Hausdurchsuchungen bei #LetzteGeneration, verstärkte Polizeikontrollen in einigen Innenstädten und die Verwüstung eines muslimischen Friedhofs. Alles Nachrichten der letzten 3 Tage. Die Gleichzeitigkeit dieser Entwicklungen sollte uns besorgen.
Dazu kommt eine größer werdende Freude an Selbstjustiz & Selbstjustizfantasien, die kaltblütige Erschießung eines rassifizierten Jungen durch die Polizei und die weitgehend unwidersprochene Inhaftierung von Aktivist:innen ohne Prozess.
Die Gesellschaft wird vor unseren Augen autoritärer und die Geschwindigkeit in der das passiert sollte uns alle aufrütteln.
Wenn autoritäre Tendenzen zunehmen wird die Gewalt offensichtlicher und häufiger, die von den privilegierten Zentren gegenüber den marginalisierten "Rändern" ausgeübt wird. Menschen, die ohnehin von mehrfacher Diskriminierung betroffen sind, trifft diese Gewalt mit voller Wucht,
während die sog. "Mehrheitsgesellschaft" in Überforderung oder latenter Leugnung stumm und passiv bleibt. Ein weiteres Beispiel dafür ist die entsetzliche Kälte in der Debatte um #Hartz4 und die 14 Mio. Armutsbetroffenen in Deutschland.
Wenn autoritäre Tendenzen sich durchsetzen, konstituiert sich eine Gesellschaft Stück für Stück eindimensionaler, homogener, vermeintlich "sicherer", es wird ruhiger.
Neben der brutalen Gewalt passiert dabei aber noch was anderes, subtiles:
Die Gesellschaft reguliert sich auch nach innen. Gewisse Dinge dürfen nicht mehr angesprochen, nicht einmal gefühlt werden. Das ist die Bedingung dafür, dass das Gesamtgefüge den zunehmenden Autoritarismus und die zunehmende Gewalt mitträgt.
Auch dieser Übergriff auf unsere Gefühlswelten zeigt sich sehr deutlich, fast schon banal, z.B. als #Lanz@rochel_carla erklärte, sie *müsse* trotz des kolossalen politischen Versagens in der Klimapolitik hoffnungsvoll bleiben.
"Sie sitzen jetzt hier, eine eloquente, kluge junge Frau. [...] Sie müssten optimistisch sein, Sie müssten Zutrauen haben in die Fähigkeiten von Menschen, Sie müssten Zutrauen haben in die Fähigkeit zur Anpassung..."
Solche Äußerungen sind integraler Bestandteil einer autoritärer werdenden Gesellschaft, hier verkleidet als freundlicher Versuch, gemeinsam die emotionalen Bedingungen einer sozial-ökologischen Transformation zu beschreiben.
Hintergründig ist das natürlich schamloses #gaslighting und der Versuch, 1.) das emotionale Zentrum der klimatisch gestressten und mit dem Autoritären flirtenden Gesellschaft zu entpolitisieren. Aufregung und das Drängen auf Veränderung wird delegitimiert.
Und 2.) die faktische, physikalische und auch soziale Realität aus dem qualifizierten Raum der politischen Debatte zu entfernen.
Wir werden in Zukunft noch viele dieser Versuche erleben, soziale, politische Realitäten und ihre Emotionen vom poltischen Raum abzutrennen.
Wichtig wäre, dass wir dann als Reaktion nicht nur dem Täter etwas verständlich machen wollen à la "Warum begreift Lanz denn nicht, wie schlimm die Klimakrise ist", sondern die strukturellen Zusammenhänge dieser Verschiebung reflektieren und uns dagegen stemmen.
Sonst haben wir als Gesellschaft keine Chance, der tatsächlichen Zunahme von Gewalt durch den Staat (auch, aber nicht nur in Form der Befeuerung der Klimakrise), gewaltbereite rechte Strukturen und petromaskuline Identitäten adäquat zu begegnen.
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Immer mehr Leute sagen um die Klimakrise in den Griff zu kriegen müssen wir die gegebenen Machtverhältnisse überwinden. Aber was soll das eigentlich sein, "Macht"?
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Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten oder theoretische Ansätze, Macht, Machtverhältnisse & -dynamiken zu beschreiben.
Auch wenn es erstmal nach einer unwissenschaftlichen Kategorie klingen mag: "Macht" ist im Bereich der Sozialtheorie als Begriff essenziell.
Da die Klimakrise im Kern ein Problem von gesellschaftlichen Machtverhältnissen ist, ist es wichtig, dass mehr Menschen mit diesem Begriff was anfangen können.
Daher kommt jetzt eine kurze, unvollständige Historie, wie sich die Analyse von Macht in der Soziologie entwickelt hat
Die Polizei wollte mich gestern und heute davon abhalten, mich an zivilem Ungehorsam gegen den fossilen Rollback und die neoliberale Politik der Ampel zu beteiligen.
Dazu hat sie mir präventiv eine "Meldeauflage" für die verbleibenden Tage der #Herbstrebellion verpasst.
Ich musste mich gestern und heute dreimal täglich bei der Polizeistelle nahe meiner Wohnung melden sonst droht Geldstrafe i.H.v. 1000€ oder bis zu 14 Tage Haft.
Ich finde ziemlich krass, wie die @polizeiberlin da gegen mich und zwei andere Aktivisten vorgeht. Man labelt mich - kein Witz - als Gefährderin, und behauptet, ich würde mich strafbar machen. Was nicht stimmt, denn ich hatte bisher keine einzigen Gerichtsprozess und
Danke Manuel für den Beitrag, von dem ich einiges teilen kann. Ich hab aber auch das Gefühl, dass der Beitrag nen Debattenstillstand markiert, an dem die immergleichen Argumente aufgewärmt werden. Deshalb hier ein kleiner Kommentar.
Mein Eindruck ist: eine Seite der Klimastrategiediskussion legt als Prämisse zugrunde, dass man eben mit dem aktuellen recht schmalen Mobilisierungspotenzial arbeiten & das ideal einsetzen muss: gegen die fossile Macht (anstatt der Blockadegießkannen durch etwa Autobahnblockaden)
Die andere Seite will sich mit dieser Prämisse nicht zufrieden geben & die existenzielle Konfliktsituation ins Zentrum der Gesellschaft hieven, um über die Debatte nicht nur das Bewusstsein (passiv) zu stärken, sondern auch die Möglichkeit von Ungehorsam (Aktivität) zu pushen.
Antipopulismus ist der Begriff für das Argument, dass die Bevölkerung an der Klimaverschleppung schuld ist: die Mehrheit als Problem. Es greift zurück auf das alte Stereotyp vom dummen irrationalen Volk, das nicht weiß was gut fürs Land ist. Unter Technokraten beliebter Take.
Im Klimakontext ist es zu weiten Teilen Täter-Opfer-Umkehr & solange wir keine Regierung vor uns haben, die transformative Klimapolitik versucht hat und dafür abgewählt wurde auch pure Spekulation.
The fossil fuel industry has infiltrated all steps of democratic will formation & decision making in order to protect business as usual, locking us in on the worst case climate scenario.
Yet, @Shell's CEO believes that "the public" will magically prevent a 3°C world.
I've heard this illusion many times that the public as an entity is somewhat isolated from interventions to protect fossil interests. And that it therefore will come around the corner at some point. This is often coupled with misanthropic cliches about humans being essentially
dumb, greedy and ultimately deserving catastrophe as we haven't stopped it up until this point. So it might be helpful to be very clear about all the ways the fossil fuel industry has tried to control "the public" via the political discourse, lawmaking procedures and courts.