Kommen wir heute nun zu den vielleicht am stärksten polarisierenden Fällen der #Umgangsverweigerung, in welchen der überwiegend betreuende Elternteil durch eine passive oder aktive #Instrumentalisierung dafür sorgt, dass das Kind den #Umgang mit dem anderen Elternteil ablehnt.
Die - meist subjektiv-moralisch bedingte - Parteilichkeit des Kindes hat in solchen Fällen ihren Ursprung häufig wenn nicht sogar meistens in der Übernahme der Sichtweise des überwiegend betreuenden Elternteils durch das Kind.
Das Verhalten dieses Elternteils, der meist gleichzeitig die Hauptbezugsperson des Kindes ist, führt in dieser Fallgruppe dazu, dass das Kind den anderen Elternteil und den Umgang mit diesem ablehnt, weil es das ihm präsentierte Zerrbild sinngemäß übernimmt.
Ohne dass dies von Seiten des anderen Elternteils in irgendeiner Form verursacht oder gar verschuldet sein muss, spiegelt das Kind sozusagen den ihm vorgelegten oder gar aufgezwängten Blickwinkel der Hauptbezugsperson.
Aus Sicht des Kindes resultiert die Ablehnung des anderen Elternteils tatsächlich aus der „eigenen“ Abneigung gegenüber diesem, was für diesen - verständlicherweise - oftmals als besonders verletzend empfunden wird.
Ohne auch an dieser Stelle auf die Gründe für das jeweilige Verhalten des überwiegend betreuenden und instrumentalisierenden Elternteils einzugehen, stellt sich aus Helfersicht (Jugendamt, ggf. Familienhilfe, Mediatoren, Gericht) die Frage, wie eine Hilfe aussehen kann.
Hierbei muss berücksichtigt werden, dass das Kind einen ablehnenden Willen besitzt, der ggf. nicht seinem besten Wohl entspricht, aber dennoch und schon deshalb Berücksichtigung finden muss,
weil das Vorgehen gegen den Willen des moralisch denkenden Kindes für sich genommen eine stark negative Auswirkung auf das aktuelle und künftige Kindeswohl haben kann.
Beim Vorgehen des Helfersystems muss nun zwischen der passiven, unbewussten Instrumentalisierung auf der einen und der aktiven, bewussten Instrumentalisierung auf der anderen Seite unterschieden werden.
Während die 1. Gruppe zunächst im Hinblick auf die etwaig möglichen, dramatischen Auswirkungen des Verlustes eines Elternteils auf die kindliche Entwicklung aufgeklärt und beim eigenen Verhalten angeleitet werden muss,
bedarf es bei der 2. Gruppe neben der Aufklärung und Anleitung ebenfalls einer Sanktionierung des entfremdenden und ggf. schädlichen Verhaltens.

Die Aufklärung über die Instrumentalisierung sowie ihre teils erheblichen Auswirkungen sollte hier bei beiden Elternteilen erfolgen.
Es muss beiden aufgezeigt werden, welche Auswirkungen auch die Moralentwicklung bei Kindern darstellt und wie sich der Kindeswille herausformt und auf die weitere Persönlichkeitsentwicklung auswirkt.
Beiden Elternteilen sollen die – vor allem kindesbezogenen – Folgen der Umgangsverweigerung dargestellt werden:
Hierbei muss besonders klar herausgestellt werden, dass die Umgangsverweigerung im späteren Verlauf oftmals eine negative Beziehung zu BEIDEN Elternteilen herbeiführt.
Der passiv beeinflussende Elternteil bedarf nach der erfolgten Aufklärung einer Anleitung bezüglich des eigenen Verhaltens mit dem Ziel, die künftig positive Persönlichkeitsentwicklung des Kindes sicherzustellen.

Der "Aktive" hingegen „bedarf“ ggf. regelmäßiger Sanktionen:
Sind die Beeinflussungen feststellbar, die einer Umgangsregelung (dazu sogleich) zuwiderlaufen, sollte hier regelmäßig zu Ordnungsmitteln gegriffen werden, soweit dies im Einzelfall nicht für sich genommen (z.B. aufgrund des Alters des Kindes) dem Kindeswohl widerspricht.
Gleichzeitig oder – je nach Situation – auch parallel zur Aufklärung und Anleitung kann und sollte dafür gesorgt werden, dass dem Kind eine Realitätskontrolle seiner inneren Willensbildung ermöglicht wird:
Dazu bedarf es regelmäßiger, wenngleich bei weitem nicht hochfrequenter, sondern eher seltener, begleiteter Kontakte zum anderen Elternteil.
So kann das Kind seine (falsche) Vorstellung vom anderen Elternteil immer wieder mit der Realität abgleichen und perspektivisch ggf. für sich selbst eine Änderung des inneren Bildes herbeiführen.
Solche Kontakte können und - je nach Alter des Kindes - sollen auch pädagogisch begleitete Vermittlungsgespräche enthalten, die jedoch keinesfalls dazu dienen sollen, dass der andere Elternteil Vorwürfe gegenüber dem Kind vorbringt.
Es geht hier auch nicht um Rechtfertigungen.
Vielmehr sollen sie dazu beitragen, dass das Kind den aufgebauten inneren Druck ablassen kann.
Hier müssen die jeweiligen Elternteile ggf. einiges auch an ungerechtfertigten Vorwürfen ertragen und akzeptieren, ohne zum Gegenschlag auszuholen.
Dazu muss der andere Elternteil vorher über den Kindeswillen aufgeklärt und dazu angeleitet werden, diesen und – neben etwaigen Vorwürfen seitens des Kindes - auch die aktuell fehlenden Umgänge oder die langen Zeiten zwischen den Kontakten zumindest vordergründig zu akzeptieren.
Je nach Konstellation ist es nicht nur im Sinne des Kindeswohls, sondern auch des anderen Elternteils und seiner künftigen Kontakte, wenn sich dieser Elternteil immer weiter zurückzieht.
Sowohl innerlich als auch aus etwaigen gerichtlichen Verfahren.
Der dadurch abnehmende Druck auf das Kind (sowohl von außen als auch zuhause) sowie ein paralleles Abwarten des anderen Elternteils, ohne das Kind aufzugeben und ggf. verbunden mit regelmäßigen unaufdringlichen Kontaktaufnahmen (Brief/Postkarte),
sind neben Aufklärung, Anleitung und den oben erwähnten Begegnungen der beste Weg für die künftigen Kontakte.

Leider sind - auch wenn man all diese Schritte einhält - die Erfolgsaussichten in dieser Fallgruppe vergleichsweise gering.
Denn sie setzen einerseits enorm viel Veränderungsbereitschaft auf Seiten der meist nicht zugänglichen, beeinflussenden Elternteile und andererseits enorm viel Geduld, Akzeptanz und Verzicht auf Seiten der anderen Elternteile voraus.
Ganz zu schweigen von (Unter-)Fällen, in jenen sich auch das Kind auch nach Einstellung der Instrumentalisierung weigert, das durch Instrumentalisierung entstandene Zerrbild des anderen Elternteils aufzugeben.
Nicht zu vergessen sind auch die enormen Ressourcen auf Seiten des personell meist unterbesetzten Helfersystems sowie überhaupt die Notwendigkeit, dass das Helfersystem den Fall der Instrumentalisierung als solchen aufgrund feststehender Tatsachen zu erkennen vermag.
Denn bereits für dieses Erkennen müssen häufig komplexe Gutachten eingeholt werden, die auch ihrerseits wiederum aufgrund der Komplexität der Materie und der Nachweisbarkeit durchaus fehleranfällig sind.
All dies heißt nicht, dass man diese Kinder und Eltern aufgeben sollte.

Es soll lediglich die Komplexität der Fälle aufzeigen sowie die Frage beantworten, warum die Helfersysteme in dieser Kategorie oftmals scheitern.
So, das sollte für heute reichen.

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit.

Fragen beantworte ich gerne, soweit Twitter dies zulässt :/
@UnrollHelper unroll please
Und passend dazu ein "Bericht" aus dem @tazgezwitscher mit perfekter Veranschaulichung, wie man ohne Kenntnis der Fallumstände und des zu Grunde liegenden Familienrechts ausgehend von unzureichenden Ermittlungen einen reißerischen Artikel verfasst 🤦‍♂️

taz.de/Sorgerechtsstr…

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Feb 1
Lasst uns heute die 2. Kategorie der #Umgangsverweigerung etwas näher beleuchten.

Wie bereits angesprochen, handelt es sich hierbei um Fälle in welchen das Kind seine #Verweigerungshaltung deshalb aufbaut, weil es seitens des Elternteils, dem es sich verweigert, gekränkt FÜHLT.
Hierbei muss keine tatsächliche Kränkung vorliegen!

Entscheidend ist lediglich die Sicht des Kindes, aus welcher die Handlung bzw. Äußerung bzw. eine angebliche Handlung oder Äußerung als kränkend eingestuft wird.
Woraus resultieren die in diese Kategorie fallen den Kränkungen?
Woraus resultieren die in diese Kategorie fallenden Kränkungen?

Auch hier sind die Ursachen vielfältig:
Eine besonders große Rolle spielen hierbei die häufig vorkommenden "neuen Beziehungen" der jeweiligen Elternteile.
Read 26 tweets
Feb 1
@BiancaGegen @UnrollHelper Nun, Dritte, die ihre Interessen haben und ggf durchsetzen, gibt's oftmals. Häufig sind auch Großeltern treibende Kräfte, meist jedoch anders ausgerichtet als hier.
Wichtig ist, dass man den Elternteile seitens des JA bzw in der Beratung klar macht, dass hier eine klare
@BiancaGegen @UnrollHelper Abgrenzung zu erfolgen hat und dass sich dieser Elternteil ggf unter Einbeziehung des Dritten klar machen muss, dass dies die Umgänge und damit das Kindeswohl ggf beeinträchtigen könnte. Eine Allzweckwaffe gegen Einmischungen gibt's aber auch hier nicht. Wenn sich der/die Dritte
@BiancaGegen @UnrollHelper weigert mitzuspielen bzw weiter alles torpediert (und dies nachweisbar ist), kann allerdings auch eine familiengerichtliche Regelung unter explizitem Ausschluss des Dritten nützen.
Die Gefahr hierbei ist jedoch, dass der Konflikt dadurch auf eine höhere Ebene gehoben werden
Read 4 tweets
Jan 31
Streit um #Umgang bzw. Kinderbetreuungszeiten nach Trennung ist ein ebenso komplexes wie emotional schwieriges Thema, das vor allem hier zu wilden Diskussionen führt.

Gerade bei der komplexesten Fallgestaltung, der #Umgangsverweigerung, wird oft leider zu emotional argumentiert.
Wenngleich dies aus Gründen der persönlichen Betroffenheit nachvollziehbar sein mag, führt das Ausblenden der Erkenntnisse der Kindesentwicklungs- und Verhaltenspsychologie oftmals, wenn nicht gar meistens, zu falschen, ja gar umgekehrten Ergebnissen für die Umgangsberechtigten.
Die Vorbereitung dieses Threads dauerte sehr lange und ich muss direkt vorweg sagen, dass es insgesamt 3 Threads sein werden, denn die Konstellationen der #Umgangsverweigerung sind vielfältig und lassen sich grob in 3 Kategorien einordnen, die ich für Euch gern aufarbeiten will.
Read 22 tweets
Jan 24
"Mein Urlaub ist doch mein gutes Recht?!"
Tja nun - kommt drauf an.

Warum?
Nun ja, es gibt da einige Gründe, warum der #Urlaub Andere betriffen kann.
Als Arbeitnehmer weiß man das. Einfach weg? Geht nicht.

Auch Elternteile müssen Einschränkungen hinnehmen.

Folgt mir mal kurz:
Den Ausgangspunkt für die Frage, wann getrennt lebende, gemeinsam sorgeberechtigte Eltern MIT ihren Kindern in Urlaub fahren dürfen, bildet der Grundsatz der alleinverantwortlichen Kindesbetreuung, der sich gesetzlich verankert in § 1687 Abs. 1 S. 1 bis 4 BGB findet.
Was meint der Gesetzgeber damit?
Nun, danach sollen getrennt lebende Eltern in den (fürs Kind) wesentlichen Angelegenheiten im gegenseitigen Einvernehmen (gemeinsam) entscheiden.
In alltäglichen Angelegenheiten entscheidet hingegen grundsätzlich der aktuell betreuende Elternteil.
Read 14 tweets
Jan 23
Es ist manchmal unheimlich schwer, beim Lesen der Jugendamtberichte von Vätern/Müttern, die ihre Kinder scheinbar grundlos auf- und weggeben, nicht in Wut und Verständnislosigkeit zu verfallen, sondern ernsthaft nach dem "Warum" zu forschen und sich in deren Lage zu versetzen.
Schafft man es aber, diese anfängliche Ungläubigigkeit über das "absolut nicht nachvollziehbare" Elternverhalten abzuschütteln, stellt man allzu häufig fest, dass man in solcherlei Situationen selbst wohl kaum in der Lage gewesen wäre, anders bzw. besser zu handeln.
Und oftmals, wenngleich sicher selten, stellt man zudem fest, wie richtig und wichtig diese - gerade für jene Eltern sicherlich sehr schwere - Entscheidung am Ende des Tages fürs Leben des Kindes sein könnte.
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Jan 19
Wie funktionieren eigentlich jene Verfahren, die die #elterlicheSorge oder den #Umgang betreffen?

Was sollte man/frau beachten, wenn man/frau sich nicht selbst ins Bein schießen möchte?

Folgt mir hier lang für ein paar (sehr allgemeine, aber wichtige) Tipps ⤵️

1/x
Zunächst einmal (und dieser Tipp richtet sich ausgehend von meiner bisherigen Erfahrung vorwiegend an Väter) sollten die Beteiligten folgenden Punkt beachten:

Ob nun Umgang oder elterliche Sorge – der Ausgangspunkt für die gerichtliche Entscheidung bleibt stets das Kindeswohl.
§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB bestimmt dies explizit für die Entscheidungen zur Übertragung der elterlichen Sorge, während die Rechtsprechung zum § 1684 BGB eine entsprechende, am Kindeswohl orientierte Prüfung verlangt.
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