Thread by @Dr_Emergencydoc

Sommernacht, #Notarzteinsatz, es ist heiß und drückend, durch die weit aufgerissenenen Fenster der Dachgeschosswohnung dringt nur wenig von der angenehm lauen Nachtluft herein. Man hört Grillenzirpen und weit entfernt etwas nächtlichen Straßenverkehr. Schwer atmend stehen zwei

Feuerwehrmänner am Fenster und sammeln sich, ein dritter macht sich bereit, seinen Kollegen abzulösen, der gerade laut zählend rhythmisch eine Herzdruckmassage durchführt. "..8, 9, 10... ...1, 2, 3..."
Bei 10 gebe ich immer einen Beatmungshub ab.
Wir sind alle schweißgebadet.

Seit über 1½ Stunden kämpfen wir um das Leben dieses 48jährigen, alleinerziehenden Familienvater, die 19 und 12 Jahre alten Söhne werden draußen von weiteren Feuerwehrleuten betreut.
Wir haben alles versucht, während der ganzen Zeit gab es keine Reaktion des Herzens. Meine

Ultraschallkontrollen zeigen alle einen stillstehenden Herzmuskel ohne Flimmern oder andere Hinweise für Reaktionen. Eine richtige Ursache kann ich auch nicht finden. Der Mann hat sich einfach an die Brust gefasst und ist im Kinderzimmer umgekippt.
All unsere bisherigen

Medikamente und Maßnahmen waren vergeblich. Während die Feuerwehrleute einen fliegenden Wechsel bei der Herzdruckmassage machen, um die Zeit ohne Blutfluss so gering wie möglich zu halten, spritze ich eine weitere Dosis Adrenalin.
Es tut sich weiterhin nichts. Allmählich steigt

Blut den Beatmungsschlauch hinauf, ein Ausdruck für die massiven Kräfte, die durch unsere Rettungsversuche auf den Mann einwirken, die inneren Organe schädigen. So lange und verbissen habe ich schon länger nicht mehr um einen Menschen kämpfen müssen, aber spätestens jetzt müssen

wir uns eingestehen, daß der Kampf verloren ist.
Ich spreche mit dem Team, keiner hat noch eine Idee oder sieht noch eine Chance. Um kurz nach 1:00 Uhr nachts beenden wir die Reanimation und erklären den Mann für tot.
Wir atmen alle erstmal durch, während Schweiß über unsere

Gesichter läuft und auf unsere klatschnassen T-Shirts tropft.
Ich stehe auf und gehe zum älteren Sohn im Nebenzimmer. So schonend wie möglich versuche ich ihm zu erklären, daß sein Vater nicht mehr lebt, wir nichts mehr für ihn tun konnten. Er bricht zusammen. Sein Wehklagen und

seine verzweifelten Schreie hallen durch das offene Dachfenster in die Nacht hinaus. Was mit dem jüngeren Sohn ist kann ich nicht sehen, er ist mit dem ihn betreuenden Feuerwehrmann im Treppenhaus.
Die wirkliche Todesursache ist unklar, darum ziehen wir die Polizei hinzu, das ist

gesetzlich vorgeschrieben. Zusätzlich alarmieren wir die Notfallseelsorge, die sich der beiden Söhne annehmen. Wir verabschieden uns und machen uns wieder auf den Weg. Ich lasse mein Fenster auf, sauge gierig die kühle Nachtluft ein und merke, wie gut sie mir tut. Ich schließe

die Augen. Unglaublich der Unterschied zur heißen, verschwitzten Dachgeschosswohnung. Mir ist nicht nach reden. Es ist eine warme Sommernacht, und ich grübele noch lange darüber, was jetzt wohl aus den beiden Jungs wird, die in dieser Nacht ihren Halt im Leben verloren haben.