Das Drei-Phasen-Modell der #Anschlusszusage funktioniert nur, wenn die Länge der Phasen so bemessen wird, dass jede ihren Zweck erfüllen kann. Werden einzelne Phasen zu lang bemessen, droht eine #Zweckentfremdung. Das Risiko besteht besonders für die #Orientierungsphase. 1/20
Deshalb lohnt es sich, noch einmal einen Blick auf den Zweck der #Orientierungsphase zu werfen. Die Orientierungsphase soll im Drei-Phasen-Modell nach Abschluss der Promotion folgen und in die #Entwicklungsphase münden. Sie schlägt die Brücke zwischen Pre- und PostDoc. 2/20
Dem Namen nach könnte die #Orientierungsphase aus dem giftigen Vokabular der Kategorie: Nachwuchs stammen. Es klingt ein bisschen nach dem ahnungslosen Wissenschaftler, der völlig überrascht von seiner plötzlichen Promotion erst einmal Orientierung finden muss. 3/20
Die Realität ist anders: Promovierte sind etablierte Wissenschaftler*innen, die sich nahtlos in die #Entwicklungsphase stürzen könnten, um dort freiverantwortlich Forschung und Lehre voranzutreiben. Doch was passiert, wenn gerade keine Stelle mit Anschlusszusage frei ist? 4/20
Um zu verhindern, dass die Suche nach einer Stelle in der #Entwicklungsphase zwingend auf ALG 1 stattfindet, soll die #Orientierungsphase einen Transit zwischen PreDoc und #Entwicklungsphase ermöglichen. Ich war deshalb kurz davor, sie "Transitionsphase" zu nennen. 5/20
Doch das wäre verkürzt: Auch die #Orientierungsphase dient der wissenschaftlichen Tätigkeit! Einerseits kann es sein, dass in der PreDoc-Phase begonnene Projekte abgeschlossen werden sollen. Warum soll das in der Postdoc-Phase stattfinden und nicht schon in der PreDoc-Phase? 6/20
Die Antwort darauf steht in Zusammenhang mit dem Hochschulföderalismus. Der Bund kann nicht festlegen, wann die Promotion abgeschlossen ist. Die Voraussetzungen, Anforderungen und der Zeitpunkt der Promotion sind Ländersache. Diese treffen kaum präzise Regelungen. 7/20
Wenn die universitäre Promotionsordnung und das Landesrecht zum Promotionszeitpunkt schweigen, ist auf den Zeitpunkt er Disputation abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Promotionsschrift – in den Geisteswissenschaften – regelmäßig noch nicht veröffentlicht. 8/20
Diese große Aufgabe steht also noch bevor, obschon die PreDoc-Phase rechtlich vorbei ist. Dem könnte man begegnen, indem man die Disputation möglichst hinausschiebt und schon „alles vorbereitet“ sowie weitere Forschungsvorhaben abschließt, bevor man zur Disputation antritt. 9/20
Dieser teils bereits zu verzeichnende Trend geht zulasten von #IchbinHanna: Sie würde später promoviert werden und könnte weitere Forschungsergebnisse nicht als Dr. publizieren. Warum soll sie dann nicht in der #Entwicklungsphase publizieren? 10/20
Dazu müsste sie erst einmal (unmittelbar) eine solche Stelle ergattern. Darüber hinaus kann es sein, dass #IchbinHanna gar nicht Hanna bleiben möchte, sondern in die Wirtschaft gehen will. Auch ihr soll nicht verwehrt werden, die Projekte der PreDoc-Phase abzuschließen. 11/20
Gleiches gilt für #IchbinHanna und #IchbinReyhan, die ins Ausland wollen. Bewerbungen auf Auslandsstellen in der PostDoc-Phase setzen meist die Promotion voraus. Die Laufzeit der Bewerbungsverfahren will überbrückt werden. Ein Transitbedarf, der nicht ALG1 bedeuten soll. 12/20
#IchbinHanna, die dauerhaft in der Wissenschaft bleiben will, kann sich in der #Orientierungsphase auf die #Entwicklungsphase vorbereiten: Sie kann Forschungsprojekte und Lehrkonzepte ausarbeiten, mit denen sie sich auf Stellen für die #Entwicklungsphase bewerben kann. 13/20
Die #Orientierungsphase als Vorbereitung der #Entwicklungsphase. Der Anstoß neuer Forschung ist nicht mehr nur rückwärtsgewandt (als Transit etwa im Aufgabenkreis der PreDoc-Phase#IchbinHanna orientiert sich in die Zukunft ihrer Forschung und Lehre. 14/20
Die aufgezählten Zwecke haben gemeinsam: Sie stellen einen vorübergehenden Bedarf dar. Dem muss die Laufzeit der #Orientierungsphase Rechnung tragen: Die #Orientierungsphase muss „vorübergehend kurz“ sein. 15/20
Verlängert man die Orientierungsphase über den vorübergehenden Bedarf hinaus, droht die Möglichkeit der #Zweckentfremdung. Das zeigt sich an den Forderungen der Hochschulen. Sie versuchen, eine #Orientierungsphase durchzusetzen, die nirgendwohin führt. 16/20
Ist die #Orientierungsphase lang genug, um mit den Beschäftigten den Hochschulbetrieb aufrecht zu erhalten, auch wenn man sie nach dem Ende der #Orientierungsphase rausschmeißt, verfehlt sie ihren Zweck für die Beschäftigten. Dann dient sie nur noch den #Befristungsjunkies. 17/20
Deswegen wäre ein Modell mit vierjähriger #Orientierungsphase zum Scheitern verurteilt. Das WissZeitVG war ebenfalls so konzipiert, dass nach der PostDoc-Phase Dauerstellen entstehen sollten. Sind sie entstanden? Nein – weil die Befristungsmöglichkeit zu weit gefasst war. 18/20
Emmy Noether, Juniorprofessur u.ä. haben die Fehler dieses Systems nur verstärkt: Statt dauerhafte Beschäftigungsperspektiven zu schaffen, bieten sie vermeintliche Rettungsanker, an denen sich #IchbinHanna zeitweise festklammern kann. Aber wir wollen Dauerperspektiven. 19/20
Um Dauerperspektiven zu schaffen, muss #Zweckentfremdung vermieden werden. Das bedeutet: Die Dauer der #Orientierungsphase muss auf die notwendige Zeit zur Orientierung beschränkt werden. Keinesfalls länger als 2 Jahre. Dann muss die verbindliche #Entwicklungsphase folgen 20/20
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Das Eckpunktepapier des BMBF zur Reform des WissZeitVG ist ein Grund, meinen erholsamen (#DiehellenDinge) Urlaub zu unterbrechen und mit diesem Thread 🧵einer näheren Betrachtung zu unterziehen – Spoiler, ein harter Ritt: 1/x
Unmittelbar offenbart sich eine bezeichnende Spreizung zwischen erklärter Zielsetzung und avisierten Reformen. Nichts von „klaren Entfristungsperspektiven“ und „unbefristeter Beschäftigung“. Die „wissenschaftliche Qualifizierung“ soll nur in der Begründung Raum bekommen. 2/x
Dies fordert die juristische Methodenlehre: Ist der Wille eines nicht gesetzesändernden Gesetzgebers überhaupt beachtlich? Gesetzesauslegung ist Aufgabe der Justiz, während Rechtssetzung Aufgabe der Legislative ist. Geltendes Recht nur umzuinterpretieren – das ist Neuland. 3/x
Das Schmankerl zur Arbeitszeiterfassung ist da: BAG, Beschluss vom 13.09.2022 - 1 ABR 22/21. Und ich habe nicht zu viel versprochen: Das BAG verpflichtet (!) bundesweit branchenunabhängig zur Arbeitszeiterfassung. bundesarbeitsgericht.de/sitzungsergebn…
Die Verflichtung ergibt sich nicht aus der GRCh, sondern aus der Arbeitszeitrichtlinie, lässt demnach grds. gesetzliche Ausnahmen zu. Solche sind bisher nur in 18 ff. ArbZG geregelt (und beschränken sich auf leitende Angestellte, die Kirchen und hoheitliche Aufgaben).
Die Arbeitszeit muss nicht nur gemessen, sondern Beginn und Ende überprüfbar aufgezeichnet werden. Es reicht nicht aus, den Arbeitnehmer*innen die Option zur Arbeitszeiterfassung (freiwillig) zu eröffnen.
BAG, Beschluss vom 13.09.2022 - 1 ABR 22/21: Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.
Der Volltext liegt noch nicht vor, allerdings eine PM. (1/x)
Die Vorinstanz sah dies noch anders: Das LAG Hamm, Beschluss vom 27.07.2021 – 7 TaBV 79/20 = NZA-RR 2021, 602, 603 Rn. 49 erachtete europarechtliche Vorgaben noch als nicht streitentscheidend, sah es doch ein Initiativrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
Das Bundesarbeitsgericht hob diese Entscheidung auf: Ein Initiativrecht des Betriebsats und Regelungsmöglichkeiten mittels Betriebsvereinbarung (genauso wie mit Dienstvereinbarung) besteht nur, soweit das Gesetz keine zwingenden Vorgaben macht (3/x).
Das @BMBF_Bund behauptet in seiner Stellungnahme vom Sonntag, Befristungen seien für Qualifikationstätigkeiten auch in der freien Wirtschaft Alltag. Damit liegt das @BMBF_Bund grob daneben. Ein Thread zur rechtlichen Einordnung #IchbinHanna (1/x)
In der freien Wirtschaft gibt es dem wissenschaftlichen Bereich vergleichbare Qualifikationstätigkeiten nicht. Sofern in der Wirtschaft zur Qualifikation beschäftigt wird, liegt entweder ein Ausbildungsverhältnis i.S.d. 3 ff. BBiG, eine duales Studium oder ein Praktikum vor. (2/x
Die Berufsausbildung findet befristet statt. Die Laufzeit der Befristung ist jedoch eng an die Ausbildungsdauer geknüpft. Gem. 21 Abs. 1 BBiG endet die Ausbildung mit dem Ablauf der Ausbildungsdauer. Eine Kündigung ist nur sehr beschränkt (22 BBiG) möglich. (3/x)