Thread by @pavel23

Wann hatte #Italien je eine gute Regierung? In den letzten fünfhundert Jahren eher nicht. Für Italiener scheint der Staat Fremdherrschaft und kein Gemeinwesen zu sein, und Steuerhinterziehung patriotische Pflicht. Italien war und ist seit Ewigkeiten ein kranker Staat.

Nicht einmal Faschismus hat funktioniert in Italien, die Züge fuhren deshalb nicht pünktlicher, und das italienische Militär hat sogar von den Griechen auf die Fresse gekriegt - das ist so, als wäre Deutschlands Vormarsch im 2. Weltkrieg bereits an Belgien gescheitert.

Essen, Wein und der Kaffee sind richtig geil, fast so gut wie in der ehemaligen Kolonie Frankreich, und sexy Klamotten, Karossen und Kühlschränke können sie, aber in Stadt- und Verkehrsplanung und Müllabfuhr scheinen sie auf dem Niveau eines Entwicklungslands zu sein.

Ich mache mir also eher wenig Sorgen darum, dass diese Truppe von Pseudo-Faschisten oder sonstwer in Italien allzu viel bewegt kriegen. Nazis waren und sind viel gefährlicher und bösartiger als Faschisten, aber dank der Geschichtsklitterung durch Marxisten …

…in Ost und West kennt kaum jemand den Unterschied, und kein Linker redet gerne darüber, dass Mussolini Marxist war, bevor er seinen eigene, nationale Form von Sozialismus aufgemacht hat, weil er von den Marxisten rausgeworfen wurde.

Mussolini stelle ich mir wie eine Sarah Wagenknecht nach einem Rauswurf bei den Linken vor, mit großer Klappe und wenig Substanz. Ja, ich habe für Marxisten so wenig übrig wie für Faschisten oder Nazis, sind für mich alles Leute, die Zwietracht, Hass, Neid, Leid und Tod sähen.

Eigentlich könnten die Italiener eine politische Bewegung gebrauchen, die sie dazu bewegt, sich am Staatswesen zu beteiligen und mehr Ordnung zu schaffen, aber eine ausgrenzende und abgrenzende Bewegung wie diese Rechten wird eher mehr Chaos und Distanz zum Staat produzieren.

Daher freut sich Putin auch über den Sieg der Rechten in Italien, der Europa und Italien schwächt, aber Regieren in Italien bedeutete schon immer, sich den Staat zur Beute zu machen und Pfründe zu verteilen, und ich sehe nicht, dass sich das irgendwie ändern wird.

Es bleibt abzuwarten, wie lange sich diese Regierung behaupten wird angesichts der vielfältigen Probleme, die auf sie zukommen und dem Konfliktpotenzial einer Dreierkoalition von Populisten, die alle mehr ihre eigenen Interessen verfolgen als gemeinschaftliche Interessen.

Im Übrigen wollen Rechtspopulisten vor allem eins: Macht für sich. Ideologisch sind sie dabei höchst flexibel und machen alles mit, was diesem Ziel dienlich scheint, und ich glaube daher nicht, dass sie außenpolitisch in Europa allzu viel Ärger machen werden.

Ich zweifle auch daran, dass es sich bei Melini um eine Faschistin handelt und sie überhaupt weiß, was Faschismus ist, so verklärt wie dieser Begriff ist. Das heisst nicht, dass diese Leute harmlos sind und man sie unterschätzen sollte, aber sie erscheinen mir mehr Popanz …

…als ernst zunehmende Schreckgestalten zu sein. Die inflationäre Verwendung des Wortes “Faschist” oder “Nazi” von linker Seite trägt zudem stark zur Verklärung der Situation bei. Die Hauptgefahr scheint mir, …

…dass sie die verbeulte Demokratie in Italien weiter schädigen und Strukturen etablieren, die sie auf lange Zeit an der Macht halten, aber in Italien herschen vielerorts “italienische Verhältnisse”, auch wenn dieser Begriff eine viel zu pauschale Bewertung…

…eines vielfältigen und durch große regionale Unterschiede geprägten Landes ist. Als Nation aber hat sich Italien den Ruf als Namensgeber für chaotische politische Verhältnisse durchaus verdient mit 70 Regierungen in 77 Jahren. Im Schnitt hielt eine Regierung 13 Monate durch.

Das liegt nicht allein an der verbreiteten Staatsskepsis der Italiener, sondern auch an der Verfassung, die nach Mussolini explizit so konstruiert wurde, dass keine Regierung allzu viel Macht inne hat und Staatsorgane im ständigen Konflikt liegen,…

…der durch Interessenkonflikte der sehr verschiedenen Regionen verschärft wird. Italien hat ein diskordisch anmutendes politisches System, das Zwietracht als Kernelement politischer Machtbegrenzung kultiviert wie kaum ein anderes Land.

Aus all den Gründen hält sich mein Entsetzen über die Wahl von Melini in deutlichen Grenzen, und ich sehe darin auch kein Zeichen für einen Rechtsruck in Europa, auch nicht in Verbindung mit den letzten Regierungswechsel in Schweden - ein ganz anderes Thema.

Es hat aus meiner Sicht auch wenig mit Anti-Wokeness oder überzogener linker Identitätspolitik zu tun. It‘s the economy, stupid, und die Wirtschaft in Italien ist besser, als man angesichts des politischen Chaos vermuten würde, aber viel schlechter, als môglich wäre.

Populistische Regierungen tendieren dazu, wirtschaftlich nicht nachhaltige Maßnahmen zur Steigerung ihrer Popularität zu veranlassen, aber der Spielraum einer italienischen Regierung ist begrenzt, auch wenn sie durchaus Schaden anrichten oder Nutzen stiften kann.

Ich glaube, am Ende wird das alles eine weitere Episode in der italienischen Politik sein, aus der das Land nicht wesentlich verändert hervorgehen wird; die Wirkmächtigkeit italienischer Regierungen ist seit 77 Jahren blass im Angesicht der fundamentalen Probleme des Landes.

Ich kann mich auch täuschen, wäre nicht das erste mal, aber Italien ist ein Problem und eine Bereicherung für Europa, seit ich denken kann, und ich wäre sehr verwundert, wenn sich das nun plötzlich ändern würde.