Weil wir einen Kampf verloren haben.
Weil die Familie jemanden braucht, der sie begleitet.
Weil wir es dem kleinen Kämpfer schuldig sind, liebevoll und in Ruhe von den Schläuchen und Kabeln befreit, gewaschen, eingecremt und ankleidet zu werden.
Weil wir auf Wunsch der Eltern verabredet haben, dass wir noch Fußabdrücke machen und die Sternenkinderfotografen kommen sollen.
Weil die Kollegen der nächsten Schicht keine Zeit haben, da schon wieder ein neuer Notfall versorgt und aufgenommen werden muss.
Weil wir mal wieder unterbesetzt arbeiten.
Weil ich das Kind lange versorgt und so auch eine Bindung aufgebaut habe.
Und weil auch nach dem Tod noch Einiges zu organisieren und der Papierkram zu erledigen ist.
Und ich bin froh, dass meine Freunde und Familie immer wieder
Verständnis haben und kurzfristig zurückstecken.
„Arbeiten nur noch nach Vorschrift“ klingt in der Theorie sehr schön. Geht aber in der Realität oft genug einfach nicht.
Das Notfalltelefon klingelt. Säugling unter laufender Reanimation. Eintreffen in der Klinik in ca. 30 Minuten.
Die Station ist mit 1 Bett überbelegt und eine Kollegin ist krankheitsbedingt ausgefallen.
Wir besprechen uns blitzschnell.
Eine weitere erfahrene Pflegekraft und ich
werden die Station betreuen, denn das restliche Team (Ärzte und Pflege) wird komplett gebraucht.
Wir bekommen kurze Infos zu den Patienten. Welche Medikamente zu geben sind, welche pfleg. Maßnahmen nicht warten können, welche Patiententen häufig kritische Monitoralarme haben.
Die Kollegen richten den Schockraum auf unserer Station her, Notfallmedikamente und Perfusoren werden aufgezogen. Dann machen sie ein kurzes Briefing und warten auf das Eintreffen des Rettungsteams.
Meine Kollegin und ich besprechen uns kurz, teilen die 11 Patienten zwischen uns
Stell dir vor Du bist ein Kind. Deine Eltern erzählen dir, dass man bei dir Blut abnehmen oder dir eine Impfung geben muss. Sie sagen, dass das auch wirklich garnicht wehtut. Und Du seist doch so ein tapferes Kind.
Und dann bekommst Du in der Arztpraxis, im RTW oder in der Kinderklinik diesen Pieks - und es tut eben doch weh. Du erschrickst und versuchst den Arm wegzuziehen. Vielleicht musst Du jetzt sogar festgehalten werden und man versucht es nochmal.
Dabei haben deine Eltern dir doch erzählt, dass das garnicht wehtut. Du bekommst Panik und brüllst. Und dir wird klar: sie haben dich angelogen.
Wenn ich an den Winter 20/21 zurückdenke, gefriert mir noch immer das Blut in den Adern.
Damals kamen die Impfstoffe gerade erst auf den Markt, die Empfehlungen für Schwangere erst deutlich später.
Alle Schwangeren mit Covid19 kamen aus einem großen Einzugsgebiet zu uns.
Die Logistik war enorm. Wenn eine positiv getestete Frau sectioniert werden musste - egal wie reif das Kind war,
fand das in einem dafür
geblockten OP-Saal statt, recht weit entfernt von unserer KinderIntensiv.
Deshalb haben wir eine Extra-Neugeborenen-
Erstversorgungseinheit hergerichtet, mit allen evtl benötigten Utensilien bestückt, und mit einem Beatmungsgerät versehen.
Es gab einige Gebärende, die nur milde Symptome hatten und bei denen es auch bei den reifen Neugeborenen keine Probleme gab.
Hab in der Küche angefangen, die ist nämlich winzig - ziemlich winzig und deshalb steht auch das Fensterbrett hinter der Spüle komplett voll.
Alles abgeräumt, gewischt, sortiert. Nachdem jedes Teil wieder sauber an seinem Platz in kleinen Weidetabletts
stand, ich die Spülmaschine ausgeräumt und den Teppich gesaugt hatte, dachte ich mir „Hey, der Wasserkocher (auf dem Fensterbrett positioniert) könnte noch eine Entkalkungsaktion vertragen“ also Wasser rein, einen Schwups Zitronensäure und weil das grad noch herumlag etwas
Natronpulver (viel hilft ja bekanntlich viel). Habe mir einen Kaffee gemacht und wollte, während ich den trinke die Einwirkzeit in Ruhe abwarten. Tja…Pustekuchen. Plötzlich höre ich aus dem Wohnzimmer wie es in der Küche zischt und brodelt.
Und ja, man darf zornig sein, wenn im Krankenhaus beim eigenen Kind ein Fehler unterläuft.
Man kann natürlich auf die Pflegekraft schimpfen. Aber was denkt ihr, was das Alles mit uns macht?
Wir arbeiten seit Jahren am Limit, machen Überstunden, haben regelmäßig
keine Pause, springen an unseren wenigen freien Tagen ein und versuchen mit letzten Kräften das kaputte System zu kompensieren um mit großer Mühe die Kinder wieder gesund zu machen.
Nicht selten haben wir deshalb sogar noch Streit mit unseren Partnern, Familien, Freunden, mit
denen wir eigentlich verabredet waren, als das Telefon mal wieder klingelte, ob wir einspringen können und sie müssen wiederholt zurückstecken.
Es wird seit Jahren mit argwöhnisch verschrenkten Armen und einem süffisanten Lächeln auf den Lippen dabei zugesehen, wie wir
Pflegenotstand bedeutet nicht nur, dass es sein kann, dass ein Kind kein Bett bekommt und teilweise hunderte Kilometer weit entfernt verlegt werden muss. Es bedeutet auch nicht nur, dass die Pflegekräfte ein bisschen gestresst sind und nicht wie früher die Zeit haben für lange
Gespräche mit den Eltern. Es bedeutet, dass wir regelmäßig überbelegt sind bzw die vorgegebenen Personalgrenzen nicht einhalten können. Dass wir von Patient zu Patient eilen. So gut es geht priorisieren.
Monitoralarme einschätzen, entscheiden ob wir intervenieren müssen oder sie „nur“ wahrnehmen und dokumentieren. Nebenher das permanent klingelnde Telefon bedienen und
Untersuchungen koordinieren.
Zeitgleich stehen schon wieder die nächsten Medikamente