#Lützerath ist kaum geräumt, die Verletzungen der Polizeigewalt lange nicht verheilt, da laufen die Versuche, die Grünen zu entschuldigen/ ihre Verantwortung zu relativieren, schon auf Hochtouren. Hier eine kritische Einordnung.
Thread. [1]
#LuetziBleibt
#LuetzerathUnraeumbar
Argument: „Der Bundestag hat über den vorgezogenen Kohleausstieg, nicht über Lützerath abgestimmt“ [2]
Zur Verteidigung der Grünen wird behauptet, es hätte nur der Kohleausstieg, nicht aber Lützerath zur Abstimmung gestanden, womit ein Ja bei der Abstimmung gerechtfertigt werden soll. [3]
Ein Blick ins Gesetz. Im Gesetz zur „Beschleunigung des Braunkohleausstiegs im Rheinischen Revier“ wird in Artikel 1, Nr. 6, die energiepolitische und energiewirtschaftliche Notwendigkeit der Erweiterung von Garzweiler 2 festgestellt und fünf zu rettende Dörfer benannt. [4]
Man hat also in der Tat nicht darüber abgestimmt Lützerath abzubaggern. Man hat a) die Erweiterung von Garzweiler 2, auch auf das Gebiet Lützeraths, bestätigt und b) 5 Dörfer aus der Erweiterung rausgenommen. Faktisch kommt das auf das Gleiche. Alles andere ist Wortklauberei. [5]
Es ist richtig, dass ein Nein Lützerath nicht gerettet hätte. Das hätte nur die Erwähnung Lützeraths in der Liste der Dörfer oder ein Erweiterungsstop für Garzweiler 2 im Gesetz. Darauf hat die Bundesregierung verzichtet. [6]
Argument: „Ohne den Deal wäre der Kohleausstieg nicht vorgezogen worden“ [7]
Mit dem abgestimmten Gesetz wurde der Kohleausstieg im rheinischen Revier auf das Jahr 2030 vorgezogen, das ist korrekt. Dafür bedarf es allerdings nicht eines Deals mit RWE, sondern eines Gesetzes. [8]
Die Bundesregierung hätte das Ausstiegsdatum 2030 natürlich auch ohne Einverständnis von RWE auf 2030 festsetzen können. [9]
Auch hätte sie den Namen „Lützerath“ der Liste der zu rettenden Dörfer in Artikel 1 Nummer 6. a) im Gesetz hinzufügen können. [10]
Außerdem verkündete Habeck vor dem Deal, dass sich die Verstromung von Kohlekraft nach 2030 aufgrund des Zertifikatehandels ökonomisch nicht mehr rechnen würde. [11]
Der große Verhandlungserfolg, dessen Preis Lützerath war, ist also entweder nur die juristische Fixierung dessen, was ohnehin gekommen wäre, oder Habeck glaubt seinen eigenen Aussagen nicht. [12]
Argument: „Die Grünen müssen die Fehler der anderen Parteien ausbaden.“ [13]
Es ist richtig, dass die Grünen weder im Bund noch in NRW alleine regieren. Es ist genauso falsch, wenn die Grünen so tun, als wären sie nur Opfer ihrer Vorgängerregierungen. [14]
Denn, was die Grünen ungerne erzählen: Schon am Anfang vom Ende von Lützerath haben die Grünen einen Anteil. [15]
Als außerparlamentarische Opposition unterstützte die Partei in den 1980er-Jahren den Widerstand gegen die Erweiterung des Tagebaus Garzweiler um Garzweiler II. Nach ihrem erstmaligen Einzug in den Landtag NRWs war der Widerstand gegen den Tagebau eines ihrer Herzensthemen. [16]
Kurz vor der Landtagswahl 1995 versprach der künftige stellvertretende Ministerpräsident Michael Vesper: „Wir werden im nächsten Landtag, in welcher Rolle auch immer, wie schon in diesem Landtag, alles tun, um Garzweiler II zu verhindern.". [17]
Nach der Wahl trat man in eine Rot-Grüne-Koalition ein. Die Erweiterung von Garzweiler 2 konnten sie jedoch nicht verhindern. Es kam zu einem Sonderparteitag, der über einen Koalitionsbruch abstimmte. 60% entschieden sich für einen Verbleib in der Koalition. [18]
In der zweiten Rot-Grünen Koalition von 2014 versuchten die Grünen diese Schmach zu heilen und es kam zum Garzweiler-Kompromiss, dessen Preis die Rodung des Hambacher Forst war. [19]
Fazit:
Richtig ist sicherlich, dass die Schuld an der Causa Lützerath nicht alleine die Grünen tragen, sondern alle, an den Entscheidungen beteiligten Parteien. [20]
Innerhalb der Koalitionen versuchten sich die Grünen gegen ihre Kohle-Koalitionäre durchzusetzen, scheiterten dabei jedoch regelmäßig und gingen bereits lange vor der Räumung Lützeraths Kompromisse ein, die zum bekannten Ergebnis führen. [21]
Die Schuldabwehr und Opferinszenierung der Grünen, gepaart mit dem Drang jeden mittelmäßigen Regierungsdeal als so großen Erfolg zu verkaufen, sind jedoch nur schwer zu ertragen. Ein „Sorry, das ist Scheiße, aber mehr war nicht drin“, wäre wenigstens ehrlich gewesen. [22]
Ich wurde kritisiert, weil ich die Grünen mehr kritisierte als SPD und Co. Das tat ich, weil ich die selbsternannte Klimaschutzpartei mit anderen Maßstäben gemessen habe als die Kohlekoalitionäre von CDU, FDP und SPD. [23]

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