Die Pledge-Phase für die #Europainitiative hat begonnnen.
Wie funktioniert die Initiative?
Warum verdient sie
- deinen Aktivismus?
- deine Unterstützung durch Mitgliedschaft in einer der Trägerorganisationen?
- deine finanzielle Unterstützung?
Ein 🧵
Was heisst, dass ein Problem strukturell ist?
Es bedeutet, dass das Problem tiefer liegt, als beim Unwillen der involvierten Personen (BR; Parlamentarier...), sondern dass das politische System ihnen systematisch Anreize setzt, das Problem zu verschieben statt zu lösen.
Das Europadossier ist nicht nur unattraktiv, es ist toxisch. Niemand kann es anpacken, ohne sich selber zu schaden. Es ist ein Mikado. Wer zuerst etwas bewegt, verliert. Wer es als BR anfasst, riskiert nicht nur seine Karriere, sondern die Stellung der eigenen Partei im BR.
Das wird auf unabsehbare Zeit so bleiben; solange die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates arithmetisch diskutabel bleibt und alle Parteien in der Europafrage gespalten sind.
Eine Initiative kann nun einen Bypass legen. Vorbei an dieser verfahrenen Situation.
Was bedeutet die Verschiebung des Diskursrahmens?
Das Europadossier steht unter 35 Jahren nationalromantischer Dominanz. Viele Blocher-Tropes sind Mainstream geworden (dass die EU ein zentralistisches, top-down organisiertes Moloch sei & früher oder später scheitern MÜSSE etc.).
Solange der Diskursrahmen dominiert, der von den Nationalromantikern gesetzt wurde, können die institutionellen Probleme unmöglich gelöst werden, egal wie gut ein potentielles Abkommen ist.
Es braucht drum eine Verschiebung des Rahmens. Wir müssen übers Grundsätzliche sprechen.
Die Schweiz braucht ein Soul-Searching. Wir müssen über unser Geschichts- und über Souveränitätsverständnis sprechen, über unsere Identität als politische Gemeinschaft. Darauf hat niemand Bock. Nur eine VI kann das erzwingen.
Kann sie das, nützt sie auch, wenn sie verloren geht.
Warum ist der heikle Punkt nicht die Verhandlung mit der EU, sondern der Beginn der politischen Phase?
Die Rahmenbedingungen was mit der EU möglich ist, sind bekannt & stabil. Neue Verhandlungen können mit viel Zuversicht angekündigt werden; ihr Resultat ist einigermassen klar.
Der heikle Punkt ist der, wo es politisches Kapital im Inland braucht, wo ein Verhandlungsergebnis mit all seinen Kröten politisch verteidigt werden muss. An diesem Punkt ist das InstA gescheitert, da setzt die Initiative an. Sie will, dass wir als Souverän uns äussern dürfen.
Was bedeutet, dass eine Initiative ergänzend, nicht konkurrenzierend ist zum parlamentarischen Weg?
Weil die Parteien strukturelle Anreize haben, das Dossier zu verzögern, neigen sie zum Argument, erst müsse der Parlamentarische Weg zu Ende gegangen werden.
Doch das Dossier eilt und der parlamentarische Weg hat (aus strukturellen Gründen) Chancen, die zu 0 tendieren. Es ist daher wichtig, gleichzeitig einen ausserparlamentarischen Druck aufzubauen. Das wertet den parlamentarischen Weg nicht ab, im Gegenteil.
Soviel zur Ausgangslage. Nun zur Frage: wie funktioniert die Initiative?
-Sie definiert Ziele, nicht Mittel
-Ihr zentrales Ziel ist Handlungsfähigkeit der CH
-Sie belässt die Hauptverantwortung beim BR
-Sie feiert soziale Marktwirtschaft
-Sie bildet einen Boden, nicht eine Decke
Ziele nicht Mittel: Die Initiative legt sich gerade nicht fest, auf das eine oder andere institutionelle Arrangement. Weder auf ein Rahmenvertrag, noch auf einen Beitritt zu einer Organisation. Die beste Lösung kann sich im Lauf der Zeit auch ändern, das gibt also Flexiblität.
Dieser Ansatz schafft also auch die "Verfassungswürdigkeit" des Initiativtextes. Er stellt sicher, dass der Text nicht obsolet ist, bis darüber abgestimmt wird und dass er relevant/anwendbar bleibt, auch wenn sich die Ausgangslage ändert. Mittel können ändern. Ziele bleiben.
Dieser Ansatz unterstreicht auch die Aufgabenverteilung zwischen Bundesrat und Legislative. Es bleibt mit der Initiative der BR, der die Hauptverantwortung trägt für die Aussenpolitik. Die Verfassung gibt ihm ein Ziel vor, er wählt das Mittel und passt es gegebenenfalls an.
Dieses "form follows function" ist in der CH allerdings Häresie. In allen Lagern. Die Debatte ist so eingerichtet, dass die die 1. Frage immer ist: bist du für den Beitritt (oder für das InstA etc.)? Eine Frage, die man eigentlich nur mit "es kommt drauf an" beantworten kann.
Diese Struktur der Debatte dient v.a. der @SVPch. Man braucht nicht über die Ziele der Schweizer Aussenpolitik zu reden und kann jemanden sofort als "Euroturbo" delegitimieren. Das erspart einem Argumente. Die Initiative durchbricht diese Verarmung und Sterilisierung der Debatte.
@SVPch Handlungsfähigkeit als zentrales Ziel:
Dass es an einer institutionellen Lösung fehlt, beeinträchtigt die Handlungsfähigkeit der Schweiz. Sie ist wie ein Auto, das nur noch gerade ausfahren kann, und nicht mehr steuern. Die Initiative will der CH ihre Flexibilität zurückgewinnen.
Das wichtigste Zielfoto der Initiative ist also, dass die Schweiz zurück in einer Situation ist, in der sie neue Zusammenarbeitsbereiche verhandeln kann und bestehende aufdatieren, WENN SIE DAS MÖCHTE.
Es geht also grade nicht darum, dass die Schweiz den einen oder anderen Bereich der Zusammenarbeit beschliesst, sondern dass sie sich wieder die MÖGLICHKEIT / die FLEXIBILITÄT schafft, diese Bereiche zu erschliessen. Wie das erreicht wird, entscheidet der BR und kann sich ändern.
Umgesetzt ist die Initiative im Wesentlichen dann, wenn der institutionelle Rahmen geschaffen ist, dass sich die EU grundsätzlich wieder auf Verhandlungen über Bereiche der Zusammenarbeit einlässt, die die Schweiz sich wünscht.
Feiert die soziale Marktwirtschaft.
Wie die EU (und EWR) geht auch die Initiative davon aus, dass Marktöffnung sozial eingebettet sein muss. Sie hebt das Prinzip dieser sozialen Einbettung auf Verfassungsstufe und verpflichtet Bund&Kantone, entsprechende Massnahmen zu ergreifen.
Sie generalisiert dieses Prinzip. Während die Abfederung auf dem Arbeitsmarkt im Zentrum steht, bleibt sie nicht darauf beschränkt. Die Initiative betont auch den grossen Handlungsspielraum von Bund&Kantonen für soziale Ausgleichsmassnahmen. Dieser Spielraum muss genutzt werden.
Schliesslich: Sie bildet einen Boden, nicht eine Decke. Die Initiative stellt explizit klar, dass sie einem EU- oder EWR-Beitritt nicht im Wege steht, diese aber auch nicht verlangt. Sie sind auch institutionelle Lösungen, aber nicht die einzigen.
Die Initiative schliesst die Europapolitik der Schweiz damit nach unten hin ab. Tiefer, als eine partielle Beteiligung (am Binnenmarkt) darf die Schweiz nicht gehen. Aber sie steht einer vollständigen Integration nicht im Wege, diese würde ja ebenfalls alle Ziele der VI erfüllen.
Zum Abschluss einige Argumente gegen die Initiative, und warum sie nicht ziehen. Wir beginnen mit dem populärsten Non-starter👇
Weil: Natürlich kommt sie zu spät. Aber... was käme denn rechtzeitiger?
Sollte wider erwarten schnellere Lösungen kommen, umso besser.
Ein verwandtes Argument ist, die Initiative "stehe quer in der Landschaft" (@FabianMolinaNR). Natürlich tut sie das. Das ist ja grad die Aufgabe von Initiativen. Wenn die "Landschaft" eine Lösung so lang wie möglich aufschieben will, steht eine Initiative eben quer dazu.
@FabianMolinaNR Es stimmt, dass die Initiative - on the face of it - recht gemässigt ist. Sie entspricht der Legislaturplanung des BR und der Position der meisten Parteien.
Ihre Radikalität besteht darin, dass sie den Worten auch tatsächlich Taten folgen lassen möchte.
Das bedeutet aber auch, dass sie von den Parteien verlangt, dass sie ihre interne Spaltung und die Differenzen mit ihren Koalitionspartnern angehen. Das macht die Initiative, obwohl sehr gemässigt, zu einem grundlegenden Angriff auf das Establishment, wenn sie ins Rollen kommt.
Würde die VI eine weitergehende institutionelle Lösung verlangen (statt nur überhaupt eine institutionelle Lösung), hätte das min. 2 Nachteile:
-Man müsste Mittel festlegen statt Ziele. > Zurück im alten Trott.
-Man wäre noch weniger mehrheitsfähig und einfach zu marginalisieren.
Hören wir sehr oft von der Wirtschaft (die eine Volksinitiative mit ihrem Konfliktpotential für die Wirtschaftspartei(en) möglichst verhindern will).
Stimmt aber nicht. Nur eine anstehende Volksabstimmung erzwingt die Debatte von der Intensität und der Breite, die wir brauchen.
Es stimmt, dass dem BR jede Ausrede recht sein wird, europapolitische Entscheide aufzuschieben. Die Initiative bietet dafür keine gute Ausrede. Sie lässt ein so breites Spektrum an Lösungen zu, dass sie nicht bereits stattfindende Verhandlungen unterminieren wird.
Noch wichtiger: Es ist ja nicht so, dass es viel zu blockieren gäbe in der Europapolitik. Es läuft ja schon nichts, ohne dass eine Initiative hängig ist und es ist klar, dass die Prokrastination System hat. Es ist also gar kein Schadenspotential vorhanden...
Es ist das Gegenargument, das wir am häufigsten hören. Was, wenn wir verlieren? Denkt euch den Scherbenhaufen aus!
Nur: jeder europapolitischer Vorstoss ist extrem riskant (was den Ausgang an der Urne betrifft) und jeder europapolitische Fortschritt braucht eine Abstimmung.
Das Argument ist also Selbstmord aus Angst vor dem Tod. JEDER europapolitischen Lösung könnte das Risiko entgegen gehalten werden, es könnte an der Urne scheitern. Im Unterschied zu U.K. sind Abstimmungen über Europa in der Schweiz alternativlos. Daher: Je eher desto besser.
Zumal es sehr wahrscheinlich mehr als einen Anlauf braucht, bis eine Lösung gelingt (wie beim UNO-Beitritt oder beim Frauenstimmrecht) ist es sicher eine gute Idee, mit dem ersten Anlauf möglichst rasch zu beginnen; mit dem Bohren dicker Bretter gleich anzufangen.
Hinzu kommt noch: Geht die Initiative verloren, so ist das überhaupt kein Verdikt gegen eine institutionelle Lösung, sondern nur gegen eine verfassungsmässige Verpflichtung zu einer institutionellen Lösung. Es wäre insofern einfach eine Lizenz zum Weiterwursteln für den BR.
Es würde dem BR also die demokratische Legitimation zu seinem Wurstel-Ansatz (der auch zu einer institutionellen Lösung führen soll, einfach erst bei Godot) geben, die er selber im Mai 2021 versäumt hat, einzuholen.
Aus all diesen Gründen: Hilf doch auch du uns, den gordischen Knoten der Schweizer Politik zu lösen und gib uns Rückenwind.
Mit aktivistischer und finanzieller Unterstützung und ab dem Frühling, mit dem Sammeln von Unterschriften!
Wer die DruKos hier drunter durchsieht, blickt in Abgründe, die uns zeigen, dass die Situation noch ernster ist, als gedacht.
Vielleicht hilft ein 🧵zu den unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes "Remigration" und zur Rolle von Euphemismen bei menschenverachtenden Bewegungen.👇
Der häufigste DruKo ist, dass es sich bei "Remigration" um einen harmlosen wissenschaftlich definierten Begriff handle.
Dieses Argument kommt in 2 Varianten. Entweder, es handle sich nur um einen Abschnitt eines Migrationszyklus, oder es gehe nur um "illegale Einwanderer".
Daher kurz eine Auseinandersetzung damit, wer den Begriff wie verwendet. Beginnend mit @MarcFelixSerrao in seinem "Remigration? - Ja!" Text für die @NZZ. Serrao bringt hier eine Technik zur Perfektion, die er von der AfD selber gelernt hat:
Short🧵zu dem recht üblen Artikel mit der suggestiven Frage "Wer braucht noch die Menschenrechte" von @MarkusBernath. Sein Hauptproblem ist, dass er zwar streift, dass es in der #EMRK nicht um Asylrecht geht, sondern um das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung....
@MarkusBernath @NZZaS ...dass er dann aber dennoch so tut, als handle es sich um asylrechtliche Rechtsprechung (das ist gerade nicht der Fall). Das erste, was man missversteht, wenn man das so darstellt, ist, dass die Ruanda-Politik gemäss Supreme Court nicht nur die EMRK verletzt, sondern auch...
@MarkusBernath @NZZaS ...Landesrecht und verschiedene weitere internationale Konventionen (darunter auch den unkündbaren Uno-Pakt II), die ebenfalls ein Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung enthalten. Mit der Kündigung der EMRK wäre es also nicht getan.
Gerhard Schwarz Kolumne in der @NZZ von gestern ist ein derart guter Marker für alles, was falsch läuft in der Europadebatte der Schweiz, dass man ihn erfinden müsste, wenn es ihn nicht gäbe. Ein kurzer 🧵 nzz.ch/wirtschaft/sch…
@NZZ Die Probleme in der Europadebatte der Schweiz entstammen nicht nur der Nationalromantik (von der der Text ebenfalls trieft), sondern der neoliberalen Sehnsucht nach Zusammenarbeit ohne Institutionen (was nichts anderes als eine Sehnsucht nach Entpolitisierung der Politik ist).
Dieses Problem tritt oft (allerdings besonders markant bei Gerhard Schwarz) zusammen mit dem Problem auf, dass "Freihandel" als Platzhalter für die einfache und effektive Lösung von Problemen verwendet wird, ohne im geringsten zu erklären, was damit gemeint ist.
Er behandelt die Hintergrundbedingungen in der Schweizer #Europadebatte. Ein (vielleicht zu langer) 🧵.
Btw: Artikel diesen Umfangs können in der Schweiz nirgends open access publiziert werden. Ihr kriegt ihn auf SwissLex oder mit DM an mich. 1/n
Der Artikel stellt 2 Hypothesen auf:
1.) Es gibt in der CH-Europadebatte kaum Druck, Alternativen zum europäischen Projekt und zu einer institutionellen Beziehung zu diesem zu formulieren.
2.) Die implizit angenommene Alternative ist oft die einer Spaghettischüssel.
Diese Hintergrundannahme, wenn benannt, eröffnet gleich mehrere Grundsatzdiskussionen:
-zum Begriff der Freiheit
-zum Verhältnis des Politischen zum Ökonomischen
-zum Verhältnis Markt<>Staat
-zum Schweizer Geschichtsverständnis
-zum methodologischen Nationalismus
Let me unpack:
Zeit für einen kleinen Argumente-Marathon gegen das #PMT.
Argument #1:
Die Definition von "Gefährder" ist uferlos. Sie ist schon erfüllt von Personen, die angelblich Dinge planen, die gar nicht strafbar wären, wenn ausgeführt. operation-libero.ch/de/errorgesetz
Argument #2:
Das #PMT ist ein kafkaesker Albtraum. Denn niemand kann sich vom Vorwurf befreien, in Zukunft vielleicht einmal etwas böses vorgehabt zu haben (das nicht mal strafbar zu sein bräuchte, damit das Repressionsdispositiv des PMTs ausgelöst wird). operation-libero.ch/de/errorgesetz
Argument #3:
Die Idee, die Polizei könne Straftaten verhindern, bevor schon ein Verdacht darauf bestehe, löst - im Kontext der Digitalisierung - einen ungeheuren Datenhunger der Behörden aus. Denn mehr Muster zu erkennen verlangt nach mehr Daten. operation-libero.ch/de/errorgesetz
Heut vor 20 Jahren hat das Stimmvolk die #Bilateralen I angenommen (67.2%).
Ohne #Corona hätten wir nur Tage vor dem Jubiläum über die #Kündigungsinitiative abgestimmt, die die Bilateralen I kündigen würde.
Aufgeschoben, ist nicht aufgehoben.
Zeit für einen Würdigungs-Thread 1/n
Als politisches Mehrheitsprojekt war der bilaterale Weg ein Erfolg. Er wurde wiederholt an der Urne bestätigt.
2005 wurde die Schengen-Assoziation angenommen (54.6%)
Auch 2005 wurde die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen Mitgliedstaaten angenommen (55.9%) 2/n
2009 wurde die Weiterführung der Personenfreizügigkeit und deren Ausdehnung auf Rumänien und Bulgarien angenommen (59.6%).
Das Referendum gegen die Ausdehnung der PFZ auf Kroatien und gegen die (bilateralen-freundliche) Umsetzung der #MEI blieb ungenutzt.