Thread by @AlDavoodi

Djokic spricht hier was ganz Wichtiges an: Das Argument, die #NATO sei schuld (allen voran die USA), ist Teil einer (neo-)realistischen Denkweise. Dieses Modell kann den Krieg gegen die #Ukraine aber nicht zufriedenstellend erklären.

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https://twitter.com/polidemitolog/status/1593330657941508096?t=ytHxwgwxo3PH1wCGSwB5zQ&s=35

John #Mearsheimer ist ein sehr bekannter Fisch im Becken der (neo-)realistischen Schule. Im Interview spricht er die „balance-of-power politics“ an. Kurz: Staaten streben nach einem Machtgleichgewicht.

2/23

newyorker.com/news/q-and-a/j…

Ist das gestört, macht der Part mit weniger Macht irgendwas, um das wieder auszugleichen. Da gibt es die Möglichkeit der Bündnisbildung (siehe NATO), Aufrüstung - oder der Staat beißt zu, weil er in die Ecke gedrängt wurde.

3/23

Genau das wird immer als Argument durch die Gegend geworfen: Die NATO hat durch ihre „Osterweiterung“ die Machtbalance zu ihrem Gunsten gestört, Putin fühlt sich in die Enge getrieben. Mit der Ukraine als NATO-Staat wäre er „umzingelt“. Er hat Angst, also beißt er zu.

4/23

Davon ausgehend entsteht auch das Argument, der #Ukrainekrieg sei nichts anderes als ein „Proxy War“ zwischen Russland und den USA. Russland kann die USA eh nicht leiden und mit der NATO breitet sich die USA vor seiner Haustür aus. Ziemlich uncool aus russischer Sicht.

5/23

Der Angriff auf die Ukraine wäre demnach nichts anderes als ein Mittel, um der USA zu zeigen, wo der Hammer hängt.

Aber bleiben wir bei Mearsheimer. Eines seiner Hauptargumente ist, dass Putin genau das eben Ausgeführte sagt und nichts anderes.

6/23

Muss also stimmen, oder?

(Es ist ja nicht so, als würde Putin einen #Informationskrieg gegen den Westen führen, der auf der Konstruktion von Lügen basiert.)

7/23

In Mearsheimers Augen ist er selbst ein Experte für die Lügen von Staatsoberhäuptern. Er schrieb ein ganzes Buch darüber: Why Leaders Lie: The Truth about Lying in International Politics.

Seine Punkte, warum Putin angeblich nicht lügt:

8/23

1. Staatschefs untereinander lügen sich nicht oft an.
2. Wenn gelogen wird, dann dem eigenen Volk gegenüber und nicht auf dem internationalen Parkett.
3. Putin kann nicht lügen, da eine solch aufwendig konstruierte Täuschungskampagne in der Geschichte beispiellos wäre.

9/23

Diese aufwendig konstruierte Täuschungskampagne nennt sich auch #Informationskrieg und ist seit Jahren ein bekanntes - und verdammt gut wirkendes - Mittel, um dem Westen kackfrech ins Gesicht zu lügen und ihn damit zu destabilisieren.

10/23

zdf.de/nachrichten/po…

Mit immensem Aufwand (siehe allein die Trollfabriken) versucht Putin hier, das Narrativ „der Westen ist schuld“ zu verbreiten. Es funktioniert. Der (neo-)realistische Ansatz ist simpel und glaubwürdig und damit ideal für den Kreml.

11/23

tagesschau.de/investigativ/r…

Interessant ist, dass Mearsheimer mit keinem Wort den Informationskrieg Putins erwähnt. Der Frage von @IChotiner nach russischer Einmischung in US-Wahlen weicht er aus.

Mearsheimer beharrt hier auf denselben Narrativen wie der Kreml und vermeidet alles, was sie widerlegt.

12/23

Interessant ist das alles auch im Hinblick auf den Krieg im Irak 2003 - das Thema bringt @IChotiner kurz zur Sprache. Der Regierung unter Bush wurde nachgesagt, eine Kampagne konstruiert zu haben, um eine Legitimation für ihren Angriff zu besitzen.

13/23

Dass der Irak eine potentielle Bedrohung für den globalen Frieden darstellte, war und ist ein besseres Narrativ als: Wir wollen den Irak angreifen, um der Welt zu zeigen, dass wir nach wie vor die Babos sind. (Das ist eines der Erklärungsmodelle, es gibt mehrere.)

14/23

Während Mearsheimer beim Irak mitgeht und sagt: Die USA konstruieren ein Narrativ, um einen Grund für den Krieg zu haben, sagt er bei Russland, dass eine solche Lügenkampagne nicht geht und das, was Putin sagt, stimmen muss.

15/23

mearsheimer.com/wp-content/upl…

Im Interview sagt Mearsheimer, dass die USA keine Bestrebungen hatten, den Irak zu besetzen und in ein „greater United States“ zu integrieren - das ist auch vollkommen richtig. Das Thema Irak 2003 und dessen Gründe würden den Rahmen sprengen. Bleiben wir bei Russland.

16/23

Was beide Kriege gemeinsam haben, ist das Konstruieren von Narrativen zur Legitimation. Da hat Mearsheimer unrecht, wenn er sagt, Russland tue das alles nur aus Angst. Das Angst- und „Westen ist schuld“-Narrativ verkauft sich nun einmal am besten.

17/23

Und das Ganze sowohl nach innen als auch nach außen, sonst würden die Rufe nach Verhandlungen nicht so laut sein. Die Sache ist: Verhandeln bringt hier nichts. Russland will seine UdSSR zurück. Der Niedergang der Sowjetunion hat ein Trauma hinterlassen.

18/23

Würde die Ukraine nachgeben, Putin Donbass und Co. überlassen, wäre der Krieg nicht vorbei.

@vtchakarova hat einen sehr ausführlichen Thread darüber geschrieben. Definitive Leseempfehlung!

19/23

https://twitter.com/vtchakarova/status/1530991795848593410

Wir können mit niemandem verhandeln, der nach mehr Macht strebt. Das beendet keine Kriege, sondern befeuert sie nur. Am Ende würde Russland nur die Länder schlucken. Das zulassen, nur damit der Westen sich im Schein des Friedens suhlen kann?

20/23

Die Menschen, die die USA beschuldigten für ihr Verhalten 2003, sollten jetzt definitiv nicht damit beginnen, Putin in Schutz zu nehmen. Die USA, die NATO und der Westen sind nicht „das Böse“.

Fallt nicht auf Russlands #Desinformation rein!

21/23

Putin führt Krieg gegen uns.

Das merken wir nur nicht so sehr, weil keine Raketen über unseren Köpfen fliegen. Sein Ziel ist die Destabilisierung des Westens. Dass wir nachgeben. Sonst würde er uns nicht mit Gas erpressen und Aufwand für den Informationskrieg betreiben.

22/23

Wenn wir unter dieser russischen Strategie einknicken, gewinnt Russland. Nicht nur die Ukraine, sondern viel mehr.

Das dürfen wir nicht zulassen. Die Folgen wären fatal.

23/23