Exzellenter Journalismus von @thetimes: Die Reporter*innen haben die Abläufe nach Jina Mahsa Aminis Verhaftung minutiös dargelegt. Medien sollten wirklich das "mutmaßlich" überdenken, das sie in Zusammenhang mit ihrem Tod stets benutzen. Im Folgenden Inhalt des Artikels und Link:
thetimes.co.uk/article/iran-p…
(Paywall)
Jina Amini war mit ihrem minderjährigen Bruder unterwegs. Obwohl sie einen langen Mantel und Kopftuch trug, wurde sie von der Sittenpolizei mitgenommen. Im Van sitzend machte sie sich Sorgen um ihren Bruder: "Wir kennen niemanden. Mein Bruder...
ist jünger als ich. Er kennt diese Stadt auch nicht. Wir werden uns verlieren." Sie bettelte darum, dass man sie gehen ließ. Daraufhin bekam sie Schläge auf den Kopf. Alles von Zeug*innen bestätigt. Auf der Polizeistation bricht sie zusammen. Anstatt medizinische Hilfe zu holen,
machen sich die SittenwächterInnen über sie lustig: "Wir haben schon viele von diesen Bollywood-Schauspielerinnen gesehen", sagen sie. Die anderen Festgenommenen bitten, dass Hilfe für Jina Amini geholt wird. Alle schrien: "Ihr habt sie getötet, ihr habt sie getötet!" Polizisten
hörten den Tumult und kamen in den Warteraum - und schlagen die festgenommenen Frauen. Erst nach 45 Minuten (!) wird der Krankenwagen gerufen. Kiarash, Jina Aminis Bruder, und etwa 40 Freund*innen der Familie warteten vor der Polizeistation, er zeigt das Foto seiner Schwester.
Soldaten stürmten zu ihnen und schlugen mit Knüppeln auf sie ein, besprühten sie mit Pfefferspray. Drinnen entstand Panik bei den festgenommenen Frauen, und sie wurden verprügelt. Im Chaos ging der Schlüssel zum Krankenwagen verloren. Den Frauen wurde über Lautsprecher gesagt...
anstatt hysterisch zu sein, sollten sie lieber den Schlüssel suchen. Sie würden freigelassen, wenn man ihre Handys überprüft hatte, dass sie keine Videos von den Geschehnissen gemacht hätten. Erst um 20.25, 70 Minuten nachdem Jina Amini kollabiert war, fuhr der Krankenwagen los.
Im Krankenhaus wusste man nichts über Jina Aminis Identität - die Polizei wollte, dass sie anonym blieb. Ihr Name sollte nicht nach außen gelangen. Ihr Bruder, vor der Klinik, schickte eine Sprachnachricht: "Ich brauche Unterstützung, damit meine Schwester von einem guten Arzt...
operiert wird. Niemand kümmert sich um sie."
Drei Tage später stirbt Jina Amini.
Die Behörden geben sofort die Meldung heraus: "Herzinfarkt."
Es gibt Berichte, nach denen Gefangene des Lakan-Gefängnisses in Rasht im Norden Irans die Beamten überwältigt und einen Brand im Gefängnis gelegt haben. Wenn sich das bestätigen sollte, wäre auch das wieder ein revolutionäres Ereignis im iranischen Widerstand. #IranProtests
Ich höre nun seit zwei Wochen immer wieder, deutsch-iranische Journalist*innen seien nicht in der Lage, "objektiv" über die Proteste im Iran berichten könnten. Dazu ein paar Gedanken.
Journalist*innen nach Herkunft zu unterteilen, worüber sie berichten dürfen, wäre das Ende seriöser Berichterstattung. Dann müsste man Themen auch nach Geschlecht, sexueller Orientierung etc. vergeben. Das wollen, vermute ich, die wenigsten.
Die meisten Journalist*innen sind auf die ein oder andere Weise mit Themen verbunden, über die sie berichten. Journalismus ist ein Handwerk: man kennt genau die Regeln der Recherche, der Quellenprüfung und der Berichterstattung. Und die gelten, egal welches Thema.