Peter Pomerantsev, Autor des Buches "This Is Not Propaganda: Adventures in the War Against Reality" (2019) spricht darüber, warum Menschen in Russland und anderswo an Propaganda glauben.
🧵 svoboda.org/a/vse-vse-znay…
Beruht auf einem russischsprachigen Podcast (siehe verlinkter Artikel). #Pomerantsev begann sich für Propaganda zu interessieren als er in den Nullerjahren 9 Jahren in Russland lebte und die Entstehung des neuen Modells des Autoritarismus miterlebte./1
Das Interview ist sehr lang, es geht u.a. auf einen Essay von #Adorno ein, Le Bon, Goebbels, auf Parallelen und Unterschiede zum Nationalsozialismus, die aktuelle Situation in Russland sowie Zukunftsszenarien. Ich konnte nur einige Punkte übersetzen oder zusammenfassen./2
Bei der Rückkehr aus Russland bemerkte er den Anfang eines globalen Trends: "Während früher die Prioritäten der Propaganda bei der Zensur lagen, der Eingrenzung von Information, muss der Propagandist jetzt mit der Menge an Infos spielen, die er an die Menschen weitergibt." /3
"Im heutigen Russland haben die Menschen Zugang zur Wahrheit über das, was in der #Ukraine geschieht, über all die Gräueltaten, die Russland in der Ukraine begeht. Es ist keine Frage des Zugangs zu Informationen. Es gibt zwar Barrieren, aber die sind sehr leicht zu umgehen.“/4
"Das Problem ist somit ein ganz anderes: Die Menschen wollen nicht wissen. Und warum sie es nicht wissen wollen, müssen wir verstehen, warum sie in einer alternativen Realität leben wollen, obwohl die Wahrheit zum Greifen nahe ist. In anderen Ländern ist es das Gleiche.“/5
Die Propagandawelle in R. begann 1996, man habe angefangen, das Fernsehen zu kontrollieren, Demokratie zu verzerren, Pseudowirklichkeit zu erfinden und Phobien & psychologische Unvollkommenheiten der russischen Bevölkerung zu bedienen, die mit der Realität nicht zurechtkam."/6
Im Gegensatz zum sowjetischen System gab es - so Pomerantsev - keine Ideologie, sondern man denkt wie Werbeleute: Was mögen und brauchen die Menschen? Man vermittelte die Liebe zu Putin somit über die bestehende Sehnsucht nach Autorität./7
"Russland hat sich ganz bewusst und offen für die Diktatur entschieden, es gab eine Nachfrage danach. Die Verantwortlichen versuchten, eine Form der Propaganda zu finden, die die psychologischen Bedürfnisse der Bevölkerung widerspiegeln könnte."/8
Man könne lange nachforschen, warum Menschen nach solchen Führerfiguren suchen. Das hänge oft mit Familientraditionen zusammen, aber "ein erfolgreicher Propagandist versteht die Bedürfnisse der Menschen am besten und kann sie dann manipulieren."/9
#Pomerantsev spricht über die Propagandamethoden: Meinungsumfragen, Fokusgruppen, eine mit Marketing und Werbung verbundene Industrie, die das Publikum versteht. Mit Trial and Error versuche man zu verstehen, was funktioniert und was nicht. /10
"Der Schlüssel ist Reaktion. Die sowj. Propaganda reagierte nicht: Niemand schaute sich sowjet. Fernsehen an, man änderte nichts. Jetzt ändert man. Schauen Sie, wie oft der Kreml seine Slogans änderte: Die Entnazifizierung hat nicht funktioniert, versuchen wir etwas anderes.."/11
Pomerantsev ist skeptisch gegenüber der Rhetorik der Gehirnwäsche od. Zombifizierung:Er lehnt die Idee des Unbewussten nicht völlig ab, "aber die Vorstellung, dass wir alle hilflose Kaninchen in den Händen großer polit. Technologen sind, ist eine Flucht vor der Verantwortung."/12
"Die Schuld nur bei Propagandisten zu suchen, ist ein Versuch, Selbstkritik & Verantwortung auszuschließen. Wenn wir über die Verantwortung von Propagandisten sprechen, dann geht es mir um die rechtliche Verantwortung. Historisch wurden Propagandisten immer wenig bestraft."/13
Bei der Nachfrage nach Ähnlichkeiten zwischen Nazideutschland und dem heutigen Russland sieht er viele Unterschiede, aber findet die zugrunde liegenden psychologischen Mechanismen sehr ähnlich:/14
"Es wiederholen sich sehr interessante Dinge, es wird häufig von Massenidentität gesprochen, von Identifikation mit der Macht, mit dem Führer, von Kompensation für Demütigung durch Sadismus, vom ganz explizitem Gebrauch einer sehr seltsamen Rhetorik in Bezug auf Frauen..."/15
"Sehen Sie, wie die russische Kultur und Putin über die #Ukraine als ihre Mutter sprechen, mal ist sie eine Prostituierte, die sich verkauft hat, mal ist sie Aschenputtel, dann muss sie vergewaltigt werden - das ist alles Rhetorik der Macht."/16
"Priorität hat meiner Meinung nach die Schwachstellen der Propaganda zu finden, um den Sieg der Ukraine im Krieg bestmöglich zu beschleunigen und die Länder um #Russland herum abzusichern. Was innerhalb Russlands geschieht, ach, damit müssen wir uns noch lange befassen..."/17
Albrecht Koschorke ist ein hervorragender Literatur- und Kulturwissenschaftler, deswegen war ich von seinem Artikel im Spengler-Ton über die "dreifache Niederlage" enttäuscht.
Zunächst halte ich einige Grundannahmen für nicht richtig, so z.B. die Annahme, dass der Krieg "eine globale Konstellation wiederhergestellt hat, die an die Verhältnisse des Kalten Krieges erinnert."/1
Warum entdeckt man falsche europäische Politik in Asien & Afrika in einem Artikel just zum Zeitpunkt, an dem die Ukraine um ihr Überleben kämpft & Putin + Lawrow sich als antikoloniale Kämpfer gar in Eritrea verkaufen? Die Ukraine liefert sogar weiterhin Getreide in dieser Zeit!2
"Die vom russ. Staat finanzierten Massenfolterkammern waren kein Zufall, sondern Teil eines sorgfältig durchdachten und finanzierten Plans, die nationale und kulturelle Identität der Ukraine auszulöschen", sagte der britische Anwalt Wayne Jordash. 1/4 theguardian.com/world/2023/mar…
"Mehr als 1.000 Überlebende haben Zeugnis abgelegt und mehr als 400 Menschen sind aus #Cherson verschwunden, sagen die Anwälte."/2
"Die in #Cherson gesammelten Beweise zeigen, dass die russ. Folterzentren nicht "zufällig" entstanden sind, sondern vom russ. Staat geplant und direkt finanziert wurden. Dies berichtet ein Team ukr. und internationaler Anwälte unter der Leitung eines britischen Anwalts."/3
"Wichtig ist hier, dass es keine besondere Reaktion auf diese Verstöße gab. Das bedeutet, es wird ein Verbrechen begangen, das ohne Konsequenzen bleibt."
Memorial-Mitglied V. Malychin erklärt, warum Russland in jedem Krieg seit Jahren Zivilisten angreift.
Laut einem Bericht des "Zentrums für Menschenrechte 'Memorial'" begeht die russische Armee seit mehr als 30 Jahren ähnliche Kriegsverbrechen in verschiedenen Konflikten. Die Gruppe hatte letzte Woche einen komparatistischen Artikel dazu veröffentlicht.
Übersetzung des Ausschnitts:
Journalist:"Habe ich den Hauptgedanken Ihres Artikels richtig verstanden, dass die Dinge, die wir in der #Ukraine gesehen haben - in Butscha, Mariupol, Isjum oder Cherson - all das lässt sich nicht als Einzelfall eines Täters erklärten,../1
Empfehlenswerter Thesencheck: @GestwaKlaus von der Universität Tübingen zerlegt kenntnisreich und detailliert acht allzu populäre Thesen 'meinungsstarker, aber ahnungsloser' Stimmen. Hier der Anfang zur dritten These.
⬇️
K. Gestwa diskutiert folgende populäre Behauptungen: 1. Die NATO hat Russland bedroht. Putin musste sich verteidigen. 2. Die Ukraine gehört historisch gesehen zu Russland. 3. Niemand kann genau sagen, was Putin will./2
Weitere Behauptungen: 4. Die Ukraine ist kein demokratischer Staat, sondern wird vom Westen & Oligarchen gesteuert. 5. Die Krim & der Donbas gehören historisch gesehen zu Russland. 6. Wer Waffen liefert verlängert den Krieg. 7. Russ. Medien lügen auch nicht mehr als westliche./3
Die Russische Welt säubert die Ausländer unter den Wörtern aus dem Russischen.
Putin schränkt per Gesetz den freien Gebrauch von "ausländischen Wörtern" (#Fremdwörter) in der russischen Staatssprache (gosjazyk) ein. Normative Fremdwörterbücher sollen erscheinen.
Ria Novosti: "Gemäß den Neuerungen ist es beim Russischen als Staatssprache nicht zulässig, Fremdwörter zu verwenden mit Ausnahme derjenigen, für die es keine allgemein gebräuchlichen Entsprechungen im Russischen gibt, die in normativen Wörterbüchern erfasst werden sollen."/1
Ria Novosti: "Das Gesetz möchte die Bedeutung der russischen Sprache als Staatssprache im ganzen Land erhöhen und die Kontrolle über die Einhaltung ihrer Normen durch Beamte und Bürger verstärken."/2
Die zerstörte Bibliothek einer (Hoch)Schule in #Mariupol gestern. Die Mehrheit der Bücher sind auf Russisch. Am Boden liegen Bücher des jiddischen Autors Michail (Mischa) Lev, geb. 1917 in Pohrebyschtsche, Ukraine. Widerstand gegen den dt. Angriff im 2. WK war sein Lebensthema.
Lev studierte Jiddisch, meldete sich nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion freiwillig, wurde von Deutschen gefangen, konnte unerkannt als Jude fliehen und wurde Partisan in Belarus. Krieg und Partisanen waren sein Lebensthema. Er ging 1996 nach Israel & starb dort 2013.
Lev schrieb auf Jiddisch und Russisch. Am Boden liegt das Buch mit der Erzählung "Wenn nicht meine Freunde wären" (ven nit di fraynt mayne) in russischer Übersetzung in einer sowjetischen Ausgabe von 1986. Auch sein Dokumentarroman über Sobibor ist lesenswert.