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Dec 29, 2022 21 tweets 5 min read Read on X
Jahresende - Zeit des #Überprüfungsantrag|s

Es läuft eine wichtige Frist.
Bis zum 31.12. um 23:59 eingehende Überprüfungsanträge wirken noch bis zum 1.1.2018 zurück.
Beim #Jobcenter/#Sozialamt gibt es dann noch Nachzahlungen bis 1.1.2021, 1min später nur noch bis 1.1.2022.

1/21
Wer also Leistungen bezieht (oder bezogen hat) und nicht alle seine Rechte kannte oder wem erst jetzt bewusst wird, dass sein Bescheid falsch war, der könnte jetzt seine letzte Chance auf eine Nachzahlung haben.

2/21
Wenn ein Überprüfungsantrag nach §44 SGB X gestellt wird, muss das Jobcenter seinen Verwaltungsakt noch einmal auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit überprüfen, genauso wie beim Widerspruch.

WICHTIG: Es zählt der Zeitpunkt des Antragseingangs beim Amt.

3/21
Überprüfunganträge können gegen Verwaltungsakte eingelegt werden.
Was das ist, lest ihr im Thread zum Widerspruch.
Er wird verwendet, wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist, auch wann das der Fall ist, lest ihr im Thread zum Widerspruch.


4/21
Der Überprüfungsantrag muss durch denjenigen eingelegt werden (oder seinen rechtlichen Vertreter/Bevollmächtigten) an den sich der Verwaltungsakt richtet. Bei einem Verwaltungsakt, der sich an alle in der BG richtet, reicht es, wenn ein Vertreter der BG diesen einlegt.

5/21
Ein Überprüfungsantrag muss mindestens folgendes enthalten:
1. Name und Anschrift
2. Datum des Bescheids gegen den der Widerspruch ist
3. Unterschrift
er sollte ergänzend enthalten:
4. BG-Nummer
5. Begründung (kann auch nachgereicht werden, wenn z.B. die Zeit knapp ist)

6/21
Die Begründung ist keine Pflicht, aber sinnvoll.
Das Jobcenter/Sozialamt prüft sonst ohne sich besondere Mühe zu geben, ob irgendein offensichtlicher Fehler gemacht wurde. Die Begründung erklärt genauer, warum man mit der Entscheidung nicht einverstanden ist.

7/21
Die Begründung kann auf folgendem basieren:
1. Eine falsche Rechtsanwendung
Es können Formalia nicht eingehalten worden sein (z.B. Frist abgelaufen) oder auch in der eigentlichen Rechtsanwendung falsch sein (z.B. Verstoß gegen die höchstrichterliche Rechtssprechung).

8/21
2. Einem falsch angenommenen Sachverhalt
Wenn die Behörde falsche Annahmen getroffen hat, die für die Entscheidung wichtig waren, muss sie anhand der korrekten Situation neu entscheiden.
Für den korrekte Sachverhalt können auch neue Fakten und Nachweise vorgelegt werden.

9/21
Ein Überprüfungantrag kann nach §44 Abs4 SGB X für bis zu 4 Jahre vor dem Jahr des EINGANGS des Überprüfungsantrags gestellt werden.
Beispiel:
Überprüfungsanträge sind bis 31.12.2022 noch bis 01/2018 möglich.
2022: Jahr des Überprüfungsantrags
2021-2018: die 4 Jahre.

10/21
Somit wären noch Nachzahlungen aus 01/18 möglich.

Leider gibt es in §40 Abs1 SGB II/§116a SGB XII eine Beschränkung von Nachzahlungen auf das Kalenderjahr vor Stellung des Überprüfungsantrags.
Aktuell ist beim Jobcenter/Sozialamt daher eine Nachzahlung bis 01/21 möglich.

11/21
Daher liest man online immer wieder eine Überprüfung wäre nur in dieser Frist möglich.
Diese Ansicht ist auch im #Jobcenter und #Sozialamt weit verbreitet.

Die Ansicht ist aber NICHT korrekt.

Es ist nur die Frist für Nachzahlungen verkürzt, nicht für die Überprüfung.

12/21
Das ist vor allem wichtig, weil man nicht mit jedem Überprüfungsantrag direkt eine Nachzahlung erreichen will.

Es besteht schließlich auch ein großes Interesse, einen falschen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid überprüfen zu lassen.

13/21
Durch die Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids, die in der "normalen" Frist von 4 Jahren möglich ist, kann
1. eine weitere Aufrechnung verhindert werden, aber
2. auch eine Auszahlung bereits aufgerechneter Beträge ereicht werden.

14/21
Da es sich nicht um eine Nachzahlung handelt, wären sogar 2018 aufgerechnete Beträge auszuzahlen.

Die Summen wurden bereits in eine Forderung gegen den Leistungsberechtigten ausgezahlt. Es ist daher keine Nachzahlung. Entfällt die Forderung, ist das Guthaben auszuzahlen.

15/21
Folglich machen Überprüfungsanträge bis Januar des Vorjahres Sinn, die Nachzahlungen von Leistungen bewirken sollen.

Und es machen Überprüfungsanträge gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide bis zum Januar 5 Jahre vor dem Überprüfungsantrag Sinn.

16/21
Beim Wohngeld sieht es etwas anders aus, dort gilt eine Frist für Nachzahlungen von 2 Jahren ab Rücknahme nach §31 Abs2 WoGG.

Beim Kinderzuschlag gibt es keine einschränkende Regelung, daher ist dort sogar noch eine Nachzahlung von 01/2018 denkbar.

17/21
Formulierungvorschlag Überprüfungsantrag:

Überprüfungsantrag
BG-Nr:

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich die Überprüfung des Bescheids vom xx.yy.zzzz nach §44 SGB X bezüglich ...

Begründung:
(je nach Fehler)

Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift

18/21
Hier nochmal ganz deutlich:
Es gilt NICHT, wann ihr den Antrag abschickt, sondern wann er im Amt eingeht.

Ich empfehle daher die Nutzung eine persönliche Abgabe mit Eingangsbestätigung oder ein Fax mit Sendenachweis (zB. kostenlos online mit fax.pdf24.org/de/).

19/21
Rechtsgrundlagen:
§44 SGB X - Grundlage des Überprüfungsantrags
§40 Abs1 Nr2 SGB II - Verkürzung der Nachzahlungsfrist Jobcenter
§116a SGB XII - Verkürzung der Nachzahlungsfrist Sozialamt

20/21
BSG vom 13. Februar 2014, B 4 AS 19/13 - Anwendung auf Aufhebungs- und Erstattungsbescheide und Auszahlung widerrechtlich aufgerechneter Leistungen

§31 WoGG - 2 Jahre Nachzahlung im Wohngeld

21/21

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Apr 24
Einmaleinkommen im SGB II

Seit dem 1.7.2023 gelten neue Regeln zum Einmaleinkommen.
1. Anrechnung im Zuflussmonat
2. Nur noch Nachzahlungen werden bei Bedarfsüberdeckungen auf 6 Monate aufgeteilt.

Dies führt zu einigen spannenden Veränderungen.

1/10 Image
Wird ein Einmaleinkommen bekannt, prüft das Jobcenter zunächst, ob diese im Zuflussmonat zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit führt.
Ist dies nicht der Fall, wird es einfach in diesem Monat angerechnet und das Jobcenter fordert entsprechend Leistungen zurück.

2/10
Beispiel:
Jan ist erwerbslos. Da seine Wohnung warm 600€ kostet, erhält er 1163€ vom Jobcenter. Er gewinnt im Gewinnspiel 1000€. Davon werden 970€ angerechnet. Diese führen nicht zur Überwindung des Hilfebedarfs und werden daher für den Zuflussmonat zurückgefordert.

3/10
Read 10 tweets
Apr 16
Ein Fehler im Verwaltungsakt?
- Der Widerspruch

Leistungsbezieher kennen das nur zu gut. Ein Bescheid kommt und die Entscheidung ist nicht wie erhofft...
etwas wurde nicht beachtet oder das Recht falsch angewendet.
Was bleibt?
Der Widerspruch gegen die Entscheidung!

1/22 Grafik zur Illustration des Threads. Rechts ein verzweifelt schreiender Mann, links von ihm eine Sprechblase: Nein! Nein! Neiiin! Der Bescheid ist falsch! Was nun??? Darunter eine Sprechblase aus dem "Off": Widerspruch einlegen...  Aber was ist das und wie geht das?; Bild von cookie_studio auf freepik
Ein Widerspruch zwingt die zuständige Behörde dazu, ihre Entscheidung, die als Verwaltungsakt ergangen ist, noch einmal auf ihre Recht- und Zweckmäßigkeit zu prüfen.
Nach der Prüfung kann das Ergebnis entweder heißen:
-War doch alles richtig
-Upps, falsch. Hier die Änderung

2/22
Widersprüche können nur gegen Verwaltungsakte eingelegt werden, aber nicht alles, was aus dem Amt kommt, ist ein Verwaltungsakt.
Einfach wäre: Alles was eine Widerspruchsbelehrung hat, ist ein Verwaltungsakt.
Aber darauf kann man sich nicht verlassen...

3/22
Read 24 tweets
Apr 11
Unklarheiten beim Amt, wer muss diese eigentlich klären?
- Amtsermittlungsprinzip

Leistungsberechtigte kennen es vom Jobcenter/Sozialamt:
Das Amt hat Fehler gemacht - Schuld ist der Leistungsempfänger.

Aber ohne Falschangaben oder Verschweigen liegt der Fehler beim Amt!

1/10 Grafik zur Illustration des Threads. Mann steht in fragender Haltung auf der linken Seite. In einer Sprechblase steht "Keine Ahnung". Überschrift: Das Amtsermittlungsprinzip. Wer muss Unklarheiten beim Amt klären? Der Leistungsberechtigte oder das Amt?
Die Ämter haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, alles Wichtige zu wissen, die Berechtigten über alles sozialrechtlich Relevante zu informieren und zügig zu arbeiten.

Hier spielen einige Verfahrensvorschriften zusammen, die aber auf den Ämtern (leider) selten gelebt werden:

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1. Nach §20 Abs1 SGB X sind Sozialbehörden wie das Jobcenter dafür zuständig, in jedem Fall alle wichtigen Sachverhalte zu ermitteln und zu untersuchen. Nur um dies dem Amt zu ermöglichen gibt es die Mitwirkungspflichten.

3/10
Read 10 tweets
Apr 10
Fake oder Beratungsfehler?

Eine junge alleinerziehende Mutter, die eine Ausbildung zur Pflegefachfrau absolviert, berichtet davon, dass sie aus finanziellen Gründen darüber nachdenkt, die Ausbildung abzubrechen und Bürgergeld zu beziehen.

Hier kommt der Realitätscheck

1/10 Image
Im Artikel aus "Der Westen" der auf einem der "Welt" basiert werden einige Zahlen genannt anhand von denen sich die Lebenssituation der jungen Frau vor der Ausbildung rekonstruieren lässt.


2/10 derwesten.de/politik/buerge…
Image
1. Anhand des genannten Kinder-Regelbedarfs von 357€ ist klar, dass die Tochter zwischen 0 und 5 Jahren alt ist.

2. Da das Tochter unter 7 Jahre alt ist, ist die Höhe des Regelbedarfs für Alleinerziehende klar. Nach §21 Abs3 SGB II sind es 36% des Regelbedarfs = 202€.

3/10
Read 11 tweets
Mar 26
Das Jobcenter gewährt 538€ Grundfreibetrag für Azubis unter 25 Jahren.
Warum nicht auch für Menschen ab 25 mit Anspruch auf eine Umschulung?

Diese Frage habe ich @hubertus_heil über Abgeordnetenwatch gestellt... und eine Antwort bekommen, die aus meiner Sicht keine ist.

1/10 Image
@hubertus_heil Wer Anspruch auf eine Umschulung hat, hat keinen oder einen veralteten Berufsabschluss.
Er sollte nach der Grundidee des Bürgergelds qualifiziert werden.

Herr Heil beantwortet meine Frage recht ausführlich.

Hier seine Antwort, die ich nachgehend analysieren werde.

2/10 Image
@hubertus_heil Die Antwort besteht aus 7 inhaltlichen Blöcken.

Sie beginnt wenig überraschend mit einer Begrüßung und einem formalen Dank (hellblau).
(nett, aber beantwortet nichts)

3/10 Image
Read 10 tweets
Mar 4
Möbel und Haushaltsgeräte
- ein Reizthema für Armutsbetroffene

Bei der Erstausstattung der Wohnung handelt es sich um eine Einmalzahlung, mit der das #Jobcenter/Sozialamt in bestimmten Fällen Möbel, Hausrat und Haushaltsgeräte bezahlt.

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Die Erstausstattung soll die erstmalige Beschaffung von Möbeln usw. ermöglichen.

Es gibt sie, wenn es einen besonderen Grund gibt, aus dem man Hausrat nicht hat.

Falsch ist:
1.Dass sie jedem 1x im Leben zusteht.
2.Dass man sie nur 1x bekommen kann.

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Gründe können beispielsweise sein:

- Wohnungsbrand
- Überschwemmung
- Ersteinzug nach Obdachlosigkeit/Frauenhaus
- Auszug bei den Eltern (über 25)
- Zusammenziehen mit Partner:in
- Trennung vom Partner:in
- Genehmigter Umzug
- Geburt
- Einschulung

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Read 14 tweets

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