Eine 53-jährige Patientin stellt sich wegen Juckreiz beim Duschen bei einem Hautarzt vor. Dieser nimmt Blut ab und stellt fest, dass die Zahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) deutlich zu hoch ist.
Mit der Diagnose "aquagener Pruritus" erfolgt dann eine Überweisungen zum Hämatologen.
Die Patientin wirkt sportlich, berichtet aber, anderthalb Jahre zuvor einen Schlaganfall unklarer Ursache erlitten zu haben. Zum Glück sind nur wenige Einschränkungen zurückgeblieben.
Der Verdacht liegt nahe, dass es eine Erklärung für all diese seltsamen Befunde gibt und so ist es auch. Als erster Schritt wird eine molekulargenetische Analyse auf eine sogenannte JAK2-Mutation durchgeführt.
Es findet sich eine klassische V617F-Mutation.
Die Patientin hat eine myeoloproliferative Neoplasie, speziell eine Polycythemia vera.
Wer bis hierhin gefolgt und nicht an den komplizierten Fachbegriffen gescheitert ist, hat eines der interessantesten, aber auch eigenartigsten Kapitel der Hämatologie aufgeschlagen.
Was haben Juckreiz, Schlaganfall, dickes Blut und Mutationen miteinander zu tun?
Normalerweise lebt ein rotes Blutkörperchen etwa 120 Tage und wird dann in der Milz abgebaut. Verbrauch und Neubildung werden eng reguliert. JAK2 ist einer der molekularen "Schalter" dabei.
Bei einer Mutation ist der Schalter ständig aktiviert und es kommt zu einer unkontrollierten Blutbildung. Das Blut wird zu dickflüssig (manchmal werden über 60% der Blutbestandteile, der sogenannte Hämatokritwert, von Blutkörperchen eingenommen) und verursacht den Juckreiz
beim Duschen. Aber auch Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Thrombosen. Unbehandelt verläuft die Erkrankung im Schnitt nach anderthalb Jahren tödlich.
Die Therapie ist archaisch. Mit regelmäßigen Aderlässen (jeweils 300 bis 500 ml) wird das Blut verdünnt.
Zusätzlich wird ASS eingesetzt. Damit liegt die Lebenserwartung im Bereich von Jahrzehnten. Mit einer Leukämie hat die Erkrankung wenig zu tun. Sie kann aber im Verlauf von Jahren bis Jahrzehnten durch zunehmende Vernarbung (Fibrose) des Knochenmarks in einer akuten Leukämie
münden.
Zu den myeoloproliferativen Neoplasien gehören noch weitere Erkrankungen mit seltsamen Namen wie die chronische myeloische Leukämie, die essentielle Thrombocythämie und die primäre Myelofibrose, aber dazu an anderer Stelle und demnächst mehr.
DocOnco out. 🦀
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Ein Patient erhält aufgrund einer metastasierten Darmkrebserkrankung mit einer sogenannten Mikrosatelliteninstabilität (MSI high) eine Immuntherapie mit dem Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab.
Nach 4 Pembrolizumab-Infusionen muss die Behandlung wegen ausgeprägter Nebenwirkungen abgebrochen werden. Eine überschießende Immunreaktion führt zu schweren entzündlichen Hautveränderungen der Hände und Füße. Zusätzlich kommt es zu einer Schilddrüsenunterfunktion.
Erst hochdosiertes Kortison schafft es, dass Immunsystem zu bändigen und die Haut bessert sich langsam.
Trotz der nur kurzen Therapiedauer bilden sich die Metastasen fast vollständig zurück. Und dieses Ansprechen ist bei dem Patienten von Dauer.
Bei Frau A. wurde vor einem Vierteljahr Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Leider hatte der Tumor schon in Lunge und Knochen gestreut.
Beim Erstgespräch sagte Frau A. sehr bestimmt, dass Lebensqualität und nicht mehr Lebenszeit für sie wichtig wäre.
Zu diesem Zeitpunkt standen Schmerzen durch eine Wirbelkörpermetastase im Vordergrund. Mit einem starken Opiatmedikament und einer Bestrahlung wurden die Schmerzen im Verlaufe einiger Wochen deutlich besser.
Wir begannen eine palliative Chemotherapie mit zwei Medikamenten (Gemcitabin und nab-Paclitaxel). Übelkeit und Verstopfung waren ein großes Problem. Bei jedem Besuch hatte Herr A., der seine Frau stets begleitet, ein lange Liste mit vielen Fragen dabei.
Ein 71-kähriger Mann bemerkt schon eine ganze Weile Veränderungen beim Stuhlgang. Schließlich wird eine Enddarmspiegelung (Rektoskopie) vorgenommen und ein Enddarmkrebs fast am Schließmuskel diagnostiziert. Ein sogenanntes Rektumkarzinom.
In den weiteren Untersuchungen scheinen auch die umgebenden Lymphknoten befallen zu sein. Eine Metastasierung in andere Organe ist aber nicht nachweisbar. Nach interdisziplinärer Besprechung in der Tumorkonferenz empfiehlt man der Patientin eine "totale neoadjuvante Therapie".
Über 4,5 Monate erhält die Patientin eine Chemotherapie (9x FOLFOX). Danach wird das Rektumkarzinom. bestrahlt (5x5 Gy).
Normalerweise würde sich in dieser Situation eine Operation anschließen und angesichts der Beteiligung ein künstlicher Darmausgang (Stoma) notwendig werden.
Die klassische Chemotherapie unterscheidet nicht zwischen gesunden und Krebszellen. Entscheidend für die Wirkung ist die gesteigerte Zellteilung bei Tumoren. Daher ist die Medikamentendosis limitiert. Ansonsten werden Nebenwirkungen zu stark.
Paul Ehrlich hat im Jahr 1900 den Begriff "Zauberkugel" für Medikamente geprägt, die Krankheitserreger im Menschen abtöten, ohne ihm zu schaden. Ähnliche Zauberkugeln wären auch in der Onkologie wünschenswert.
Das Paradebeispiel ist das Philadelphia-Chromosom bei der chronischen myeloischen Leukämie (CML). Hier bildet sich durch Chromosomenumlagerung (Translokation) das neue Gen bcr-abl, welches eine unkontrollierte Zellteilung bewirkt.
Neben Chirurgie und Bestrahlung ist die älteste Säule der Krebsbehandlung die Chemotherapie mit Zytostatika.
1971 wurde in den USA der "War on Cancer" ausgerufen. Auch die ersten Chemotherapeutika hatten mit Krieg zu tun. Ihren Ursprung haben sie vom Senfgas.
Weiterentwicklungen dieser chemischen Kampfstoffe werden als sogenannte Alkylantien bis heute verwendet. Beispiele hierfür sind Cyclophosphamid, Melphalan oder Bendamustin. Die letztere Substanz wurde übrigens in der DDR entwickelt und ist bis heute weltweit im Einsatz.
Alkylantien übertragen Alkylgruppen in die DNA und führen so zu einer Störung der DNA-Verdopplung und behindern damit die Zellteilung, z. B. von Krebszellen.
Das Wirkprinzip von Zytostatika beruht darauf, dass Krebszellen sich zum einen schneller als Körperzellen teilen und
Wie diagnostiziere ich eigentlich eine Blutarmut aufgrund von Eisenmangel (Eisenmangelanämie)?
Entscheidender Parameter ist der Hämoglobin-Wert (Hb-Wert). Hämoglobin ist als roter Blutfarbstoff Hauptbestandteil der Erythrozyten, der roten Blutkörperchen.
Die roten Blutkörperchen sind deswegen rot, weil sie Eisen enthalten. Dies ist für ihre Hauptfunktion, nämlich den Transport von Sauerstoff zu unseren Geweben unerlässlich.
Erythrozyten sind übrigens die häufigsten Zellen des menschlichen Körpers. Jede Sekunde werden zwei Millionen davon neu gebildet. Und sie können unterschiedlich groß (MCV-Wert) und unterschiedlich viel Hämoglobin enthalten (MCH-Wert).