Es geht hoch her auf #EconTwitter und #Energietwitter ueber CO2 Preise, Ordnungsrecht und Subventionen. Dabei gibt es solche, die mit Blick auf die USA und den #IRA Subventionen als Allheilmittel der Klimatransformation feiern. Politische steche oekonomische Effizienz. Ein🧵.
Was man sich zunaechst einmal klar machen muss: die Klimatransformation kostet, sie kostet reale Ressourcen, deren Fehlen jemand zu tragen haben wird. Alles, was Politik am Ende kann, ist zu bestimmen, wer den Schaden haben wird.
Natuerlich macht es Sinn, diese Ressourcen aufzuwenden, wenn und weil es uns, wie bei jeder Investition, in Zukunft ein besseres Leben verspricht. Also hier Zustimmung zu @schieritz :
Man kann sich jetzt fragen, ob diese Kosten geringer waeren, wenn wir frueher mit der Klimatransformation angefangen haetten. Das ist etwas spekulativ, aber die Vermutung liegt nahe: wir sehen oft, dass Transformationsprozess dann kostspielig sind, wenn sie schnell gehen muessen.
Aber egal: es gibt diese Kosten, und diese Kosten sind real.
Es waere schon einmal viel geholfen, wenn Politiker das immer wieder und unmissverstaendlich erklaeren wuerden.
Man kann diese Kosten nun verteilen oder auch versuchen, sie zu verschleiern. Letzteres wird hier sogar von einigen explizit der Politik angeraten:
Ich halte das erstens fuer demokratiepolitisch hoechstproblematisch, und es koennte am Ende auch wirklich nach hinten losgehen im Sinne einer Zielerreichungsgefaehrdung:
Nebenbemerkung: manchmal, in besonderen Umstaenden, geht so eine Verschleierung ganz gut. Habeck hat's im Sommer 2022 exzellent vorgefuehrt: waehrend Oekonomen wie ich noch nach einer expliziten Gasnachfrageeindaemmungspolitik aus dem BMWK gerufen haben, hat das Habeck ueber
seine Gaseinspeicherungsangebotspolitik einfach miterledigt, weil der Gaspreis massiv anstieg und damit die Industrie schon im Sommer Nachfrage reduzierte. Sehr clever. Das war aber eine Notsituation, fast moving, die Klimakatastrophe ist eine ganz andere Krise.
Was ist nun mit Subventionen, die viele hier als ueberlegenes Mittel gegenueber einem CO2 Preis ansehen? Auf den ersten Blick ist das super, denn bei Subventionen bekommt man Ressourcen, wenn man etwas tut, bei einem CO2 Preis muss man den entweder zahlen oder muss die Ressourcen
zur Vermeidung selbst aufwenden. Wer bekommt nicht gerne etwas?
Nun, der Haken ist: Subventionen muessen ja irgendwie finanziert werden.
Das koennte ueber hoehere Steuern geschehen.
Es gaebe nun gute Steuern, das zu finanzieren (etwas CO2 Steuern, aber die will man ja annahmegemaess nicht). Andere Steuern wie Einkommenssteuern? Klar, kann man machen, aber die verzerren auch und verknappen Ressourcen eher.
Steuern auf die Reichen wie Vermoegenssteuern und/oder Erbschaftssteuern? Kann man machen, aber erstens verzerren die auch und wuerde ihr Aufkommen auch nur annaehernd ausreichen?
Halten wir fest: Steuern, die wirklich etwas einbringen, duerften genauso auf politischen Widerstand treffen wie hohe CO2 Preise.
Dann machen wir es halt so wie die USA und finanzieren die Subventionen mit Schulden.
Kann man auch machen, aber in einer ohnehin ressourcenbeschraenkten Oekonomie ist das eben kein free lunch mehr, sondern wird ueber hoehere morgige Steuern oder eben Inflation kompensiert. Ist das politisch ertraeglicher?
Zumal Subventionen noch drei entscheidende Nachteile haben:
1) Sie werden sehr hoch sein muessen, um wirklich Wirkung zu haben. Man hat ja keinen "Schaden", wenn man sie nicht abgreift. Ja, Opportunitaetskosten natuerlich, aber ich darf verhaltensoekonomische
Argumente bringen, weil das die Kritiker von hohen CO2 Preisen auch tun, wenn sie von "politischer Effizienz" sprechen. Das ist bei CO2 Preisen anders, denn mit ihnen muss man einfach zahlen oder vermeiden.
Hinzukommt, dass in strategischen Situationen zwischen Regierung und der von Lobbyorganisationen vertretenen Industrie letztere natuerlich sehr hohe Subventionen quasi aus ersterer erpressen kann. Holdup Probleme nennt man das.
2) Weil das so ist, wird man nur Erfolg haben, wenn man Subventionen mit dem Ordnungsrecht kombiniert. Mit anderen Worten: man wird einfach viele Dinge verbieten bzw. anordnen muessen. Ob das populaerer ist als hohe CO2 Preise? Ich habe da meine Zweifel.
Abgesehen davon, dass das wirklich dann auch Freiheitseinschraenkungen bedeuten wird. Das kann man als Politik wollen, muss sie aber nicht nur rechtfertigen, sondern auch durch Gerichte bringen koennen. Wir haben schon noch eher freiheitliche Verfassungen.
Nebenbemerkung: alle, die jetzt gerade die USA fuer den IRA preisen, sollten zur Kenntnis nehmen, dass hier noch nicht viel verboten wurde. Warten wir also mal ab, was der IRA am Ende bringen wird, wenn nicht weitere Massnahmen kommen.
3) Wenn man Subventionen verwendet, um relative Preise indirekt zu steuern statt einem einheitlichen und umfassenden CO2 Preis, dann gibt man halt die Informationsaggregationsfunktion des Marktes auf. Das kann manchmal gerechtfertigt sein, aber man muss sich klarmachen,
dass dann eben Extrakosten entstehen, die wiederum dafuer sorgen werden, dass es hohe Subventionen brauchen wird.
Um es allgemeiner zu sagen: die Klimatransformation ohne CO2 Preis und nur mit Subventionen und Verboten schaffen zu wollen, wird garantiert teurer als mit CO2 Preis. Das kann dann gerechtfertigt sein, wenn man wirklich glaubt, nur so kommt man durch.
Aber dieser Glaube basiert sehr auf dem Prinzip Hoffnung, es gibt, wie oben gezeigt, viele Gruende, warum die Strategie Subventionen plus Verbote auch politisch scheitern kann. Denn: man entzieht der Oekonomie in einer Zeit knapper Ressourcen noch mehr als noetig waeren.
Was mich auch stoert: beim CO2 Preis werden immer viele Dinge weggelassen, die ihn praktikabler machen.
1) Klar muss es das Klimageld als Transfer an die Haushalte geben. Und man kann, wenn man auch noch umverteilen will (um sich damit politische Effizienz zu besorgen), ja
sogar weg von der Pro-Kopf-Erstattung hin zu einer Erstattung in Abhaengigkeit vom Einkommen. Wenn dann gerade untere und mittlere Einkommen mehr Kaufkraft haben, dann werden die ganz schnell von der Industrie schadstoffarme Autos verlangen bei den hohen CO2 Preisen.
Das wird, sage ich voraus, viel schneller gehen, als die Industrie direkt zu subventionieren.
2) Klimaclubs und CO2 Ausgleich an deren Grenzen sind wegen der internationalen Handelsverflechtungen absolut wichtig. Die EU koennte ihr sofort vorangehen.
Des weiteren: ich sage auch umgekehrt nicht, dass der CO2 Preis ein Allheilmittel ist. Subventionen zum Umstieg auf neue Technologien, Investitionen in den OePNV, und auch bestimmte Verbote zur Koordination auf technische Standards oder weil es politisch akzeptabler sein mag,
gehoeren alle in den Instrumentenkasten. Nur eines gilt halt auch: die Klimatransformation duerfte ohne einen signifikanten CO2 Preis so teuer werden, dass sie mE auch politisch scheitern wird.
Wer also glaubt, man bekommt den CO2 Preis mit einem konkreten Mengenpfad, der auf Null geht, politisch nicht durch, der sollte meiner Meinung nach viel staerker nach Massnahmen zur Klimaadaption rufen. Viel, viel, viel staerker.
Denn dass Subventionen und Verbote erstens politisch akzeptabler sind mit ausreichend geringen oekonomischen Zusatzkosten und zweitens hinreichend scharf sein koennen fuer das Gelingen der Klimatransformation - das zu glauben ist mit hoher Unsicherheit behaftet.
Alles andere ist mMn Zockerei. Und das bedeutet dann: Klimaadaption als Versicherung ist dringend vonnoeten. Dazu habe ich aber von den entsprechenden Vertretern noch nichts gehoert.
Es wurde viel ueber die SPD und ihre Gazprom/Russland Connections gesprochen und ihre Anfaelligkeit fuer bestimmte Lobbyaktivitaeten. Das gibt es aber auch in der CDU (wenn auch in diesem Falle nicht an ganz so prominenter Stelle). Friedbert Pflueger!
Was diesen Fall aber so besonders aergerlich macht vom Standpunkt eines Wissenschaftlers, ist die offenbar schamlose Verquickung von Lobbyismus und scheinbarer wissenschaftlicher Taetigkeit. Erst am @KingsCollegeLon und jetzt - sie kommt nicht aus den Schlagzeilen - an @UniBonn
. @SchmittJunior argumentiert hier in den ersten 30 Minuten des @neuezwanziger Podcasts in ziemlich hanebuechener Weise. Eine Replik, da ich aehnliche Argumente, wie die von ihm kritisierten, selbst schon gemacht habe.
Es geht dabei um die Frage, ob der Auschwitz relativiert, der die Unterstuetzung der Ukraine auch mit einem Bezug auf Auschwitz begruendet. @SchmittJunior scheint das zu bejahen und rueckt so Argumentierende explizit in die Naehe des rechtskonservativen Historikers Ernst Nolte.
Ich fuer mich kann festhalten: es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Auschwitz eine historische Singularitaet darstellt. Insofern bin ich wohl Habermasianer in dieser Frage.
Viele Reaktionen auf meinen #eFuels Thread. Danke. Das ist Twitter at its best. Eine Aussage kam aber immer wieder, die nochmal den Kommentar des Ökonomen verdient: “Erst wenn wir grüne Energie im Überfluss haben, machen eFuels Sinn.” Begründung: sie sind technisch ineffizienter
als E-Motoren (es ging immer um PKW).
Nein, nein, nein!
Was Überfluss, was Knappheit ist, darüber haben Ökonomen nun wirklich sehr lange nachgedacht.
Bei richtiger CO2 Bepreisung ist der Markt natürlich statisch effizient. Und wird die Verwendung von grünem Strom in die
Richtung lenken, für die die höchsten Zahlungsbereitschaften bestehen (wo also die höchste Dringlichkeit herrscht). Wenn das dann eFuels sind, dann ist es nicht klar, warum man Strom erst woanders hinlenken will und auf Überfluss warten will (den es ohnehin nicht geben wird).
Eins interessiert mich aber doch, @schnellenbachj . Und ich frage das ganz ernsthaft, weil ich mir selber manchmal darüber Gedanken mache. Der offensichtliche Einwand, den jemand wie @nymoen_ole hier machen würde, ist doch jetzt: Essen ist ein viel natürlicheres, unmittelbareres
Bedürfnis des Menschen als Mobilität, jedenfalls in dem Sinne, dass es OBJEKTIV einen größeren Unterschied zwischen einem guten Käse und einem Proteinshake gibt als zwischen Mobilität in einem E-Auto und in einem mit Verbrenner.
Wir Ökonomen lehnen solche objektiven Wertbeziehungen ja meist ab.
NB: auch nicht ganz, bei der MWST Ausnahme für Lebensmittel spielt so ein Argument ja durchaus eine Rolle.
Ich finde diese ganze Diskussion um #eFuels ziemlich verwirrend. Einerseits haben Liberale ja Recht, wenn sie auf ökonomische statt technische Effizienz verweisen. Das stimmt schon deshalb, weil ja technische Effizienz gar nicht so eindeutig definiert ist. Reden wir von
Kilometern pro Energieeinheit, CO2 pro Energieeinheit, etc. Und das muss ja alles gegeneinander abgewogen werden, was letztlich ökonomische Effizienz ist (und nicht einfach nur Euro pro gefahrene Kilometer oder so).
Und es mag ja auch stimmen, dass wir noch nicht so viel über die Zukunft wissen, wie wir meinen. Wenn ich es richtig verstanden habe, sind E-Autos als Idee so alt wie Verbrenner. Warum haben die sich eigentlich nicht schon früher durchgesetzt? Pfadabhaengigkeit? Aber egal…
Aus gegebenem Anlass: ein Thread ueber Modelle in der Oekonomik.
Zunaechst einmal muss Folgendes gesagt werden. Unter dem Oberbegriff Modelle werden sehr verschiedene Dinge zusammengefasst, die sehr unterschiedlichen Zwecken dienen.
Pauschale Aussagen wie: "Die Modelle der Oekonomik sind nicht ausreichend empirisch getestet", oder "Die Modelle der Oekonomik koennen nichts vorhersagen" sind daher ziemlich sinnlos, weil jeweils eine grosse Klasse von oekonomischen Modellen bestimmte Zwecke gar nicht haben.
Im Folgenden eine (nicht unbedingt Vollstaendigkeit garantierende) Auflistung von Modellklassen, mit ihren je eigenen Zwecken.