Dieser 🧵 ist für all jene die meinen: Klimabewegung ja, aber doch nicht so... der lästige Protest in Museen, auf Straßen, inmitten der Gesellschaft schadet der Sache usw. Ich habe da tolle Evidenz für Euch, damit ihr das anders sehen könnt! 1/
Am überzeugendsten finde ich einen geschichtlichen Vergleich mit der US-Bürgerrechtsbewegung (BRB). So kann man am besten „das große Ganze“ erkennen, das man heute kaum sieht, wenn man mittendrin ist. 2/
Besonders spannend: Wie der Staat und die weiße Mehrheit der Amerikaner damals die Bürgerrechtsbewegung sah – und was sie dennoch erreicht hat. Die Parallelen sind teils unglaublich, aber alles andere als überraschend. 3/
Anliegen: Beide Protestbewegungen richten sich gegen legale aber moralisch verwerfliche Praktiken: damals Diskriminierung nach Hautfarbe, heute Gefährdung der Zukunft durch unseren fossilen Lebensstil und dessen Emissionen. 4/
Letzteres ist legal aber moralisch längst verwerflich. Wir diskriminieren dabei den Globalen Süden, Junge & zukünftige Generationen. Irgendwann werden das die meisten als ein Verbrechen an der Menschheit erkennen. Noch nicht. 5/
kurier.at/politik/inland…
Bis dahin halten wir krampfhaft an unserem fossilen Status Quo fest und finden alles störend, was diesen in Frage stellt. So wie ein Feueralarm störend ist, wenn man gerade im Kino sitzt. Wir sitzen täglich im Kino fossiler Illusionen. 6/
Aktionsmix: Beide Bewegungen haben über viele Jahre alles ausgeschöpft: Klagen, Demonstrationen, ziviler Widerstand – bei Klima bis 2022 v.a. abseits des Alltags der Menschen (d.h. in Kohlegruben, bei Straßenbaustellen und Kraftwerken), dank @XRebellionAT uva. 7/
Ähnlich wie bei den Anfängen der Bürgerrechtsbewegung war all das zu wenig: Die Gesellschaft ist noch nicht zu jenen Verhaltensänderungen bereit, die für rasche Emissionsminderungen nötig sind. 8/
"Direct Action": Haben Bürgerrechtskämpfer „die Richtigen“, also „die Mächtigen“ gestört? Nein, Rosa Parks hat nicht vor oder im Kapitol die Regeln verletzt. Sie ist einfach im Bus sitzen geblieben – und hat damit viele PendlerInnen gestört. 9/
Der Bus fuhr nicht mehr weiter, bis die Polizei kam und sie mitgenommen hat. Andere machten es ihr nach – und es war lästig. Und natürlich wurde sie eingesperrt weil Gesetzesbruch. (Dank an @barbarablaha für dieses Detail). 10/
Hätte sie mehr bewirkt, wenn sie im Kapitol protestiert hätte? Nein, weil ziviler Widerstand dort am meisten wirkt, wo er unangenehm ist: mitten in jener Gesellschaft, die moralisch auf einem Irrweg ist. Und ja: wir sind moralisch längst auf einem Irrweg. 11/
Wie die Bürgerrechtskämpfer hat nun auch die Klimabewegung angefangen, den Alltag der Menschen zu stören, z.B. durch Straßenblockaden. Was wir bei Ersteren längst als legitim akzeptieren, sehen heute viele heute als störend, rücksichtslos, gefährlich 12/
Und jetzt kommts: bei der Bürgerrechtsbewegung war das genauso. GANZ GENAU SO. Sie war für eine rassistische Gesellschaft ungefähr so lästig, wie eine echte Klimabewegung es für eine Gesellschaft sein muss, die zu 70 und mehr Prozent von Fossilenergie abhängig ist. 13/
Akzeptanz: Bürgerrechtler waren lästig, störten den Alltag im Bus & Restaurant. Somit waren sie sehr unbeliebt & eine Mehrheit der Weißen war der Meinung, dass die Schwarzen damit der Sache schaden. Aus heutiger Sicht kaum zu glauben aber wahr. Und was für eine Parallele! 14/
Das blieb lange so, obwohl längst Erfolge sichtbar wurden. Es fällt eben nicht leicht, seine vorgefertigte Meinung zu ändern und zuzugeben, dass man das viele Jahre falsch eingeschätzt hat. Heute wissen wir: ohne zivilen Widerstand hätte die Rassentrennung länger gedauert. 15/
Reaktionen: Auf die Proteste der Klimabewegung reagieren Betroffene heute ähnlich wie weiße Amerikaner damals: ablehnend bis wütend. Was wir mit Abstand sehen können: sie lagen damals sehr falsch. Und heute ...? Photo: Fred Blackwell 16/
Protagonisten: Kann es sein, dass die Helden von heute "die Kriminellen" von gestern sind? Ja, genau so. King war damals gehasst & vom FBI verfolgt.
Kann es sein, dass die Kriminalisierten von heute die Helden von morgen sein werden? 17/
Ja, hoffentlich. Jedenfalls, wenn sie ein Umdenken bewirken können. Wenn das nicht gelingt, wird man sie für das Versagen der Gesellschaft mitverantwortlich machen. "Wir hätten ja ..., aber die haben so polarisiert und dem Klimaschutz geschadet..." 18/
Völliger Unsinn, aber was sagt & glaubt man nicht alles, um eigene Schuld zu minimieren und sie dafür anderen zu geben. Wenn das so kommen sollte, dann erinnert das daran, dass an der Flut im Ahrtal auch die Umweltschützer Schuld sind. Seht selbst. 19/
Kriminalisierung: Damals wurde nicht nur King sondern die gesamte Bewegung kriminalisiert. Und heute...? Gut ist, dass die Letzte Generation Sprecher- & Führungsrollen auf mehrere Personen verteilt. So ist es schwerer, sie empfindlich zu schwächen. 20/
affinitymagazine.us/2018/04/05/hal…
Polarisierung: Der Klimabewegung wird vorgeworfen, sie polarisiere die Gesellschaft. Ja, auch das hatten wir schon. Der arme KKK, der durch die aufmüpfigen Schwarzen provoziert wurde. Bitte nicht schon wieder Opfer-Täter-Umkehr. Danke. 21/
Als im Dez 21 Feuer im #Lobaubleibt Protestcamp in Wien gelegt wurde, meinte der Bürgermeister von Wien, der Vorfall sei „auf jeden Fall ein Zeichen, dass ein rechtsfreier Raum in einer Stadt nicht von Vorteil ist“. orf.at/stories/324210… 22/
Ein Rassist aus Alabama hätte das 1961 nach dem KKK-Brandanschlag auf einen Bus der "freedom riders" genau so sagen können. Gratulation zu dieser verbalen Entgleisung, für die sich der Bürgermeister bis heute nicht entschuldigt hat. 23/
Moral: Die Rassentrennung war nicht ohne moralische Revolution zu überwinden und bei der Klimakrise ist es ebenso. Wir können sie nicht mit Technik allein lösen, sondern wir brauchen Akzeptanz für Verhaltensänderungen, ob bei Mobilität oder Ernährung. 24/
Genau da setzt ziviler Widerstand an. Bei der Letzten Generation geht es nicht primär darum, ob sie das geforderte Tempolimit durchsetzen können. Es geht darum, über mediale Diskussionen einen gesellschaftlichen Lernprozess in Gang zu setzen. 25/
Dieser Diskurs ist die Voraussetzung für Tempolimits und viele andere Regulierungen. Ohne „Moralisieren“ keine angemessenen Lösungen. Ohne zivilen Widerstand kein angemessenes „Moralisieren“. 26/
Insofern hat die Bewegung genau das richtige Ziel gesetzt: eines, in dem es nicht um Technik, sondern um Moral und Verantwortung geht. Als Gesellschaft können wir jetzt beweisen, ob wir es ernst meinen, mit der Zukunft dieser Zivilisation. 27/
An der "Letzten Generation" stimmt nicht nur der Name (inspiriert von Obama, falls woanders ohne Quellenangabe gesehen). Es stimmen auch die Forderungen, die Protestformen & die Botschaften der Sprecherinnen. Kurzum: Danke für Euren Einsatz! 28/

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Dec 20
Der lange🧵in 1 Tweet: Das Narrativ "Ich teile die Ziele aber nicht die Methode des zivilen Widerstands. Wartet auf den geeigneten Zeitpunkt" ist damals wie heute eine große Hürde für Lösungen. M.L. King zum "damals" (v.a. 0:45sek). 1/ Danke @FlorianHenig africa.upenn.edu/Articles_Gen/L…
Ich übersetze King mal in die heutige Zeit: „Ich bin zu dem bedauerlichen Schluss gekommen, dass der größte Stolperstein für Klimagerechtigkeit nicht die Verleugner sondern die gemäßigten Klimaschützer sind, die sich mehr der Ordnung als der Gerechtigkeit verschrieben haben". 2/
Die sagen: "Ich stimme mit dir beim Ziel überein, aber ich lehne deine Methoden des zivilen Widerstands ab; die paternalistisch glauben, den Zeitplan für das Überleben anderer (v.a. junger Menschen) festlegen zu können; die einem raten, auf einen besseren Zeitpunkt zu warten“ 3/
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Dec 18
"Es mag sein, dass Naturkatastrophen mit dem Klimawandel zusammenhängen", und abgesehen davon sehen wir das zu negativ weil wir haben ja Hochkonjunktur. Es wäre besser, den Kollegen Lissmann nicht mehr zum Thema Klimakrise einzuladen. Das ist Wissenschaftsverleugnung. #imzentrum
Eine Bitte an @reiterec @ORFImZentrum: Wenn ihr einen Klimaschwurbler einladen müsst, setzt ihm wenigstens einen vernünftigen Wissenschafter gegenüber, der den ganzen Unsinn entkräften kann. So bleibt vieles unwidersprochen stehen, krasser als bei der alten "false balance" 😥
Habt ihr während Corona Bhakdi & Co eingeladen? Vermutlich ja. Habt ihr die für Wissenschaft allein reden lassen, ohne seriösen Wissenschafter gegenüber? Vermutlich nein (=flase balance). Die Steigerung der false balance ist gestern passiert, denn Aktivistin =/= Wissenschafterin.
Read 4 tweets
Dec 15
Es ist sehr bedauerlich, wenn Klimawissenschafter Linguistik und Sozialwissenschaft ignorieren, indem sie von Klimawandel, Erwärmung und den ihrer Ansicht nach kontraproduktiven Protesten der Klimabewegung reden. #latif bei #lanz
Er mahnt politische Kooperation ein und hat offenbar wenig Ahnung davon, wie Politik funktioniert. So werden wir nicht weiter kommen. #wirallesinddieletztegeneration
Es ist nicht OK, zuerst den jungen Menschen die Drastik der Lage zu vermitteln, an der sie zurecht verzweifeln und ihnen dann so in den Rücken zu fallen, wie Latif das tut (ab Min 12:25). Es ist auch nicht OK, dazu zu schweigen. Sie brauchen Unterstützung. zdf.de/show/markus-la…
Read 6 tweets
Dec 3
Seit 25 Jahren versuche ich, die größte Krise der Menschheit zu verstehen und zu einer Lösung durch Wissen beizutragen. In dieser Zeit hat sie sich von Klimawandel zu Klimanotstand radikalisiert. Wie hält man das aus & was hat das mit meinen Erkenntnissen gemacht? Langer 🧵 1/24
Sowohl Klimapolitik als auch meine berufliche Beschäftigung damit haben harmlos begonnen. In den 1990er Jahren dachte man noch, wir haben viel Zeit (bis 2100) den „Klimawandel“ einzudämmen und das werde langsam aber sicher gut gehen, so wie immer bisher... 2/
Ich habe mich 1996-97 aus Interesse fürs Thema entschieden - und weil mir klar war, dass uns das lange beschäftigen wird. Ich erwartete eine zyklische aber doch stetig zunehmende Dynamik, aber es kam anders. Die 1. Dynamik kam erst 2008, die 2. erst 2019, beide zu schwach... 3/
Read 26 tweets
Dec 2
Nur 1 v 93 emissionsmindernden Empfehlungen umsetzbar, das übertrifft sogar meine kritischen Erwartungen. Demokratiepol. Schaden: immens. Nutzen: nahe 0. Wer sagt den KimarätInnen, dass es das traurige Ende eines nie zu Ende gedachten Polit-Spiels ist? tvthek.orf.at/profile/Report…
Für mich am verwunderlichsten: Gewessler steht voll für die Blockade ihres Koalitionspartners ein, kritisiert sie nur ansatzweise in Ausnahmen. Message-Control geht offenbar vor allem anderen. Umgekehrt ist das z.B. bei Asyl in der Form schwer vorstellbar.
Das und viel mehr ist der Hauptgrund dafür, dass einige v.a. junge Menschen sich das nicht länger gefallen lassen und zivilen Widerstand ausüben. Auch wenn der Nutzen dieser Aktionen noch unklar ist: die Verzweiflung ob dieser Situation gibt ihnen voll und ganz recht.
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Nov 30
"All unsere Freiheiten & Rechte heute wurden durch zivilen Widerstand in der Vergangenheit erkämpft. Unser Überleben in Zukunft hängt von zivilem Widerstand heute ab. Somit ist das die wichtigste Tätigkeit auf Erden." @GeorgeMonbiot 🔥 via @XRebellionUK
Hätte ich vor 10 Jahren gedacht, dass wir die Klimakrise nicht anders lösen werden und ich diese Interpretation teile? Nein. In der derzeitigen Situation sehe ich tatsächlich keine Alternative zu zivilem Widerstand - außer Resignation. Dafür ist in 10 Jahren auch noch Zeit genug.
Wem das zu radikal ist: Bitte bedenken, dass ich mich mit dem Thema seit 25J beschäftige und erst jetzt an dem Punkt angekommen bin - aus einem einfachen Grund. Laut IPCC gilt: "Its now or never", dass Emissionen stark sinken. Tun sie aber nicht. Ergo: Aktion oder Resignation. Image
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