Thread by @mjoukov

Kam der #Blackout? Wurde der Strom „dreckiger“? Das wurde bekanntlich vor der Abschaltung der letzten drei deutschen AKW vorhergesagt. Wir haben nun Anfang Mai, die Daten zur Stromversorgung des vergangenen Aprils liegen nun komplett vor. 🧵

Dazu gibt es ein Video mir, aber wer es lieber lesen mag, möge dem Thread folgen. Wer sich mit dem Thema beschäftigt hat, wird sich erinnern: Mondzahlen von 15 bis 70 Mio. Tonnen zusätzliches (!) CO2 jährlich haben vor dem #AKW-Aus die Runde gemacht. 🧵

Nun, schauen wir uns die April-Bilanz mal an.
Die Kurzfassung: dass es keinen Blackout gab, konnten wir nun alle beobachten. Aber auch der CO2-Abdruck des Stroms ist gefallen, nicht, wie herbeigeredet, gestiegen. 🧵

Laut dem Portal Electricity Maps wurde im April 2022 noch 440 Gramm je kWh im deutschen Netz ausgestoßen, und im April 2023 waren es 394 Gramm. Auch 394 Gramm sind zu viel, und die Dekarbonisierung muss weiter gehen! ABER: 🧵

Die Zahlen bedeuten, dass gut 2 Millionen Tonnen weniger CO2 ausgestoßen wurden. Noch einmal festgehalten: statt bis zu 6 Mio. Tonnen mehr, wie vorhergesagt, 2 Mio. Tonnen weniger. 🧵

Also ist mal wieder das genaue Gegenteil dessen eingetreten, wovor etliche Panikmacherinnen und Panikmacher warnten. Das war die Kurzfassung. Es lohnt sich allerdings durchaus, die Daten im Detail anzuschauen. 🧵

Auch zur Langfassung gibt es auch ein Video , aber wer lieber liest: wir waren bei der Feststellung, dass im nun zu Ende gegangenen April weder ein Blackout eintrat noch der CO2-Abdruck des Stroms im Deutschland gestiegen ist.🧵

Der CO2-Abdruck dieser sank ganz im Gegenteil um über 10%. Aber was tat sich nun genau im heimischen Netz? Vorab der Hinweis: ich habe zur Visualisierung die Daten von Electricity Maps verwendet🧵

Die dort verwendete Methodik finde ich fragwürdig, weil sie die nicht zwischen Braun- und Steinkohle, nicht zwischen KWK und reinen Kraftwerken unterscheidet und bei AKW sehr günstige Werte annimmt und auch, weil sie Eigenstromverbrauch komplett unter den Tisch fallen lässt.🧵

Aber die Berechnung des jeweiligen CO2-Abdrucks ist überaus nützlich, und da vor allem Atomfreunde fast ausschließlich Daten von Electricity Maps nutzen, wollte ich eine Debatte über die Quelle abkürzen.🧵

Im April 2022 wurden in Deutschland 40,5 Milliarden Kilowattstunden (also TWh) verbraucht. Davon kamen 2,9 aus den AKW; die Kohle war mit 12,5 TWh die wichtigste Quelle. Im April 2023 waren die AKW die ersten zwei Wochen im Streckbetrieb, und seither nicht mehr am Netz. 🧵

Also, wurden diese 1,9 TWh weniger Atomstrom, wie so gerne vorhergesagt wurde, 1:1 durch Strom aus Kohle, Gas und Öl ersetzt? 🧵

Weit gefehlt! Im April 2023 war Windkraft die wichtigste Quelle, und nicht länger die Kohle, die Erzeugung aus Kohle ging um 3 TWh zurück, Öl und Gas blieben stabil. Der Gesamtverbrauch sank um rund 2%.🧵

Wobei dazu kommt, dass die Nutzung des Eigenstroms immer stärker wird, und diese Mengen nicht mehr im öffentlichen Netz transportiert werden. 🧵

Und, gestattet es mir, im Folgenden werde ich auf einige argumentative Strohmänner eingehen, sowie auf vermeintliche Erwiderungen, die allerdings nichts erwidern. 🧵

a) es wird behauptet, nun hänge Deutschland vom Stromimport ab. Die Exporte und Importe an Strom sind allerdings so gut wie ausgeglichen, im April2023 kam es zum Netto-Import von rund 20 GWh. Das sind 0,05% des Bedarfs. 🧵

An einem Bild verdeutlicht: sechs volle Wasserflaschen, und davon ein Teelöffel. Mit Verlaub, „Abhängigkeit“ liest sich deutlich anders! 🧵

Aber selbst, wenn es anders wäre, wenn es sogar 5% wären – der europäische Stromhandel findet seit Jahrzehnten statt. Es kann ohne weiteres wirtschaftlicher sein, Strom zu importieren, wenn der woanders nicht benötigt wird, als mehr Kraftwerke in Deutschland anzuwerfen.🧵

Abhängigkeit würde entstehen, wenn Deutschland, zumindest zeitweise, nicht genügend Kraftwerkskapazität hätte, welche kurzfristig angeworfen werden kann. Würde – aber das ist längst bei weitem nicht der Fall, zu jeder Zeit könnten mehr Kraftwerke ans Netz gehen. 🧵

b) es wird behauptet, dass Deutschland die Stromimporte teuer bezahlen müsste. Der Stromhandel funktioniert aber so, dass man das im Ausland kauft, was man selber im Zweifel teurer erzeugen würde. Daher: nein, es wird durch Importe gespart. 🧵

c) aber Deutschland importiere jetzt Atomstrom, wird skandalisiert! Nun, natürlich steckt in jedem Stromimport aus einem Land mit AKW auch der entsprechende Anteil Atomstrom drin, und bei Frankreich sogar ein entsprechend hoher. 🧵

Nur: im April haben wir rund 400 GWh mehr nach Frankreich exportiert, als von da bezogen, „Dann kommt unser Strom aus Frankreich“ ist und bleibt leeres Geschwätz. 🧵

d) aber man hätte erst aus der Kohle, und dann aus Atom aussteigen können, nicht umgekehrt, man hätte die vermeintlich günstige Stromerzeugung aus Atom nutzen sollen, um solange die Erneuerbaren voranzubringen, wurde nun behauptet. 🧵

Diese Behauptung verkennt die ablehnende, bis offen feindselige Haltung der AKW-Betreiber zu den Erneuerbaren! (zweiter Thread kommt)🧵

Solange es eine Perspektive für AKW-Laufzeitverlängerung gab, wurde der Ausbau erneuerbarer sabotiert. Mal offen mit Sprüchen wie „jede Windmühle ist ein Anschlag auf den gesunden Menschenverstand“; 🧵

mal mit Zeitungsanzeigen, die behauptet haben, mit mehr als 5% Ökostrom im Netz würde das Netz zusammenbrechen, oder durch Unterstützung für Vereine wie „Vernunftkraft“, die jahrelang mit nachweislich falschen Zahlen gegen Windkraft argumentiert haben. 🧵

Fakt ist: die EnBW hatte, bevor die GRÜNEN in BW an die Regierung kamen und den Umbau begonnen haben, gerade mal 1,4% ihres Stroms mit Windkraft hergestellt. Ohne den Druck des Ausstiegs wären wir nicht viel weiter. 🧵

Aber mehr noch: kein Antrag auf die Laufzeitverlängerung, der seit 2009 im Parlament gestellt wurde, hatte Vorgaben zum Kohleausstieg, nicht ein einziges Gramm Kohle hätte dadurch weniger verbrannt werden sollen! 🧵

Und eine der lautesten pro-Atom-Stimmen, die nun mit Kohleausstieg statt Atom kommt, warb vor gar nicht so langer Zeit für eine Einheitsfront derAKW-Betreiber, der dort Beschäftigten sowie der Kohlebeschäftigten gegen die Erneuerbaren. 🧵

Es mag sein, dass es in anderen Staaten anders wäre – in Deutschland war und ist der Atomausstieg eine zwingende Voraussetzung für den Ausbau Erneuerbarer, und nur diese macht auch den baldigen Kohleaussieg möglich. 🧵

e) Einen Einwand lasse ich ausdrücklich gelten – dass der Vergleich von nur einem Monat halb Streckbetrieb und halb Ausstieg nicht genügend aussagen würde, und dass die Zukunft anders kommen würde, als nur der April. 🧵

Es ist nicht meine Art, zu meinen, genau zu wissen, wie die Zukunft läuft, spart die Peinlichkeit, erklären zu müssen, warum es dann ganz anders kommt. 🧵

Gerne können wir weiteren Zeitverlauf abwarten. Die Fairness würde aber erfordern, bis dahin nicht jeden Tag zu behaupten, dass zig Millionen Tonnen CO2 mehr ausgestoßen würden – wie erklärt, die Daten geben es schlicht nicht her. 🧵

Daher: an Fakten orientieren, nicht jedes Schauermärchen glauben, dafür umso mehr den Erneuerbaren vertrauen, sie haben gezeigt, was sie können! In diesem Sinne – bis zur Mai-Auswertung. 🧵