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Oct 2 33 tweets 14 min read
Wofür sterben die russischen Soldaten in der #Ukraine?

Der Fallschirmjäger Pawel #Filatjew hat zwei Monate an der Cherson-Front gekämpft. Jetzt rechnet er mit der russischen Armee ab.

Ein neuer Auszug aus seinem Buch im Thread
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ZOV - Wenn die Pflicht ruft
Die 56. Fallschirmjägerbrigade

„Ich werde Ihnen jetzt erzählen, was ich über diesen Krieg denke und wie ich überhaupt in die ganze Sache hineingeraten bin.“

#Filatjew 2/33
„Ich bin mir der Verantwortung bewusst, öffentlich Informationen über meinen Dienst in der russischen Armee weiterzugeben. Es aber zu verschweigen, würde für mich bedeuten, die Verluste nur immer weiter in die Höhe zu treiben.“

#Filatjew 3/33
„Ich wurde von der Frontlinie in der Nähe von Nikolaew (Mykolajiw) evakuiert, weil sich die Bindehaut meiner Augen nach einem Artilleriebeschuss stark entzündet hatte.“

#Filatjew 4/33
„Ein Sanitäter sagte mir ein paar Tage später, ich müsse evakuiert werden, weil ich ohne medizinische Behandlung Gefahr laufen würde, mein Augenlicht komplett zu verlieren.“

#Filatjew 5/33
„Das Gefühl, das du hast, wenn du das Frontgebiet verlässt ist unbeschreiblich. Zwei Monate nur Dreck, Hunger, Kälte, Schweiß und der ständige Gedanke, dass neben dir der Tod sitzt.“

#Filatjew 6/33
„Es ist schade, dass man keine Reporter zu uns an die Front gelassen hat. Ansonsten hätte sich das ganze Land ein gutes Bild davon machen können, wie unsere Fallschirmjäger an der Front wirklich aussehen.“

#Filatjew 7/33
„Sie sind heruntergekommen, ungewaschen, dreckig, abgemagert und verbittert. Sei es, weil sich die sturen Ukrainer einfach nicht entnazifizieren lassen wollen“

#Filatjew 8/33
„Oder weil unsere unfähigen Kommandeure noch nicht einmal während laufender Kampfhandlungen dazu in der Lage sind, ihre Soldaten mit dem Notwendigsten auszurüsten.“

#Filatjew 9/33
„Die Hälfte meiner Jungs hat sich dann ukrainische Uniformen angezogen, weil die einfach qualitativ besser und bequemer waren.“

#Filatjew 10/33
„Unsere Uniformen waren abgetragen, weil das große Vaterland ja nicht in der Lage ist, seine eigene Armee neu einzukleiden, auszurüsten und zu verpflegen.“

#Filatjew 11/33
„Aber zurück zu meiner Evakuierung. Sie bringen dich also von heute auf morgen raus aus dem Kampfgebiet und du bist einfach nur froh, dass die ganze Scheiße hinter dir liegt.“

#Filatjew 12/33
„Gleichzeitig aber bist du frustriert, weil deine Kameraden ja immer noch da an der Front sind und dir keiner sagen kann, was jetzt mit ihnen wird.“

#Filatjew 13/33
„Wir fuhren in einem Minibus. Der Fahrer und zwanzig verwundete, dreckige, abgekämpfte Männer mit Blut an den Uniformen. Es gab nicht genug Platz für alle. „Deswegen musste ich auf den Stufen neben dem Ausstieg hocken. Viele aber hatten weniger Glück als ich.“

#Filatjew 14/33
„Wir mussten fünf oder sechs Stunden fahren, ich weiß es nicht mehr genau, aber zu dem Zeitpunkt konnte ich mich endlich entspannen und habe angefangen über die letzten zwei Monate meines Lebens nachzudenken.“

#Filatjew 15/33
„Warum hatte ich da mitgemacht? Wie war es dazu gekommen, dass ich dort gelandet war. In dem Moment auf der Fahrt in dem Minibus begann ein innerer Monolog, der bis heute andauert. Ein Mix aus schlechtem Gewissen, Patriotismus und gesundem Menschenverstand.“

#Filatjew 16/33
„Wenn ich in meinen alten Mustern bleibe, ist die Antwort ganz einfach: ich bin Fallschirmjäger des russischen Militärs. Ich bin verpflichtet, Befehlen Folge zu leisten und habe kein Recht auf Feigheit. Ich habe kein Recht, nicht in den Krieg zu ziehen.“

#Filatjew 17/33
„Ich bin verpflichtet, dem Wohl meines Landes zu dienen und das Volk Russlands zu beschützen. Soweit die einfache Antwort. Aber in demselben Moment mischt sich dann der gesunde Menschenverstand ein und fängt an, Fragen zu stellen.“

#Filatjew 18/33
„Weswegen stellt die #Ukraine für #Russland eine Bedrohung dar?“

#Filatjew 19/33
Alle um mich herum sprechen immer davon, dass die Ukraine in die NATO eintreten will. Aber sollen wir denn alle Länder angreifen, die in die NATO wollen?“

#Filatjew 20/33
„Lettland, Litauen, Estland und Polen sind schon in der NATO. Finnland wird jetzt beitreten, aber deswegen fangen wir doch keinen Krieg an. Wir haben doch nicht vor, sie alle anzugreifen. Oder etwa doch? Also, das kann nicht der Grund sein.“

#Filatjew 21/33
„Wenn wir die Ukraine nicht angreifen, wird die Ukraine uns angreifen.“

#Filatjew 22/33
„Im Fernsehen sagen sie immer wieder, dass wir einen Präventivschlag führen. Aber wie kann man glauben, die Ukraine würde uns angreifen, wenn die ukrainische Armee noch nicht einmal dazu in der Lage ist, die eigenen Grenzen zu verteidigen?“

#Filatjew 23/33
„Die ukrainischen Streitkräfte führen einen Verteidigungskrieg und erleiden erhebliche Verluste. Es ist allgemein bekannt, dass es einfacher ist, einen Verteidigungskrieg zu führen, als anzugreifen.“

#Filatjew 24/33
„Wäre es für uns nicht einfacher, die Grenzen zu sichern, eine starke Verteidigung aufzubauen, und dem Gegner im Falle eines Angriffs aus einer starken Verteidigung entgegenzutreten, sein Offensivpotential zu zerschlagen und dann zur Gegenoffensive überzugehen?“

#Filatjew 25/33
„Dann wären unsere Verluste weitaus geringer und die Weltöffentlichkeit könnte Russland nicht als Aggressor beschuldigen, der die Ukraine okkupieren will.

Dann stimmt es also auch nicht, dass die Ukraine Russland angreifen will, oder?“

#Filatjew 26/33
„In der Ukraine haben Nazis die Macht übernommen und unterdrücken die russische Bevölkerung“

#Filatjew 27/33
„Komisch, denn wenn ich mich mit den Leuten unterhielt, die vor dem Krieg in der Ukraine waren, konnten die sich nie an irgendeine konkrete Situation erinnern, dass jemand dort wegen seines russischen Nachnamens unterdrückt oder diskriminiert wurde.“

#Filatjew 28/33
Man sagt:

„Wir müssen angreifen, um die Volksrepubliken Donezk und Lugansk zu retten.“

#Filatjew 29/33
„Was soll das sein, die Volksrepubliken Donezk und Lugansk? Faktisch wie juristisch sind das zwei Regionen der Ukraine, die gegen die Regierung in Kiew aufbegehrt haben und jetzt unabhängig werden wollen.“

#Filatjew 30/33
„Aber das wäre dann doch das Gleiche, wenn auf einmal Karelien auf die Idee käme, sich von Russland abzuspalten und ein Teil Finnlands zu werden, oder Jakutien ein Teil der USA, oder Chabarowsk ein Teil von China. Das wäre doch das Gleiche, oder?“

#Filatjew 31/33
„Wozu kämpfen wir in Donezk und Lugansk? Geht es den einfachen Leuten im Donbas dadurch jetzt besser? Bei uns würden wir das nicht zulassen, so wie wir damals Tschetschenien keine Unabhängigkeit geben wollten. Und bezahlt haben wir das mit Tausenden von Toten.“

#Filatjew 32/33
„Warum machen wir dann das Gleiche bei unseren Nachbarn?“

#Filatjew 33/33

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