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Apr 13 17 tweets 4 min read Twitter logo Read on Twitter
Angesichts solcher Äußerungen heute mal ein kleiner Ausflug in die Welt der Ethik:Eine der zentralen Fragen des Veganismus ist doch:Mit welcher Begründung erhebt sich der Mensch über Tiere und rechtfertigt damit, ihnen Leid und Schmerz zuzufügen und sie ihrer Freiheit zu berauben
Mal abgesehen davon, dass es meiner Meinung nach ohnehin kein Rechtfertigung gibt, anderen Lebewesen Leid und Schmerz zuzufügen, kommen wir bei der Argumentation solcher Menschen wie @BlogAgrar ganz schnell zu großen Widersprüchen. Meistens fällt als erstes Argument, dass der
Mensch den Tieren an Intelligenz überlegen sei. Das mag zwar stimmen (auch wenn man bei einigen Exemplaren da durchaus Zweifel haben kann). Würden wir diesen Gedanken jedoch weiterspinnen und konsequent anwenden, dann wäre es ebenso legitim, dass Menschen mit hoher Intelligenz
anderen Menschen Schmerz und Leid zufügen dürften. Und wie würden wir mit Menschen umgehen, die aufgrund einer Erkrankung ein Intelligenzdefizit haben? Man sieht also sehr schnell, dass alleine die höhere Intelligenz kein legitimes Argument darstellt. Kommen wir zum nächsten
Argument, der Religion und der Kultur. Dies wird sehr gerne angeführt und stellt in vielen Debatten ein echtes Totschlagargument dar.

"Der Mensch hat schon seit tausenden von Jahren Tiere domestiziert und gegessen"

"Unsere Religion sagt, dass der Mensch das höchste Lebewesen
ist und Tiere weniger wert sind."

Aber auch hierbei ist die Argumentationskette brüchig. Erstens haben sich gerade in den westlichen Ländern mittlerweile viele Menschen von der Religion abgewendet. Zweitens: Wollen wir es in einer freien Gesellschaft wirklich akzeptieren, dass
religiöse Vorgaben die Wertigkeit von Lebewesen regeln? Dies muss aus geselschaftlich-ethischer Sicht doch mit einem gewaltigen Fragezeichen versehen werden.

Wenn man die Argumentation jedoch umdreht, zeigt sich noch deutlicher, wie widersprüchlich das Ganze ist: Wenn sich der
Mensch wirklich über das Tierreich erhebt (unter der Annahme, dass wir Tieren überlegen sind), dann müsste hieraus ein komplett anderes Verhalten resultieren. Während Tiere nämlich instinktgesteuert handeln (Beispiel: Wolf reißt Schaf, weil er Hunger hat, ohne sein Handeln zu
reflektieren) verfügen Menschen über die Fähigkeit, ihr Handeln in einen ethisch-moralischen Kontext zu stellen. Der Mensch ist also im Gegensatz zum Löwen oder zum Wolf in der Lage, seine Triebe kanalisieren und unterdrücken zu können. Diese Fähigkeiten sind letztlich die Basis
einer funktionierenden Gesellschaft und eines Rechtsstaats, denn wenn jeder immer grade das täte, was er möchte, würde unser System nicht funktionieren. Die Tatsache, dass der Mensch hierzu in der Lage ist, erlegt uns aber auch besondere ethische Ansprüche auf. Mit dem Wissen,
dass der Konsum von tierischen Lebensmitteln zu unfassbarem Leid der sog "Nutztiere" führt, kann man, wenn man dem moralischen Handlungsstrang folgt, eben nicht mehr "einfach so weiter machen".Das Empfinden von Leid, Schmerz und Trauer ist im Tierreich ähnlich ausgeprägt wie beim
Menschen, so dass sich jegliche Ausrede erübrigt. Argumente wie "die Tiere kennen das doch nicht anders" sind daher obsolet. Wer sich mit der Thematik auseinandersetzt, kann mittlerweile argumentativ klar und schlüssig darlegen,dass die Menschen in den westlichen Industrieländern
nicht auf den Konsum tierischer Lebensmittel angewiesen sind. Somit fällt auch das allerletzte Argument weg. Bis auf wenige Ausnahmen (Menschen, mit bestimmten Erkrankungen) ist eine flächendeckende vegane Ernährung möglich. Tierhaltung im großen Stil ist damit nicht mehr nötig.
Wer trotzdem daran festhalten möchte, kann am Ende nur ein nicht widerlegbares Argument stehen lassen: Egoismus! Wir als Gesellschaft müssen dann aber entscheiden, wie viel Egoismus wir zulassen wollen, wenn dieser Egoismus mit Schmerz und Leid anderer Lebewesen verbunden ist.
Diese Frage muss zunächst einmal jeder für sich beantworten. Politik kann Strukturen schaffen doch die ethische Grundfrage bleibt jedem Menschen selbst überlassen. Sollte eine Gesellschaft mehrheitlich entscheiden, dass das Leid von Tieren weniger wert ist als der kulinarische
Genuss oder das bloße Gefühl "das lass ich mir nicht nehmen", dann lässt dies tief blicken. Deshalb hat Veganismus nichts, aber auch wirklich gar nichts mit moralischer Selbstüberhöhung zu tun. Veganismus ist vielmehr das Aufzeigen einer nicht geklärten ethischen Grundsatz-
Diskussion, die wir aber dringend führen müssen. #goVegan #Landwirtschaft #vegan #Fleisch

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