#Neujahr vor 10 Jahren. Die Gala im russischen Staatssender Rossij moderiert Wolodymyr Selenskyj – begeistert beklatscht von Wladimir Solowjow.
Die beiden sind nicht die einzigen im Saal, die heute auf unterschiedlichen Seiten der Front stehen.
🧵 zu Krieg und Showbusiness
1/16
Als Komiker war Selenskyj enorm beliebt beim russischen Publikum. Fraglos hat er gut verdient an den Geldern, die der Kreml in die Unterhaltungsindustrie pumpt, um das Volk bei Laune zu halten. Später in der Sendung nimmt er seine Rolle als „Gastarbeiter“ auf die Schippe.
2/16
Zur Trennung kam es erst nach der Krim-Annexion 2014. Moskau warf Selenskyj vor, den Maidan und später die ukrainische Armee im Kampf gegen die vom Kreml gelenkten „Separatisten“ finanziell unterstützt zu haben.
Zwischen diesen Bildern liegen keine zehn Jahre.
3/16
Solowjow ermahnt in seiner Anmoderation die Gäste seiner politischen Talksendungen: Sie sollten sich im neuen Jahr daran erinnern, dass sie (als Abgeordnete) „Diener des Volkes“ seien, nicht dessen Herren. Und nicht nur an das eigene Wohl denken.
4/16
Dass Selenskyj drei Jahre später mit der Serie „Diener des Volkes“ die Grundlage für seine politische Karriere legen wird, ahnt da noch keiner.
5/16
Ebensowenig ist bekannt, was eine Recherche von Alexej Nawalny 2017 ans Licht bringt: Solowjow besitzt unter anderem eine Villa am Comer See.
Seit 2022 steht er als Kriegstreiber auf den Sanktionslisten der EU, der USA und weiterer Staaten. Die Villa wurde konfisziert.
6/16
Gemeinsam mit Selenskyj führt Maxim Galkin durch die Show. Der Comedian ist Traumschwiegersohn der Zuschauerinnen, die ihre besten Jahre in der Sowjetunion hatten. So wie Galkins Ehefrau, die Pop- und Schlagerkönigin Alla Pugatschowa. Sie ist 27 Jahre älter als er.
7/16
Galkins Spezialität waren harmlose Parodien stets im Rahmen dessen, was der Kreml als Kritik erlaubt.
Allerdings: Nach dem 24. Februar dieses Jahres hat Galkin als einer der ersten klar Stellung gegen den Krieg bezogen. Dafür wurde er zum „ausländischen Agenten“ gestempelt.
8/16
Er und Pugatschowa leben inzwischen in Israel. Galkin tourt durchs Baltikum, Israel, USA und wird dort von der Diaspora unter anderem für seine Parodien auf Propagandisten wie Solowjow gefeiert.
Hier habe ich mal was über das Paar geschrieben:
9/16 zeit.de/kultur/musik/2…
Die Gegenrichtung hat Oleg Gasmanow eingeschlagen. Der Schlagerstar gab Konzerte in Donezk und war als Top Act für Annexionsfeiern in Isjum und Cherson angekündigt. Beide Städte wurden allerdings vorher befreit. Gasmanow steht auf der Sanktionsliste der EU.
10/16
Weiter im Programm: Ani Lorak, verdiente Künstlerin und Volkskünstlerin der Ukraine, geboren im Gebiet Tscherniwzi in der Westukraine. Lorak schweigt bis heute zum Krieg und gibt weiter Konzerte in Russland. Kyjiw hat sie deshalb auf eine Sanktionsliste gesetzt.
11/16
Gaga-Pop vom Feinsten: Oleksii Potapenko und Nastia Kamenskykh als Duo „Potap i Nastia“.
Nach dem 24.2. hat Potapenko die Russen aufgerufen, sich gegen den Krieg zu positionieren. Beide sammeln heute Spenden für ukrainische Hilfsorganisationen und für die Armee.
12/16
Der Sänger und Showmaster Nikolaj Baskow trägt die Ehrentitel „Volkskünstler der Russischen Föderation“ und „Volkskünstler der Ukraine“. Voll auf Linie des Kremls, auf der US-Sanktionsliste (ebenso wie sein enger Freund Filip Kirkorow, der Ex-Mann von Pugatschowa)
13/16
Konnte man 2012/13 noch im russischen Staatsfernsehen auftreten, ohne sich zum Komplizen des Regimes zu machen? Das Jahr war geprägt von gefälschten Wahlen und dem Ämtertausch Medwedew-Putin, Massendemonstrationen, -Festnahmen und Prozessen gegen Oppositionelle.
14/16
Es gab aber auch positive Entwicklungen: Wiederum die Proteste. Oder die Gründung und der Erfolg des liberalen Fernsehsenders Doschd, der ein Gegengewicht zur staatlichen Propaganda sein sollte.
15/16
Die komplette Gala vom Neujahrstag 2013 gibt es hier zu sehen (etwa 1 Stunde):
16 und Ende 🧵
Zum Vergleich die Party dieses Jahr 🥳
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
Weil es gerade wieder in der @tagesschau hieß, in Berlin hätten Einsätze der Feuerwehr von „Hundertschaften der Polizei geschützt“ werden müssen, kurzer #Servicetweet, warum der Begriff in Nachrichten oft ein völlig falsches Bild erzeugt:👇
Streifenpolizisten sind idR zu zweit unterwegs und einer Polizeiinspektion unterstellt.
Anders die #Hundertschaft. Sie ist eine geschlossene Einheit von etwa 100 Beamt:innen unterteilt in Züge von etwa 20-30. Die Züge sind wiederum unterteilt in Gruppen von etwa 10.
Oft werden die Gruppen auch noch halbiert in Halbgruppen. So eine Halbgruppe passt dann zB in ein Einsatzfahrzeug (vulgo „Wanne“).
Der/die Einsatzleiter:in fordert je nach Lage Unterstützung an: eine Halbgruppe, Gruppe, vielleicht einen Zug.
Am 21. September versammeln sich in Grosny ein paar Dutzend Frauen, um gegen die Mobilmachung zu protestieren. Es ist die erste Demonstration in Tschetschenien seit Jahren, die sich gegen das Regime richtete. 2/7
Die Frauen werden umgehend von Kadyrows Schergen eingekreist und abgeführt. Anschließen werden ihre Männer abgeholt. Im Rathaus von Grosny werden sie gezwungen, ihre Frauen zu schlagen. Unter der Androhung, wenn sie sich weigerten, würden Kadyrows Schläger das übernehmen 3/7
Nur sehr wenige machen sich klar, was los war in den Gebieten wo heute Polen, Ukraine und Belarus aneinander grenzen. Gebiete, die bis 1917/18 zum Russischen Imperium oder zum Habsburgerreich gehört hatten, wechselten innerhalb von zwei Jahrzehnten die staatliche Zugehörigkeit.
Begleitet von Bürgerkrieg und 2 Weltkriegen. Polen, Ukrainer, Belarussen, Russen, Juden ua. lebten hier in unterschiedlichen Konstellationen zusammen. Je nach individuellem Hintergrund setzten sie ihre Hoffnungen auf die polnische Nation, eine ukrainische Nation, die Sowjetunion.
Ein Kuriosum zu Madeleine #Albright, das ganz schön illustriert, wie die Männer in Putins engstem Umfeld denken:
2015 behauptete Nikolaj Patruschew, der Vorsitzende des Sicherheitsrates, die USA „wünschten sich sehr, dass Russland aufhöre, als Staat zu existieren“.
Kronzeugin:
Albright habe gesagt, dass Russland „weder der ferne Osten des Landes noch Sibirien gehört“. Doch Das Zitat ist erfunden, Albright selbst hat es mehrfach dementiert.
Es war Mitte der Nullerjahre in dubiosen Foren aufgetaucht und hatte es von dort in die Staatsmedien geschafft.
2006 dann behauptete ein angeblicher General-Major des präsidialen Sicherheitsdienstes FSO, seine Spezialabteilung befasse sich mit Gedankenlesen. In einer Séance habe man „das Unterbewusstsein von Albright angezapft“ und darin „pathologischen Hass auf Slawen“ festgestellt.
Wer sich selbst ein Bild davon machen will, was Alexej #Nawalny so außergewöhnlich macht und warum er den Kreml stört: Einige seiner Videos über Korruption in der Machtelite gibt es mit englischen Untertiteln. Sie sind akribisch recherchiert und zugleich unterhaltsam. (Thread)
"Paläste, Yachten, Weingüter - das geheime Imperium von Dmitrij Medwedew" (damals noch Premier). Mit 36 Millionen Aufrufen das am meisten geklickte Video auf #Nawalny/s Kanal
Tschaika - über die Verbindungen des russischen Generalstaatsanwalts und seiner Familie zu einer mordenden Mafiabande #Nawalnyj
Diese gut gemeinte Zuschrift fasst in wenigen Sätzen das Wirrwar zusammen, das in deutschen Köpfen zum Krieg im Osten besteht. Und zur Verantwortung, die daraus erwächst. Als Zugabe noch ein verbreiteter Irrtum über Russland als "letztes Bollwerk christlicher Kultur" (Thread).
Hitler und deutsche Wehrmacht haben am 22. Juni 1941 nicht "Russland" überfallen, sondern die Sowjetunion. Viele Gebiete, die damals - freiwillig oder unfreiwillig - Teil der SU waren, wurden zwischen 1990 und 1991 (wieder) eigenständige Staaten.
In Europa gehören dazu neben den baltischen Staaten auch die Ukraine und Weißrussland (Belarus).