So, kommen wir nun – nach Tagen der Wartezeit - zur Auflösung unseres kleinen #Judgementgames.

Aber lasst mich vorab 2 Sachen loswerden:
1. Tut mir leid, dass das Verfassen dieses Berichts mal wieder zu lange dauerte. Wochenende, Fastnacht… naja, ihr wisst schon.
2. Ihr seid wirklich sehr gut, Leute!
Viele der von Euch geäußerten Gedanken trieben auch mich rum und mehrere von Euch haben die Ergebnisse gut vorausgesehen.

Wie ging der Fall bei mir nun aus?
So ganz einfach fiel mir die Entscheidung hier nicht. Es war relativ offenkundig, dass die Kinder in ihrer Haltung extrem beeinflusst waren.
Nicht so sehr von der betreuenden Mutter oder dem schimpfenden Vater, sondern vielmehr vom bisherigen Verhalten beider Elternteile.
Die von vielen so gern gesehene Anordnung der Beratung ist rechtlich ein stumpfes Schwert:
Sie ist unverbindlich und nicht durchsetzbar.
Allein darauf konnte ich mich nicht verlassen. Ebenso erschien es mir, dass auch allein der Einsatz einer Familienhilfe nicht ausreichte.
Aus meiner Sicht waren auch die Voraussetzungen des §1666a BGB, die im Falle einer Herausnahme der Kinder vorliegen müssen, nicht erfüllt.
Die kindlichen Auffälligkeiten waren nicht - jedenfalls nicht zwingend - auf das elterliche Verhalten zurückzuführen.
Zudem war die Herausnahme unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten durchaus mit milderen Mitteln vermeidbar:
Die mE richtige Lösung sollte den Kindern viel Zeit mit beiden Elternteilen gewähren, um die jeweiligen wenigen Kompetenzen der Eltern den Kindern zugutekommen zu lassen.
Denn auch das haben viele von Euch richtig erkannt: Die Eltern hatten durchaus, jedenfalls zum Teil, Kompetenzen, die für die Kinder sehr positiv sein könnten, sodass nicht lediglich der Bindungsabbruch gegen die Herausnahme sprach.
Wichtig war auch die Reduktion der Stressfaktoren, die aus dem elterlichen Streit resultierten.
Es ging also um Kontaktvermeidung und Beratung auf der elterlichen Seite und gleichzeitig um eine Kontaktanbahnung bzw. Vertiefung zwischen dem Vater und den Kindern.
Die Richtung der Sorgerechtsentscheidung habt Ihr durchaus korrekt erkannt:
Sowohl die örtliche wie persönliche Kontinuität als auch der geäußerte Wille geboten einen Verbleib der Kinder im mütterlichen Haushalt. Ihr sprach ich deshalb das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu.
Dafür sprach auch deren Offenheit für öffentliche Hilfen sowie deren Ablehnung durch den Vater.
Auch wenn der Sachverständige Bedenken an der Fähigkeit der Mutter zur Verbesserung ihrer Kompetenzen äußerte, musste ich im Zweifel für diese Möglichkeit offen sein.
Neben der Anordnung der Elternberatung wies ich die Mutter zudem an, die bereits aufgenommenen Hilfen (Elterntraining, Familienhilfe) weiterzuführen und einen Antrag auf Anbindung der beiden älteren Kinder in 1 Gruppe zu stellen, die sich an Kinder in Trennungsfamilien richtet.
Die Gruppe sollte den Jungs jene Unterstützung zukommen lassen, die sie aus dem elterlichen Konflikt begleiten sollte.
Es war klar, dass der Konflikt nie komplett aufhören würde. Deshalb musste an den Fähigkeiten der Kinder gearbeitet werden, mit dem Konflikt besser klarzukommen
Und was war mit den väterlichen Umgängen?
Diese ordnete ich in einem gesondert eingeleiteten Umgangsverfahren sogar einstweilig an, allerdings nur für die beiden jüngeren Jungs.
Während der Mittlere wöchentliche, begleitete Umgänge
(mit Vor- und Vermittlungsgesprächen) mit seinem Vater beschlossen bekam, um eine vorsichtige Annäherung außerhalb des elterlichen Konflikts zu erreichen, beschloss ich für den Jüngsten einen hochfrequenten (2x pro Woche), sich mehrstufig aufbauenden Umgang:
Auf der 1. Stufe setzte ich einen Umgangspfleger+Umgangsbegleiter ein, der sowohl die Übergaben als auch die Umgänge selbst überwachen und den Vater dabei begleiten sollte, sich auf das Kind statt auf den elterlichen Konflikt konzentrieren.
Auf der 2. Stufe nach 3 Monaten sollten sodann lediglich die Übergabe begleitet werden.
Dies sollte nach 6 Monaten enden und in einem Modell resultieren, bei dem der Vater alle 14 Tage wochenends und in den umgangsfreien Wochen zusätzlich Mi-Do Umgang haben sollte.
Tatsächlich wandte sich keiner der Elternteile gegen meine Entscheidungen.
Ich gehe davon aus, dass es dem Vater vor allem um die Kontakte, nicht jedoch um das Aufenthaltsbestimmungsrecht als solches ging, sodass er auf letzteres durchaus verzichten konnte.
Die Mutter hingegen wurde aus ihrem Konflikt so weit herausgenommen, dass sie wohl die Vorteile hiervon zu erkennen vermochte.
Nicht nur die für die Kinder, sondern auch eigene Vorteile, die diese Entlastung mit sich brachte.
Sehr positiv überraschend für mich war jedoch der Ausgang des Verfahrens aus Sicht der Kinder:
Das Jugendamt berichtete etwa 9 Monate nach meinen Beschlüssen, dass alle 3 Jungs mittlerweile gern bei ihrem Vater seien.
Die Eltern würden die Übergaben und die erforderlich werdenden Änderungen der Umgangsregelung mithilfe der Familienhelferin, der Elternberatungsstellte und manchmal auch des Jugendamtes sehr gut organisieren.
Die Kinder dürfen auch Wünsche äußern und würden gehört.
Die Mutter steigere ihre Fähigkeiten weiterhin und erheblich, während der Vater mithilfe der in seinem Haushalt eingesetzten Familienhilfe (langsame) Fortschritte hinsichtlich seiner Impulsivität zeige.
Gleichzeitig scheine der Vater in der Lage zu sein, den Jungs im Rahmen der Umgangskontakte einiges an Zuneigung und Lenkung mitzugeben und damit die Mutter, die auf diesem Gebiet weiterhin Probleme aufweise, zu entlasten.
Und, ja, man weiß nicht, wie es weitergeht und ob die Entwicklung der Jungs in diesem Rahmen tatsächlich gut verlaufen wird.
Aber bereits das Wissen darum, dass ergriffene Maßnahmen nicht von vornherein gegen die Wand gelaufen sind, baut einen sehr positiv auf.
Zudem war es schön zu sehen, dass der Entzug der restlichen Bereiche der elterlichen Sorge, wenngleich nur durch engmaschige Hilfe, nicht mehr erforderlich war :)

So, vielen Dank erneut für Eure Aufmerksamkeit und einen schönen Rosenmontag.

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Feb 16
Hey Leute.
Was haltet Ihr von einer neuen Runde #JudgementGames?
So wie damals vor ca. 1 Jahr?
Interesse?
Na dann mal los ⤵️
Nochmal zur Erinnerung:
Ich schildere den wesentlichen Verfahrensablauf inklusive der relevanten Aussagen und ggf. Gutachtenergebnisse und Ihr werdet um eure Einschätzung zur bestmöglichen Lösung gebeten, bevor ich Euch mitteile, wie der Fall in der Praxis tatsächlich ausging.
Dieser Fall, der tatsächlich keine allzu lange Zeit zurückliegt, landete zunächst als vorgeblich unauffällige Urlaubsstreitigkeit auf meinem Tisch.
Nicht besonders auf den ersten Blick.
Klarer Antrag mit kurzer Begründung:
Read 25 tweets
Feb 9
Kommen wir heute nun zu den vielleicht am stärksten polarisierenden Fällen der #Umgangsverweigerung, in welchen der überwiegend betreuende Elternteil durch eine passive oder aktive #Instrumentalisierung dafür sorgt, dass das Kind den #Umgang mit dem anderen Elternteil ablehnt.
Die - meist subjektiv-moralisch bedingte - Parteilichkeit des Kindes hat in solchen Fällen ihren Ursprung häufig wenn nicht sogar meistens in der Übernahme der Sichtweise des überwiegend betreuenden Elternteils durch das Kind.
Das Verhalten dieses Elternteils, der meist gleichzeitig die Hauptbezugsperson des Kindes ist, führt in dieser Fallgruppe dazu, dass das Kind den anderen Elternteil und den Umgang mit diesem ablehnt, weil es das ihm präsentierte Zerrbild sinngemäß übernimmt.
Read 32 tweets
Feb 1
Lasst uns heute die 2. Kategorie der #Umgangsverweigerung etwas näher beleuchten.

Wie bereits angesprochen, handelt es sich hierbei um Fälle in welchen das Kind seine #Verweigerungshaltung deshalb aufbaut, weil es seitens des Elternteils, dem es sich verweigert, gekränkt FÜHLT.
Hierbei muss keine tatsächliche Kränkung vorliegen!

Entscheidend ist lediglich die Sicht des Kindes, aus welcher die Handlung bzw. Äußerung bzw. eine angebliche Handlung oder Äußerung als kränkend eingestuft wird.
Woraus resultieren die in diese Kategorie fallen den Kränkungen?
Woraus resultieren die in diese Kategorie fallenden Kränkungen?

Auch hier sind die Ursachen vielfältig:
Eine besonders große Rolle spielen hierbei die häufig vorkommenden "neuen Beziehungen" der jeweiligen Elternteile.
Read 26 tweets
Feb 1
@BiancaGegen @UnrollHelper Nun, Dritte, die ihre Interessen haben und ggf durchsetzen, gibt's oftmals. Häufig sind auch Großeltern treibende Kräfte, meist jedoch anders ausgerichtet als hier.
Wichtig ist, dass man den Elternteile seitens des JA bzw in der Beratung klar macht, dass hier eine klare
@BiancaGegen @UnrollHelper Abgrenzung zu erfolgen hat und dass sich dieser Elternteil ggf unter Einbeziehung des Dritten klar machen muss, dass dies die Umgänge und damit das Kindeswohl ggf beeinträchtigen könnte. Eine Allzweckwaffe gegen Einmischungen gibt's aber auch hier nicht. Wenn sich der/die Dritte
@BiancaGegen @UnrollHelper weigert mitzuspielen bzw weiter alles torpediert (und dies nachweisbar ist), kann allerdings auch eine familiengerichtliche Regelung unter explizitem Ausschluss des Dritten nützen.
Die Gefahr hierbei ist jedoch, dass der Konflikt dadurch auf eine höhere Ebene gehoben werden
Read 4 tweets
Jan 31
Streit um #Umgang bzw. Kinderbetreuungszeiten nach Trennung ist ein ebenso komplexes wie emotional schwieriges Thema, das vor allem hier zu wilden Diskussionen führt.

Gerade bei der komplexesten Fallgestaltung, der #Umgangsverweigerung, wird oft leider zu emotional argumentiert.
Wenngleich dies aus Gründen der persönlichen Betroffenheit nachvollziehbar sein mag, führt das Ausblenden der Erkenntnisse der Kindesentwicklungs- und Verhaltenspsychologie oftmals, wenn nicht gar meistens, zu falschen, ja gar umgekehrten Ergebnissen für die Umgangsberechtigten.
Die Vorbereitung dieses Threads dauerte sehr lange und ich muss direkt vorweg sagen, dass es insgesamt 3 Threads sein werden, denn die Konstellationen der #Umgangsverweigerung sind vielfältig und lassen sich grob in 3 Kategorien einordnen, die ich für Euch gern aufarbeiten will.
Read 22 tweets
Jan 24
"Mein Urlaub ist doch mein gutes Recht?!"
Tja nun - kommt drauf an.

Warum?
Nun ja, es gibt da einige Gründe, warum der #Urlaub Andere betriffen kann.
Als Arbeitnehmer weiß man das. Einfach weg? Geht nicht.

Auch Elternteile müssen Einschränkungen hinnehmen.

Folgt mir mal kurz:
Den Ausgangspunkt für die Frage, wann getrennt lebende, gemeinsam sorgeberechtigte Eltern MIT ihren Kindern in Urlaub fahren dürfen, bildet der Grundsatz der alleinverantwortlichen Kindesbetreuung, der sich gesetzlich verankert in § 1687 Abs. 1 S. 1 bis 4 BGB findet.
Was meint der Gesetzgeber damit?
Nun, danach sollen getrennt lebende Eltern in den (fürs Kind) wesentlichen Angelegenheiten im gegenseitigen Einvernehmen (gemeinsam) entscheiden.
In alltäglichen Angelegenheiten entscheidet hingegen grundsätzlich der aktuell betreuende Elternteil.
Read 14 tweets

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