Ergänzend hierzu möchte ich Auszüge aus der aktuell gültigen Leitlinie zu „funktionellen Körperbeschwerden“ (FKB) zitieren, in welcher #Fibromyalgie, #Reizdarmsyndrom und #MECFS als die drei großen funktionellen (=psychosomatischen oder somatoformen) Syndrome beschrieben werden.
Die Empfehlungen zur Diagnostik/ Diagnosestellung von FKB basieren nicht auf einer für S3-Leitlinien erforderlichen systematischen Evidenzbewertung, sondern auf einem Expertenkonsens. Es werden keine Untersuchungen/Tests genannt, anhand derer FKB diagnostiziert werden können.
Sofern der Arzt (üblicherweise der Hausarzt) anhand „Anamnese und Untersuchungsbefund keine Hinweise für abwendbar gefährliche Verläufe bekannter körperlicher oder psychischer Erkrankungen„ (S. 21) findet, …
… soll er auf Grundlage von Anamnese und seiner subjektiven Einschätzung des Patientenverhaltens die Diagnose „Funktionelle Körperbeschwerden“ stellen.
Zur Diagnosestellung werden (u.a.) folgende Empfehlungen gegeben:
S. 9: „Funktionelle Körperbeschwerden sind häufig und vielgestaltig. Erwägen Sie daher frühzeitig die Möglichkeit, dass die von den Patienten vorgetragenen Beschwerden funktioneller Natur sind.“
S. 13: „Man kann grob sagen, dass im allgemeinmedizinischen Setting etwa ein Drittel aller Beschwerden funktioneller Natur sind.“
S. 18: „Verhalten und Ausdruck der Patientin können wichtige Hinweise auf das subjektive Krankheitserleben geben,…
… achten Sie deshalb sowohl im Gespräch als auch während der körperlichen Untersuchung auf das Verhalten der Patienten (z. B. ängstliche Vermeidung von Bewegungen, dramatisierender Beschwerdeausdruck).“
S. 34: „Gerade die Begleitung und Behandlung von Patienten mit funktionellen Körperbeschwerden wird von Behandlern als herausfordernd und zeitintensiv erlebt (Rask et al. 2016, Warner et al. 2017).“
S 38: „Aber auch die medizinischen Fachangestellten…
… empfinden Patienten mit funktionellen Körperbeschwerden (die Häufigkeit ihrer Besuche und Fragen, die Nicht-Nachvollziehbarkeit ihrer Beschwerden, die negative Stimmung im Wartezimmer) oft als „schwierig“ und in den ohnehin oft schon stressigen Praxisabläufen als störend.“
S. 44: „Beobachten Sie auch Ihr eigenes Empfinden: (…) Begleitung und Behandlung von Patienten mit funktionellen Körperbeschwerden selbst werden oftmals von Behandlern als „schwierig“, „anstrengend“ und „frustrierend“ empfunden („heartsink patients“) (Reid et al. 2001; …).“
S. 44: In einer Studie (…) „gaben die befragten Ärzte an, für Patienten mit MUPS (Medically Unexplained Symptoms) zum Teil weniger Empathie und stattdessen vermehrt „negative“ Gefühle (Irritation, Widerstand) bei sich zu bemerken.“
S. 44: „Einige Formen der Beschwerdepräsentation von Patienten (z. B. plastische und gefühlsbetonte Sprache, Beschreibung erheblicher emotionaler und sozialer Beeinträchtigung durch die Beschwerden, Kritik und Verweigerung, …
… Präsentation komplexer Beschwerdemuster, die sich einer Erklärung zu widersetzen scheinen, z. B. auch bei einem vom eigenen deutlich abweichenden soziokulturellen Hintergrund) haben offenbar ein besonderes Potential, Behandler herauszufordern oder unter Druck zu setzen.“
S. 48: „Dysfunktionale Denk- und Verhaltensweisen (z. B. Schon-, Vermeidungs-, Rückzugs- oder Durchhalteverhalten) tragen oft wesentlich zur Beeinträchtigung von Lebensqualität und Leistungsfähigkeit von Patienten mit funktionellen Körperbeschwerden bei.“
S. 49: „Für manche Patienten ist die Krankenrolle trotz aller Nachteile und nicht nur aufgrund von materiellen Vorteilen attraktiv. Manche entwickeln durch die Beschwerden eine neue Identität, z. B. als „tapfere Behinderte“ oder als „Umweltopfer“, …
… mit neuen Aufgabenfeldern und Sozialkontakten.“
S. 57 f: „Betroffene weisen beispielsweise tendenziell (…) einen unsicheren Bindungsstil (anklammerndes, ängstliches, vermeidendes, zurückweisendes oder verstricktes Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen )…
und eine hohe Identifikation mit der Krankenrolle bzw. typisches Krankheitsverhalten auf („illness behaviour“, z. B. Beobachtung des eigenen Körpers oder betonter Ausdruck von Beschwerden).“
S. 58: „Frauen sind sowohl in klinischen Populationen als auch in der Bevölkerung mindestens doppelt so häufig von funktionellen Körperbeschwerden, funktionellen Syndromen und somatoformen Störungen betroffen wie Männer.“
S.60: „Trotz der interkulturell ähnlichen Häufigkeit treten funktionelle und somatoforme Körperbeschwerden (v.a. Schmerzen) bei Menschen mit Migrationserfahrung und Migrationshintergrund…
(einschließlich Angehörige ethnischer Minderheiten, deren Familien seit mehreren Generationen im Land sind), v.a. aber bei Geflüchteten und Asylsuchenden überzufällig häufig auf.“
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Sie haben völlig Recht, dass Maskentragen und Maskenpflicht ganz unterschiedliche Dinge sind.
In dem Cochrane-Review ging es um die Frage, ob das Tragen von Masken dabei hilft, die Ausbreitung des Virus einzudämmen.
Das mit der Wirksamkeit ist allerdings nicht so einfach:
Dazu noch ein Hinweis zu systematischen Reviews allgemein: Hierbei wird nicht in erster Linie bewertet, zu welchem Ergebnis die einzelnen Studien kommen, sondern die möglichen Verzerrungsrisiken. (Wissenschaft sucht nicht nach Beweisen,
sondern fragt nach der Fehlerwahrscheinlichkeit einer Aussage/Hypothese).
Und eine Fehlerquelle kann bereits sein, dass nicht kontrollierbar ist, ob Masken zu 100% korrekt getragen werden. Oder dass man auf Selbsteinschätzungen angewiesen ist. Oder dass man nicht garantieren
Dieser #CochraneReview lässt keinesfalls die Schlussfolgerung zu, dass Masken nicht effektiv sind um die Übertragung von SARS-CoV-2 Viren einzuschränken, nicht einmal die Schlussfolgerung, dass es keine Evidenz zur Wirkung von Masken gibt. Zur Begründung:
In dem Review werden 78 RCTs analysiert, 11 davon wurden in die Analyse bzgl. Übertragung von Viren beim Tragen medizinischer (OP-) Maske vs. keiner Maske einbezogen, nur zwei davon bzgl. SARS-CoV-2 Viren.
Diese beiden Studien kommen zu dem Schluss, dass OP-Masken die Übertragung der Viren effektiv und deutlich reduzieren. science.org/doi/10.1126/sc…