Thread by @Maurice_Conrad

Das Landgericht Berlin hat jetzt den Vorwurf der Nötigung gegenüber einer Blockade der #LetztenGeneration abgewiesen. Man muss den Protest nicht gut finden, aber Tatsache ist, dass es sich dabei erstmal um durch Art 8 GG geschützte Versammlungen handelt. 1/

Und es täte uns allen gut, vielleicht mal einen Gang runterzuschalten. Es stimmt, dass irgendwelche Hobby-Juristen auf Twitter oder Artikel in der BILD-Zeitung den Eindruck vermitteln: Die blockieren, die mag ich nicht, deshalb sind das alle Kriminelle und Nötigung. 2/

Nur wird das aber, auch wenn es ständig wiederholt wird, nicht wahr. Fakt ist, eine Blockade der Letzten Generation IST eine Versammlung. Ob eine Versammlung dem Gebot der Anmeldung unterliegt, wann sie aufgelöst und wann Zwang angewandt werden kann, sind komplexe Fragen 3/

die sich aus dem Grundgesetz, dem Versammlungsgesetz und der Situation vor Ort ableiteten. Der rechtliche Status einer solchen Versammlung ist daher ganz sicher nicht von der Sofa-Couch oder vom Steuer aus beurteilbar. Jeder der euch sowas erzählt, lügt bewusst. 4/

Argumentationen wie „die blockieren den Verkehr, dann ist es Nötigung“ sind ungefähr auf dem Niveau eines 2-Klässlers. Dass Teile de Verkehrs als Nebenwirkung einer Versammlung eingeschränkt werden, ist üblich und qualifiziert ganz sicher keine Nötigung. 5/

Dass Nötigung vorliegt, muss im Einzelfall bewiesen werden und hängt von vielen Faktoren ab. Sitzblockade allein dürfte sich angesichts der Rechtsprechung des BfVG kaum qualifizieren. Aber sicher: Wer an einer Straßenblockade teilnimmt, macht sich möglicherweise strafbar. 6/

Dass das aber durch die bloße Existenz der Straßenblockade und weil man die Leute doof findet, vorliegen würde und dadurch auch das Notwehrrecht quasi trivial wäre, ist eine Märchengeschichte. Urteile wie das jüngste oder zahlreiche aus dem Herbst zeigen, dass lange nicht 7/

jede Anklage wegen Nötigung bei einer LG-Blockade auch tatsächlich eine darstellt. Und auf dieser ganzen quasi trivialen und vermeintlich offensichtlichen Stammtisch-Einschätzung basieren ja ganz andere Dinge: Die Verunglimpfungen als „kriminelle Vereinigung“ so 8/

wie die Begriffe wie „Klima Kriminelle“. Wenn aber offensichtlich die Situation gar nicht schwarz-weiß ist und nach deutschem Recht gar nicht jeder Klimaaktivist der bei der LG blockiert ein „Krimineller“ ist, was tun dann Politiker*innen die das nach Bauchgefühl so sagen? 9/

Wer so in populistischer Tönen von „krimineller Vereinigung“ spricht und nach eigenen Bauchgefühl schon weiß, was alles strafbar ist, darf das gerne sagen.

Aber er zeigt, dass er kein echtes Interesse an einer rechtsstaatlichen Auseinandersetzung damit hat. 10/

Mit der Komplexität unseres Rechtssystems, der Versammlungsfreiheit auf der einen und ihren Schranken anderen hat dieses Getöse schlicht nichts zu tun. Es benutzt Buzzword wie „Recht“ für politische Agitation.

Und ja, auch wenn Hubert aus Bayern das privat anders sieht.

Wie es zu der Entscheidung kam und dass in vielen Fällen durchaus Nötigung vorliegt, kann übrigens beim Tagesspiegel sehr gut nachvollzogen werden: tagesspiegel.de/berlin/gericht…