Thread by @lawen4cer

Wer meine Tweets regelmäßig liest, dem dürfte nicht entgangen sein, dass in meiner TL regelmäßig zähe und erbitterte Definitionen um das Thema trans Identität, #transrechte und Geschlechterzuordnung stattfinden. Um endlose Wiederholungen zu vermeiden, dazu nun der folgende 🧵

Zunächst einmal: Ich bin weder selber betroffen noch sehe ich mich dazu als Aktivist. Ich blicke daher eher rechtlich auf das Thema. Es ist für mich spannend weil es grundlegende gesellschaftliche Fragen berührt.

Bei Diskussionen über die Frage der Zuordnung von Geschlecht und Änderung des Geschlechtseintrages gibt es eigentlich gar nicht so viele grundlegende Argumente. Daher ist es faszinierend dass Leute in meiner TL darüber literaly wochenlang streiten können ohne sich weiterzubewegen

Im Zentrum steht dabei zunächst regelmäßig die Frage, ob "die Biologie" der maßgebliche Faktor für die Zuweisung von Geschlecht durch die Gesellschaft sein muss.

Daraus erwachsen dann noch spannende Teildisskussionen, wieviele biologische Geschlechter es überhaupt gibt und ob trans nicht auch irgendwie biologisch ist. Das können wir hier aber ausklammern denn:

Wir sind als gesellschaftlich nicht an "Biologie" gebunden. Wirklich nicht. Das für mich beste Beispiel ist die Elternschaft. Wir können Elternschaft biologisch exakt zuordnen. Trotzdem kennen wir als Gesellschaft auch nichtbiologische Elternschaft (Adoption). Weil wir das wollen

Biologie und Natur hindert uns bei der Zuweisung von gesellschaftlichen Rollen an gar nichts. Viele gesellschaftliche Rollen sind ohnehin von uns ohne biologische Vorgabe geschaffen.

Wir können also festhalten: Es liegt alleine an uns zu definieren, wen wir als Gesellschaft als "Mann" und "Frau" anerkennen wollen. Biologie ist kein Argument.

Die Gegenargumente der Biologiefraktion sind oft auch nur eine Neuaufguss der Argumente die früher gegen Homosexualität ins Feld geführt wurde. Auch hier wurde mal vertreten diese sei "wider die Natur".

Das Argument als Gesellschaft nicht an Biologie gebunden zu sein ist aus meiner Sicht bisher auch durch kein Gegenargument widerlegt. Das Einzige was hier ins Feld geführt wird, ist die angebliche Gefahr des Missbrauches entsprechender Rechte.

Da landet man dann regelmäßig bei den drei Themen "Frauensauna"
"Gefängnis"
"Spitzensport"

Das sind jetzt aus meiner Sicht nicht unbedingt gesellschaftliche Kernbereiche von solcher Wichtigkeit, dass sie dem Konzept der freien Wahl des gesellschaftlichen Geschlechtes entgegenstehen würden.

Um es hier kurz zu machen: Missbrauch von Freiheit ist immer möglich. Erlaube ich als Gesellschaft den Verkauf von Küchenmessern wird irgendwer auch jemanden damit erstechen. Rechtfertigt das ein Küchenmesserverbot? Nein.

Erlaube ich als Gesellschaft den privaten Besitz von PKW werden Menschen dieses Recht missbrauchen und damit absichtlich andere Menschen umfahren und verletzen oder töten. Rechtfertigt Das ein generelles Autoverbot? Nein.

Es kommt daher (wie immer) auf eine Abwägung der wechselseitigen Interessen an. Und darin sind viele Menschen recht schlecht.

Mein Interesse nicht von jemandem mit einem Küchenmesser erstochen zu werden ist maximal hoch und das Schutzgut Leben auch. Trotzdem lässt sich damit kein Verbot von Küchenmessern durchsetzen.

Soll das heißen trans Menschen sind wie Küchenmesser oder Autos? Nein, es bedeutet dass eine Abwägung nicht alleine über die Betrachtung einer Interessenseite erfolgen kann.

Für die angesprochenen Sonderbereiche Sauna, Gefängnis und Sport muss man vielleicht Einzelregelungen finden, aber falls das nicht möglich ist, sehe ich hier kein überwiegendes Interesse gegen das Konzept der freien Wahl des Geschlechtes.

Persönlich glaube ich übrigens nicht daran, dass künftig reihenweise Männer ihren Geschlechtseintrag ändern, nur um dann endlich nackte Frauen in der Sauna zu sehen oder auf dem Frauenparkplatz der Firma parken zu dürfen.