Nochmal zur Erinnerung:
Ich schildere den wesentlichen Verfahrensablauf inklusive der relevanten Aussagen und ggf. Gutachtenergebnisse und Ihr werdet um eure Einschätzung zur bestmöglichen Lösung gebeten, bevor ich Euch mitteile, wie der Fall in der Praxis tatsächlich ausging.
Dieser Fall, der tatsächlich keine allzu lange Zeit zurückliegt, landete zunächst als vorgeblich unauffällige Urlaubsstreitigkeit auf meinem Tisch.
Nicht besonders auf den ersten Blick.
Klarer Antrag mit kurzer Begründung:
Die Mutter wollte mit den 3 gemeinschaftlichen Kindern (allesamt Jungs im Alter von 12, 7 bzw. 2 Jahren) einen Urlaub in ihrer alten Heimat außerhalb der Europäischen Union und in der Nähe eines Kriegsgebietes machen.
Der Vater wollte nicht zustimmen.
Doch im weiterem Verlauf wurde es spannender:
Bereits im Rahmen der diesbezüglichen Anhörung stellte sich heraus, dass sich die Kommunikation der Eltern ausschließlich auf gegenseitige Beleidigungen, Gewaltvorwürfe und Beeinflussungsvorwürfe beschränkte.
Da Urlaubsreisen wie jene, die hier beantragt wurde, in der Vergangenheit von beiden Eltern gemeinsam mit Kindern unternommen wurden und sich seitdem lediglich die Trennung der Eltern ereignete, ohne dass die Reisen gefährlicher geworden wären, entschied ich zugunsten der Mutter.
Gleichzeitig wies ich die Eltern auf die aus meiner Sicht erforderliche Beratung hin, die künftige Streitigkeiten verhindern sollte.
Eine diesbezügliche Verpflichtungserklärung gaben die Eltern natürlich nicht ab, weil der jeweils andere Elternteil ja „beratungsresistent“ sei.
Es kam dann, wie es kommen musste:
Der nächste Antrag, diesmal des Vaters, landete bereits etwa 1 Monat später auf meinem Tisch.
Das Ziel des Antrages: Der Vater wollte die alleinige elterliche Sorge inklusive eines Umzuges der Kinder zu ihm.
Er trug vor, dass die Mutter völlig erziehungsungeeignet sei.
Sie sei bindungsintolerant, würde Kinder gegen den Vater beeinflussen und sei zudem nicht in der Lage, die Kinder ordnungsgemäß zu versorgen, zu erzielen und zu fördern.
Die Mutter trat dem Antrag entgegen und gab im Wesentlichen genau dasselbe bezüglich des Vaters an.
Sie beantragte ihrerseits die alleinige elterliche Sorge.
Im Anhörungstermin waren die Eltern auf dem Niveau zweier Äffchen, die sich gegenseitig mit ihren Exkrementen bewerfen.
Auch mithilfe ihrer Anwälte vermochten die Eltern nicht zu erklären, woran es bei dem jeweils anderen Elternteil fehlen sollte.
Die Eltern zeigten bloß ihren Hass, wobei die Mutter den Hass mit Gewalt des Vaters erklärte, während der Vater der Mutter ebenfalls Gewalt vorwarf.
Die beiden älteren Jungs, die schon gut sprechen konnten, gaben – deutlich genervt vom ganzen Verfahren – an, dass sich die Eltern bereits so lange streiten, solange sie sich erinnern können.
Bereits während des Zusammenlebens schrien sich die Eltern gegenseitig an.
Die Kinder bestätigten sowohl die Schläge seitens des Vaters als auch seitens der Mutter.
Beide sollen zwar nicht die Kinder selbst, aber sich gegenseitig und teils erheblich (mit Küchenutensilien etc.) geschlagen und auch getreten haben.
Die Jungs äußerten, dass sie froh um die Trennung seien. Da sich die Mutter auch vor der Trennung durchgehend allein um sie gekümmert habe und sie etwas Angst vor dem (körperlich sehr beeindruckenden) Vater hätten, würden sie gerne bei ihrer Mutter bleiben.
Während der Ältere den Umgang dem Vater in Eigenregie klären wollte, hat der 7-Jährige erklärt, keine Umgänge zu wünschen. Papa habe mit ihm bereits früher nichts unternommen und er wolle dem Vater auch nicht permanent zuhören, wie er während der Umgänge über die Mutter schimpfe.
Er wolle sich den ganzen Stress nicht mehr antun. Wenn sein Vater ihn sehen wolle, dann könne man das gerne irgendwo beim Jugendamt oder bei den Großeltern machen, damit sich der Papa benehmen müsse. Ansonsten soll er ihm "WhatsApp schicken oder so".
Das Jugendamt und der Verfahrensbeistand haben nach mehrfachen Besuchen und Gesprächen in bzw. mit der Familie mitgeteilt, dass erhebliche Bedenken an der Erziehungsfähigkeit beider Eltern bestünden.
Sobald die Rede auf den jeweils anderen Elternteil komme (was die Eltern
meist selbst verursachen), können sich Beide nicht bremsen und ziehen über den jeweils anderen Elternteil her.
Während die Mutter dieses Problem eingesehen und sich sowohl fürs Elterntraining als auch für eine Familienhilfe entschieden habe, lehne der Vater jegliche Hilfen ab.
Aufgrund der geistigen Einschränkung der Mutter haben sie sodann eine Begutachtung empfohlen.
Der Sachverständige hat feststellen können, dass beide Elternteilen absolut bindungsintolerant sind, da sie den jeweils anderen Elternteil im Leben der Kinder nicht akzeptieren können.
Er hat auch festgestellt, dass die Mutter zwar grundsätzlich zur Versorgung der Kinder in der Lage sei, es ihr aber fast völlig an der Fähigkeit fehle, die Kinder zu fördern und zu lenken. Ob diese Fähigkeiten verbessert werden könnten, sei fraglich.
Der Vater hingegen habe ein strukturiertes Lenkungsverhalten, sei jedoch impulsiv und auch in der Erziehung teilweise unberechenbar. Auch er könne die Kinder hinsichtlich der Grundbedürfnisse versorgen.
Er sei einfühlsamer als die Mutter, könne jedoch nicht immer adäquat auf die kindlichen Bedürfnisse reagieren.
Die Bindung der Kinder zu ihm sei eher unsicher-ambivalent.
Aufgrund der Ablehnung jeglicher Hilfen sei auch bei ihm eine Verbesserung von dessen Fähigkeiten fraglich.
Der Sachverständige gab von sich aus keine Empfehlung hinsichtlich des Kindeswohls ab.
Er riet zu einer intensiven Elternberatung, dem Einsatz von Familienhilfe in beiden Haushalten und regelmäßigen Umgängen mit allen 3 Kindern (bei den beiden Jüngeren zunächst begleitet).
Und nun möchte ich Euch fragen:
Welche Maßnahmen hättet Ihr als Familiengericht ergriffen?
Zur Orientierung bezüglich gerichtlicher Einwirkungs- und Entscheidungsmöglichkeiten darf ich auf meine übrigen Threads unter #Gerichtsbericht und #JudgementGames verweisen.
Die Auflösung zum gerichtlichen Vorgehen präsentiere ich Euch wie üblich in den nächsten Tagen.
Hier aber schon mal ein paar Möglichkeiten zur Auswahl:
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Kommen wir heute nun zu den vielleicht am stärksten polarisierenden Fällen der #Umgangsverweigerung, in welchen der überwiegend betreuende Elternteil durch eine passive oder aktive #Instrumentalisierung dafür sorgt, dass das Kind den #Umgang mit dem anderen Elternteil ablehnt.
Die - meist subjektiv-moralisch bedingte - Parteilichkeit des Kindes hat in solchen Fällen ihren Ursprung häufig wenn nicht sogar meistens in der Übernahme der Sichtweise des überwiegend betreuenden Elternteils durch das Kind.
Das Verhalten dieses Elternteils, der meist gleichzeitig die Hauptbezugsperson des Kindes ist, führt in dieser Fallgruppe dazu, dass das Kind den anderen Elternteil und den Umgang mit diesem ablehnt, weil es das ihm präsentierte Zerrbild sinngemäß übernimmt.
Lasst uns heute die 2. Kategorie der #Umgangsverweigerung etwas näher beleuchten.
Wie bereits angesprochen, handelt es sich hierbei um Fälle in welchen das Kind seine #Verweigerungshaltung deshalb aufbaut, weil es seitens des Elternteils, dem es sich verweigert, gekränkt FÜHLT.
Hierbei muss keine tatsächliche Kränkung vorliegen!
Entscheidend ist lediglich die Sicht des Kindes, aus welcher die Handlung bzw. Äußerung bzw. eine angebliche Handlung oder Äußerung als kränkend eingestuft wird.
Woraus resultieren die in diese Kategorie fallen den Kränkungen?
Woraus resultieren die in diese Kategorie fallenden Kränkungen?
Auch hier sind die Ursachen vielfältig:
Eine besonders große Rolle spielen hierbei die häufig vorkommenden "neuen Beziehungen" der jeweiligen Elternteile.
@BiancaGegen@UnrollHelper Nun, Dritte, die ihre Interessen haben und ggf durchsetzen, gibt's oftmals. Häufig sind auch Großeltern treibende Kräfte, meist jedoch anders ausgerichtet als hier.
Wichtig ist, dass man den Elternteile seitens des JA bzw in der Beratung klar macht, dass hier eine klare
@BiancaGegen@UnrollHelper Abgrenzung zu erfolgen hat und dass sich dieser Elternteil ggf unter Einbeziehung des Dritten klar machen muss, dass dies die Umgänge und damit das Kindeswohl ggf beeinträchtigen könnte. Eine Allzweckwaffe gegen Einmischungen gibt's aber auch hier nicht. Wenn sich der/die Dritte
@BiancaGegen@UnrollHelper weigert mitzuspielen bzw weiter alles torpediert (und dies nachweisbar ist), kann allerdings auch eine familiengerichtliche Regelung unter explizitem Ausschluss des Dritten nützen.
Die Gefahr hierbei ist jedoch, dass der Konflikt dadurch auf eine höhere Ebene gehoben werden
Streit um #Umgang bzw. Kinderbetreuungszeiten nach Trennung ist ein ebenso komplexes wie emotional schwieriges Thema, das vor allem hier zu wilden Diskussionen führt.
Gerade bei der komplexesten Fallgestaltung, der #Umgangsverweigerung, wird oft leider zu emotional argumentiert.
Wenngleich dies aus Gründen der persönlichen Betroffenheit nachvollziehbar sein mag, führt das Ausblenden der Erkenntnisse der Kindesentwicklungs- und Verhaltenspsychologie oftmals, wenn nicht gar meistens, zu falschen, ja gar umgekehrten Ergebnissen für die Umgangsberechtigten.
Die Vorbereitung dieses Threads dauerte sehr lange und ich muss direkt vorweg sagen, dass es insgesamt 3 Threads sein werden, denn die Konstellationen der #Umgangsverweigerung sind vielfältig und lassen sich grob in 3 Kategorien einordnen, die ich für Euch gern aufarbeiten will.
"Mein Urlaub ist doch mein gutes Recht?!"
Tja nun - kommt drauf an.
Warum?
Nun ja, es gibt da einige Gründe, warum der #Urlaub Andere betriffen kann.
Als Arbeitnehmer weiß man das. Einfach weg? Geht nicht.
Auch Elternteile müssen Einschränkungen hinnehmen.
Folgt mir mal kurz:
Den Ausgangspunkt für die Frage, wann getrennt lebende, gemeinsam sorgeberechtigte Eltern MIT ihren Kindern in Urlaub fahren dürfen, bildet der Grundsatz der alleinverantwortlichen Kindesbetreuung, der sich gesetzlich verankert in § 1687 Abs. 1 S. 1 bis 4 BGB findet.
Was meint der Gesetzgeber damit?
Nun, danach sollen getrennt lebende Eltern in den (fürs Kind) wesentlichen Angelegenheiten im gegenseitigen Einvernehmen (gemeinsam) entscheiden.
In alltäglichen Angelegenheiten entscheidet hingegen grundsätzlich der aktuell betreuende Elternteil.
Es ist manchmal unheimlich schwer, beim Lesen der Jugendamtberichte von Vätern/Müttern, die ihre Kinder scheinbar grundlos auf- und weggeben, nicht in Wut und Verständnislosigkeit zu verfallen, sondern ernsthaft nach dem "Warum" zu forschen und sich in deren Lage zu versetzen.
Schafft man es aber, diese anfängliche Ungläubigigkeit über das "absolut nicht nachvollziehbare" Elternverhalten abzuschütteln, stellt man allzu häufig fest, dass man in solcherlei Situationen selbst wohl kaum in der Lage gewesen wäre, anders bzw. besser zu handeln.
Und oftmals, wenngleich sicher selten, stellt man zudem fest, wie richtig und wichtig diese - gerade für jene Eltern sicherlich sehr schwere - Entscheidung am Ende des Tages fürs Leben des Kindes sein könnte.