündigt sich ein Stromengpass an. Die Anlage muss also aus diesem Zustand angefahren werden. 7/n
Der Primärkreislauf muss daher wieder „entboriert“ werden, denn die kritische Borkonzentration, wo der Reaktor sich gerade noch zur Kettenreaktion bequemt, liegt nahe Null. Man zieht aus dem Primärkreislauf über d Volumenregelsystem eine Entnahmerate mit hohem Borgehalt ab... 8/n
...& speist auf d anderen Seite Deionat (destilliertes Wasser) aus der Kühlmittellagerung wieder ein. Das rausgefahrene Deionat-Bor-Gemisch wird im Kühlmittelverdampfer verdampft & so Borsäure vom Deionat getrennt & auf verschiedene Behälter der Kühlmittellagerung verteilt. 9/n
Beim Anfahren mit frisch geladenen Brennelementen ist die kritische Borkonzentration ca. 1400 ppm. Will man aber auf 0 kommen, muss man das Kühlmittel sehr lange auf Austausch fahren. Für die hier nötigen Mengen sind Verdampferkapazität & Kühlmittellagerung nicht ausgelegt. 10/n
Nach @CalcNuc, den ich dazu befragt habe, braucht man dafür einen Wasserumsatz von min 850, max 20.000 t im Kreislauf "Entnahme - Verdampfen- Zuspeisen". Die HD-Förderpumpen des Volumenregelsystems schaffen, wenn zwei gleichzeitig laufen, 18 kg/s. Also 13h bis 12 Tage. 11/n
Parallel macht man alle anderen Anfahrarbeiten - Sekundär -und Hilfssysteme betriebsbereit machen, Stellungslisten der Armaturen abarbeiten, gefühlte Tausende von RT-Verschraubungen an den Entlüftungs- und Entleerungsarmaturen checken…12/n
… mit den Hauptkühlmittelpumpen und der Druckhalter-Heizung den Primärkreis nichtnuklear aufheizen, viele Wiederkehrende Prüfungen, statisches und dynamisches Entlüften... beim normalen Anfahren dauert das ca. 60 Stunden, im Wiederholungsfall 30 Stunden. 13/n
Auch aus Zustand heiß-unterkritisch anfahren (wo man sich diese Arbeiten spart) kostet bei den derzeit anstehenden Strompreisen leicht eine halbe Mio €/d, weil dann ca 30 MW Eigenbedarf anfallen, weil die Hauptkühlmittelpumpen in Betrieb sind, die viel Strom ziehen. 14/n
Was die @PreussenEl aber an zentraler Stelle anführt: selbst wenn diese Formen von Anfahren technisch denkbar sind - aus dem Zustand kalt-unterkritisch mit einem Streckbetriebskern wurde das noch nie gemacht & daher gibt es für diesen Fall keine Sicherheitsbetrachtungen. 15/n
Das nun gerade in einer Strom-Mangellage einfach mal auszuprobieren, weil ein Bundesminister es versäumt hat, seine Ideen zusammen mit kerntechnischen Fachleuten auszuarbeiten, verträgt sich aber nicht mit geltenden Standards von Sicherheitskultur. 16/n
Noch 1 Anmerkung zum Brief der PEL: anders als dort ausgeführt, ist es bei einem regulären Streckbetrieb in bestimmten Grenzen dank Sollwert-/Führungswert-Anpassungen der Leistungsregelung durchaus möglich, die Anlage Lastfolge machen zu lassen, führte @KaiKosowski aus. 17/n
Bleibt die Frage, warum #Habeck auf diese Idee kam. Es gibt 2 Antworten: entweder hat er aus Unkenntnis der Tatsachen und Unwillen, Fachleute beizuziehen, einen groben Fehler begangen. Das würde einen Schatten auf seine Krisenkompetenz werfen. 18/n
Oder Habeck hat den Vorschlag gezielt gemacht, weil er wusste, dass die Betreiber ihn nur ablehnen können, und weil er eine self-fulfilling prophecy wollte: Er zwingt die KKW in die für sie ungünstigsten Konditionen, in denen sie tatsächlich kaum zur Krisenbewältigung... 19/n
...beitragen können und kann dann behaupten: "Seht, es ist, wie ich gesagt habe, die Kernenergie ist zu unflexibel, zu langsam und zu schwach, um einen Beitrag leisten zu können." 20/n
Es fällt wirklich schwer, #Habeck|s Vorgehen nicht für Kalkül zu halten, auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen des letzten halben Jahres mit so vielen Verzerrungen, Falschaussagen und Nebelkerzen. Aus Karriere- und Parteiraison wäre es so perfide wie perfekt: 21/n
Die Grünen bekommen ihren Atomausstieg - & Habeck kann mit ihnen 2025 Kanzler werden, statt sich mit Laufzeitverlängerung den Zorn der Trittin-Fraktion zuzuziehen. Er kann behaupten, er hätte ja alles versucht. Geht's schief, ist der Schwarze Peter bei den Betreibern. 22/n
Ein konstruktiver Vorschlag an @BMWK zum Schluss: Alles auf Null setzen & nochmal ein neues Krisenpaket schnüren, das wirklich die nötige Wucht hat – und dieses gemeinsam mit der Reaktorsicherheitskommission und den Betreibern planen, nicht im Alleingang. 23/n
Das beste für die Klima-, Versorgungs- und Reaktorsicherheit wäre ein regulärer Leistungsbetrieb mit frischen Brennelementen. Ein Befreiungsschlag wäre, auch die noch betriebsfähigen, vor 8 Monaten abgeschalteten Brokdorf, Grohnde & evtl. Gundremmingen C einzubeziehen. 24/n
Eine solche Maßnahme würde sich auch positiv auf d Strompreise auswirken. Doch grundsätzlich muss der Konnex von Klima- & Versorgungssicherheit wieder in den Vordergrund. Klimafreundliche AKW können Kohlekraftwerke verdrängen, volatile EE nicht. Da machen auch 3 KKW Sinn. 25/25 Das KKW Grohnde in seiner Landschaft. Foto: Rolf Sander

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Sep 7
@Ricarda_Lang, 4v4 Ihrer Argumente gegen unsere AKW im @DLF sind falsch.
• Der Vorschlag von @BMWK #Habeck ist das Gegenteil der Empfehlungen des Stresstests.
• 🇫🇷AKW sind keine 🇩🇪AKW.
• Kernenergie ist eine Niedrigrisikotechnologie.
• Der Atomausstieg ist reversibel.➡️
Hier das Interview mit @Ricarda_Lang. deutschlandfunk.de/akw-in-reserve… Es ist symptomatisch für das konzeptlose Herangehen der Grünen an die Krise: statt geänderte Randbedingungen anzuerkennen, wird das Konzeptvakuum mit Glaubenssätzen aus dem Katechismus („Hochrisiko“) aufgefüllt.➡️
Die geänderten Randbedingungen:
• Klimaziele sind mit dem herrschenden Fossil-EE-Mix nicht erreichbar
• Wenn französische AKW ausfallen, bewirkt Abschalten deutscher AKW eine Verschlimmerung, keine Verbesserung
• der Atomausttiegs-„Konsens“ existiert nicht mehr, s. Umfragen.
Read 5 tweets
Sep 6
@BMWK Ihre „Einsatzreserve“ ist eine Verhöhnung der Empfehlungen des Stresstests.
1) Der Stresstest sieht Netzstabilität als gegeben an, wenn 3 Anlagen im *Streckbetrieb* dh am Netz sind & laufend Strom produzieren. Habeck hat daraus null Anlagen am Netz gemacht, 1 unverfügbar. 1/n
@BMWK 2) In „Reserve“ benötigen die Anlagen je nach Zustand, kalt oder heiß unterkritisch, mindestens 6-30 Stunden zum Anfahren, während sie am Netz sofort verfügbar wären. So ist Engpassmanagement gemäß Stresstest unmöglich, die Anlagen kosten Geld, statt welches zu verdienen. 2/n
@BMWK 3) Während Streckbetrieb eine bewährte & oft durchgeführte betriebliche Fahrweise ist, ist es der Reservebetrieb nicht. Gut möglich, dass d „schnellste“ der Reservebereitstellungen - Dauerzustand heiß-unterkritisch - von d Aufsicht für solche Zeiträume gar nicht erlaubt wird.3/n
Read 10 tweets
Sep 5
@BMWK #Habeck|s #Notreserve enthält 2 Feigheiten und eine Fahrlässigkeit.
• Feigheit 1: wegen der @Die_Gruenen-Befindlichkeiten sollen die KKW nicht weiterlaufen.
• Feigheit 2: man ist aber auch nicht Manns genug, die Folgen eines totalen Ausstiegs nach Plan tragen zu wollen.➡️
• Die Fahrlässigkeit: wieder - wie schon in der gesamten Laufzeitverlängerungs-Debatte - wurde keine kerntechnische Fachperson hinzugezogen, keine Reaktorsicherheits-Kommission. Diese Betriebsweise der KKW wurde nämlich, im Gegensatz zum häufig gefahrenen Streckbetrieb, ➡️
noch nicht ausprobiert. Es sieht fast so aus, als wolle #Habeck durch diese erneute Volte die Betreiber zum Hinschmeißen bringen, um ihnen dann einen eventuell drohenden Engpass in die Schuhe zu schieben, sie hätten ja nicht gewollt. Also im Grunde eine dritte Feigheit. ➡️
Read 9 tweets
Aug 30
@markuspreiss Ihre Aussagen sind falsch & standortchauvinistisch.
1) 🇩🇪Kohle- & Gaskraft läuft vor allem als Backup für 🇩🇪Erneuerbare. In der 30-Tage-Rückschau sehen wir, dass diese schlechter verfügbar waren als die 🇫🇷 Kernenergie.
🇩🇪Windkraft: 14,5%
🇩🇪PV: 24,8%
🇩🇪 KKW: 98%
🇫🇷 KKW: 51%➡️
@markuspreiss 2) keiner der französischen Flüsse ist „leer“.
3) 5 🇫🇷Anlagen wurden im August für einige Tage wg Wassertemperaturen gedrosselt, die überwiegende Mehrheit ist in Revision, dh im regulären Wartungsstillstand, der in 🇫🇷immer schwerpunktmäßig im Sommer ist.
edf.fr/groupe-edf/amb…➡️
@markuspreiss 4) 12 Blöcke sind wegen Leitungsaustausch bzw. Untersuchungen aufgrund Spannungsrisskorrosion vom Netz. Sie werden im Herbst/Winter sukzessive wieder ans Netz genommen. Dazu grs.de/de/aktuelles/s…➡️
Read 8 tweets
Aug 23
@gerdlippold 1) Ein Ermöglichungsgrund fällt weg: 2011 ging man davon aus, dass man jede Versorgungslücke, die die abgeschafften AKW reißen & die die volatilen EE nicht absichern können, mit Kohle & Gazprom abdecken könne. Dann kam der Kohleausstieg. Dann kam Putin.➡️
@gerdlippold 2) noch ein Ermöglichungsgrund ist 2015 weggefallen: 2011 waren Klimaziele zweitrangig. Man schaffte mit der Kernenergie unsere damals bedeutsamste CO2-arme Stromerzeugung ab. Schon 2015 beim Paris-Abkommen hätte der Atomausstieg auf den Prüfstand gemusst.➡️
@gerdlippold 3) Heute weiß man, dass die Sicherheitsbegründung Merkels 2011 falsch war. Nicht das Risiko der 🇩🇪Anlagen, sondern die Risiko*wahrnehmung* von Medien & Wählern wurden zur Entscheidungsgrundlage. Die Regierung begründete diese im Kern populistische Entscheidung falsch:➡️
Read 11 tweets
Aug 21
Wer eine 🇩🇪Enzyklopädie der Atomangst-Erzählungen, Atomfakes, Cherrypicks, Doppelstandards schreiben will, kann bei d Drukos unter @DominicRessel|s Tweet aus dem Vollen schöpfen. Die grüne Twittosphäre ist für eine evidenzbasierte Diskussion verloren. Aber sie ist nicht das Land.
Lieber @DominicRessel, ich habe versucht, dagegenzuhalten, aber war doch auch entsetzt, welche Verheerungen die deutsche Atomkontroverse mit ihren 1000 Bias-Produzenten in Medien und NGOs, leider auch Forschungsinstituten wie dem DIW angerichtet hat. ➡️
Augenfälligstes Beispiel ist die jüngste Art & Weise der Deutschen, über Frankreich herzuziehen. Da werden aus 5 wegen Wassertemperaturen gedrosselten AKW eine wegen „fehlenden Kühlwassers“ lahmgelegte Atomwirtschaft, obwohl die meisten Stillstände ➡️
Read 4 tweets

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