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Mar 17 • 25 tweets • 4 min read
Das Eckpunktepapier des BMBF zur Reform des WissZeitVG ist ein Grund, meinen erholsamen (#DiehellenDinge) Urlaub zu unterbrechen und mit diesem Thread 🧵einer näheren Betrachtung zu unterziehen – Spoiler, ein harter Ritt: 1/x
Unmittelbar offenbart sich eine bezeichnende Spreizung zwischen erklärter Zielsetzung und avisierten Reformen. Nichts von „klaren Entfristungsperspektiven“ und „unbefristeter Beschäftigung“. Die „wissenschaftliche Qualifizierung“ soll nur in der Begründung Raum bekommen. 2/x
Dies fordert die juristische Methodenlehre: Ist der Wille eines nicht gesetzesändernden Gesetzgebers überhaupt beachtlich? Gesetzesauslegung ist Aufgabe der Justiz, während Rechtssetzung Aufgabe der Legislative ist. Geltendes Recht nur umzuinterpretieren – das ist Neuland. 3/x
Der Qualifizierungsbegriff ist Knackpunkt des Gesetzes: Kann jede nicht habilitierte Person ohne sachlichen Bezug zur wissenschaftlichen Karriere befristet werden, verliert das Gesetz seinen legitimen Differenzierungsgrund. Es ist eine Besserstellung akademischer Arbeitgeber. 4/x
Jetzt im Einzelnen zu den geplanten Regelungen: Zuerst die Promotionsphase. Plan war, Verlässlichkeit für die Promotionsdauer herzustellen. Diese dauert mit Medizin 4,7, ohne Medizin 5,7 Jahre durchschnittlich. 3 Jahre Mindestbefristung verfehlen diese Realitäten um Längen. 5/x
Nicht einmal diese 3 Jahre soll es verbindlich geben. Geplant ist eine „Soll“-Regelung. In der Rechtspraxis also eine Nicht-Regelung. Am besten wird das am „akademischen Höchstalter“ für die Juniorprofessur ersichtlich. Hier regeln die Länder Soll 6 Jahre (nach Studienende). 6/x
Realiter werden diese Grenzen ignoriert. Warum? Weil sie nicht klagbar sind. Wer soll sich wehren, wenn akademisch Ă„lteren die TT-Stelle angeboten wird? Die Konkurrent*innen? Dieser Rechtstreit wird nicht ausgefochten. Bei den Soll-Mindestvertragsdauern wird es genauso sein. 7/x
Hier realisiert sich der soziale Druck, der Rechtstreitigkeiten verhindert, besonders wahrscheinlich: Es ist der erste Vertrag – weitere sollen folgen. Die wird man doch nicht mit einer Klage in Gefahr bringen. 8/x
An der familien- und inklusionspolitischen Komponente soll nicht gerüttelt werden. Dabei sehen wir doch bereits, dass diese Verlängerungen der Höchstbefristungsdauer praktisch nicht zur Anwendung kommen; an der vermeintlichen Corona-Verlängerung wurde es besonders plastisch. 9/x
Eine Ausweitung des § 2 Abs. 5 WissZeitVG, also der gesetzlichen Vertragsverlängerung, auf Projektbefristungen ist nicht beabsichtigt. Letztere soll erst nach Ablauf der Pre-/Post-Doc-Phase möglich werden. Das schafft tatsächlich mehr Rechtsunsicherheit. 10/x
Die Universitäten müssen für „frühe“ Projektbeschäftigte Mittel für die Vertragsfortsetzung rückstellen; für akademisch Ältere dagegen nicht. Wer bekommt also die Projektstellen? 11/x
Die Befristung löst sich dadurch von § 53 Abs. 2 HRG ab. Qualifikationsbefristung heißt nicht mehr sicher „der Qualifizierung förderlich“. Das Eckpunktepapier schweigt natürlich zur neuralgischen Frage, wann die eigene Forschung zur Qualifikation erbracht werden soll. 12/x
Auch zur Teilzeitquote hält man sich zurück, wegen angeblicher Verfassungsfragen. Dabei hat der Bundesgesetzgeber klar die Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht – einschließlich der Voll-/Teilzeit – ungeachtet einer nicht existenten „Hochschulhoheit“ der Länder. 13/x
Zur PostDoc-Phase: Die 3 Jahre Höchstbefristungsdauer sind das Schlechteste aus zwei Welten. Damit wird weder Druck auf die Hochschulen und Forschungseinrichtungen ausgeübt, Dauerstellen zu schaffen, noch Zeit für die Habil(äquivalente Leistung) gesichert. 14/x
Mit 3 Jahren können die Hochschulen und Forschungseinrichtungen weiter Personal auswechseln. Die Kosten der Einarbeitung zur Aufrechterhaltung von Forschung und Lehre werden nicht unverhältnismäßig. Nur das führte zu einem Systemwechsel. Hire and fire wird so incentiviert. 15/x
In 3 Jahren ist eine Qualifizierung für die Professur deutscher Lesart ausgeschlossen. Die PostDoc-Phase droht so zur „Durchlauf“-Periode vor der Juniorprofessur zu werden. So verlängert sich die reale Befristungszeit auf 9 Jahre. Der Flaschenhals schiebt sich nach hinten. 16/x
In Fächern wie den Rechtswissenschaften, in der die Habil noch heute Goldstandard ist, wirkt dieses System disruptiv. Juniorprofessuren zur Habilitation wird es nicht ausreichend geben; ungeachtet der Tatsache, dass diese Beschäftigungsform dafür ungeeignet ist. 17/x
In anderen Fächern wird die PostDoc-Phase durch Drittmittelbefristung künstlich verlängert werden. Der Wasserkopf „Projektmittel“ wird weiter wachsen. Damit wird die Wissenschaftsfreiheit immer stärker durch Vorgaben der Drittmittelgeber – besonders des Bundes – beschnitten. 18/x
Die beibehaltene familien- und inklusionspolitische Komponente wirkt deplatziert: Die Verlängerung der Befristungsmöglichkeit schafft keinen Anreiz für Dauerstellen, sondern zur Einstellung von Eltern und Menschen mit Handicap – diese können länger prekär beschäftigt werden. 19/x
Zu den Studis: 8 Jahre Höchstbefristungsdauer sind kein Erfolg, sondern wählen den falschen Anknüpfungspunkt. Die Beschäftigung sollte für die Dauer des Studiums möglich sein – als Bedingung, nicht als Befristung. Das 1 Jahr Mindestbefristungsdauer (Soll) führt nicht weiter 20/x
Zu den Stipendien: Anstatt eine Sonderregelung für stipendien-/referendariatsbegleitende WissMit-Tätigkeit einzuführen, sollen jetzt auch (Exakt)-25%-Verträge nach dem WissZeitVG befristet werden können. § 2 Abs. 3 WissZeitVG soll nicht angepasst werden? 21/x
Tariföffnung: Dieses „Angebot“ an die Gewerkschaften ist ein Boomerang. Dort, wo es weh tut, sollen die Gewerkschaften nicht mitreden können – bei der Höchstbefristungsdauer. Auch die Mindestvertragslaufzeit der PreDocs ist tabu. 22/x
Bei den PostDocs soll zwischen 1-3 Jahren gewählt werden. Das ist die Wahl zwischen Pest und Cholera. Die Gewerkschaften werden so nur symbolisch ermächtigt. Es wird dann nicht nur auf die Länder verwiesen werden, sondern auch auf die Tarifparteien. 23/x
In der Summe verfehlt das Eckpunktepapier die selbstgesetzten Ziele. Die beteiligten Fachpolitiker*innen der Ampel wollen das nicht erkennen. Stattdessen werden bekannte Phrasen gedroschen: „Wettbewerbsfähigkeit“, „die Länder müssen“ und „der Bund kann nicht“. 24/x
Die wenigen konstruktiven Änderungsideen lösten bei der @HRK Abwehrreaktionen aus. #IchbinHanna meinte dementgegen, schlimmer als der Status quo könnte es nicht werden. Das @BMBF beweist einmal mehr: Ein halbgarer Kompromiss kann alle Forderungen unterschreiten. 25/25

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Dec 3, 2022
Das Schmankerl zur Arbeitszeiterfassung ist da: BAG, Beschluss vom 13.09.2022 - 1 ABR 22/21. Und ich habe nicht zu viel versprochen: Das BAG verpflichtet (!) bundesweit branchenunabhängig zur Arbeitszeiterfassung. bundesarbeitsgericht.de/sitzungsergebn…
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Jun 14, 2021
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