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Aug 25 19 tweets 6 min read Twitter logo Read on Twitter
Für alle die einen ausführlicheren Einblick haben wollen, wie katastrophal schlecht und täterschützend Valentin Moritz Text in #OhBoy auch unabhängig von dem Skandal um ihn ist: Hier eine eine kleine kommentierte Rekonstruktion mit Screenshots
Auf den ersten 7 von 16 Seiten geht gar nicht um Täterschaft. Einstieg und Rahmung des ganzen Textes ist: Valentin Moritz ist ein eher gehemmter, ernsthafter und an sich zweifelnder Mensch/Mann. Glücklich/Frei fühlt er sich fast nur beim Frisbeespielen mit seinem Freund Jan Image
Die nächsten Seiten handeln von einem Urlaub auf Usedom und der jungenhaften Freude die Moritz da mit Jan erlebt hat. Es gibt ein Frisbeetournier und die Abgrenzungsfigur eines Mackers/toxischen Mannes wird eingeführt: "Torsten".
Dann werden ein wenig Männlichkeitsdynamiken beschrieben. Moritz kann sich an die Frauen aus seinem Team (4 von 10) gar nicht mehr erinnern - wer hier einen Set-Up für eine spätere Reflexion von Moritz' sexistische Fixierung auf Männer vermutet, liegt falsch. "Mindestens 4 der 10 Teammitglieder waren Frauen, ich kann mich aber beim besten Willen nur an die Männer von Yee-Haw (der Teamname) erinnern)
Dann folgt die Beschreibung eines Sandburgbau-Contests und weitere Romantisierung von Jan und seiner Burg als "wahr" "vorbildlich", besser als die Konkurrenz - diese Sandburg wird später noch eine wichtige Metapher.

Und trotzdem redet er mit Jan nie über tiefe/belastende Dinge Image
CN Rapeculture Sprache

Auf S.6 erstmals sowas wie Reflexion: Vielleicht ist Jan gar nicht "authentisch" und "einer von den Guten"?! Dann in ekelhaft-verharmlosender Sprache die Frage ob Jan schon mal Frauen sexuell genötigt hat ("auf die Pelle gerückt") Image
Dann fängt Moritz an darüber herumzureflektieren, dass er ja SO viel besser mit Frauen über seine Probleme und Ängste reden kann. Seiner aktuellen Partnerin gegenüber klagt er pathethisch, dass das eine Belastung für sie und andere Frauen ist - keine Pointe Image
Jetzt beginnt der wirkliche "Reflexionsteil" des Textes, der hauptsächlich daraus besteht, dass sich Moritz ganz viele Fragen stellt und dann nie wieder auf sie zurück kommt.

Classic Kritische Männlichkeit: Wer immer sucht, wirkt reflektiert, muss aber nie irgendwo ankommen Image
Nachdem er alle möglichen Themen in den Raum geworfen hat, kommt Moritz dann endlich auf seine Täterschaft zu sprechen. Es geht um "den Torsten in mir". Seine Übergriffigkeit und was er jetzt "Sinnvolles" daraus machen will mit diesem Text Image
CN Sexuelle Gewalt
Dafür lügt er erstmal bei der Beschreibung der Tat. Die Betroffene hat den Fall anders dargestellt als es der Text tut. Der Autor lässt hier aus, dass die Betroffene Widerstand geleistet hat und er diesen gebrochen hat

Quelle: rbb24.de/panorama/beitr…
Image
Das Lüge zu nennen halte ich für richtig, denn dass es sich hier um einen literarischen Fall handelt, dementiert der Autor auf der nächsten Seite eigentlich selbst: Er würde gerne mehr Kontext geben, kann das aber nicht wegen dem "Schutz von Persönlichkeitsrechten" Image
Nachdem es ein wenig darum geht, wie schlecht sich Moritz jetzt mit sich selbst fühlt und wie schwer es ist, darüber zu schreiben, folgt das für mich zentrale Zitat des Textes: Betrügt sich Moritz mit diesem Text nur andere/sich selbst? Ist er/sein Text eine richtige Sandburg?! Oder sind das alles nur die billigen Beteuerungen eines ganz und gar Verdrobenen? Wie soll ich wissen, ob dieser Text ehrlich ist? Ob ich ehrlich bin, selbst wenn ich mich bemühe. Ist auch dieser Versuch des authetischen Schreibens hier bloß Blendwerk und nichts als Fassade? Eben keine echte Kleckerburg – nur eine weitere hohle Attrape am ausgedehnten Strand der männlichen Selbstdarstellung … Frage ich mich
Die Motive des Texts in Reinform: Moritz stellt sich selbst wirklich wichtige Fragen, glaubt aber ganz offensichtlich, dass er die Antworten nicht wissen muss & die Sandburg-Metapher verrät uns, um welche Frage es ihm dabei wirklich geht: Ist er so authentisch-männlich wie Jan?
Die wirkliche Reflexion der Tat ist kaum nennenswert: für Moritz ist der Grund vor allem, dass er seine letzte Trennung nicht gut verarbeitet hat. Andere Motive, die er andeutet (Wut auf Frauen, die Lust am Übergriff selbst) verschwinden dahinter fast komplett. Image
Was bleibt? Moritz redet mit Partnerin, Freund/innen und seinem Therapeuten über die Tat und irgendwie weiß er auch, dass ganz viel Männer Täter sind - wie er.
Reden findet er gut, reden hilft (ihm). Vor allem dabei, sich selbst als Mann zu finden... Image
Moritz macht den Text am Ende rund: Egal ob er ein glücklicher Mensch ist, jetzt wird erstmal mit Jan (das ist der, der vielleicht/wahrscheinlich Frauen sexuell nötigt) Frisbee gespielt und "vielleicht" reden sie auch mal (es scheint egal zu sein über was) Image
Der unerträgliche Kitsch der Frisbee-Metapher verrät wie Valentin Moritz die eigene Männlichkeitsselbstbefragung empfindet: Als aufregendes Abenteuer, als Spiel, als etwas dass IHN nach vorne bringt. Zu viel Kritik und echte Introspektion würden ihn nur davon abhalten...
Es gäbe noch ein paar andere Stellen, aber es ist jetzt schon viel zu lang. Zusammenfassend: Moritz demonstriert in dem Text, wie das Leid von Frauen, höchstens eine spannende Irritation in der Suche von Männern nach sich selbst und "echter" männlicher Nähe ist.
Zum Schluss nur die Erinnerung: Dieser Text ist von Mit-Herausgeber*in und dem Verlag für gut befunden und von der Kritik durchaus gelobt worden, vor dem Skandal. Es ist zum verzweifeln

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Aug 26
Es ist einfach zu krass! Ich bin einiges an Abgründigkeiten aus der Kritischen Männlichkeit-Szene gewöhnt, aber was Donat Blum, Mit-Herausgeber*in von #OhBoy in diesen neuen Interview zur Verteidigung von Valentin Moritz / dem Buch raushaut, ist schlicht misogyn & antifeminisisch Frage: Die Situation eskalierte schliesslich ganz, als Sie auf Instagram auf die Vorverurteilung hingewiesen haben, die dieser Absage zugrunde lag. Warum?  Antwort: In unserer Gesellschaft scheint die sehr binäre, sehr patriarchale Vorstellung vorzuherrschen, dass es auf der einen Seite weibliche Opfer und auf der anderen Seite männliche Täter gibt. Aber wenn wir ehrlich sind, sind Männer statistisch gesehen zwar deutlich öfter Täter. Aber alle sind, egal, welchen Geschlechtes, nicht selten beides – wenn wir physische und psychische Gewalt berücksichtigen. 
Neben dem lächerlichen Verweis auf die "Literarität" des Falls, beschwert sich Blum vor allem, darüber, dass die Betroffene ja anonym geblieben sei und es offiziell rechtlich gar nicht um eine Straftat gehandelt hat. Das ist so abseits jeglicher feministischer Standards... Frage: Donat Blum, seit über einer Woche ist das Buch «Oh Boy» in den Schlagzeilen. Ihrem Kollegen Valentin Moritz wird vorgeworfen, er schildere in seinem Text einen sexuellen Übergriff, obwohl ihn die Frau gebeten habe, dies nicht zu tun. Sie sagen, die Berichterstattung stimme so nicht. Warum?  Antwort: Er hat das, was ihm vorgeworfen wird, nicht getan. Alles beruft sich auf eine einzige Person, die bis heute anonym bleibt. Auf dieser Quelle basierend, hat das Instagram-Gericht ein Urteil gefällt, das dann von den meisten Zeitungen im deutschsprachigen Raum ungeprüft kolportiert wurde: «...
Welcher Mensch, der "queer-feministische Solidarität" ernst nimmt, hält das deutsche Strafrecht für einen Maßstab, ob ein Übergriff begangen wurde?!

Der vage Verweis auf die Beziehungsvorgeschichte und das man ja nicht alles wisse, ist niederträchtig & einfach Rape Culture 101 Entgegen dem, was in der Öffentlichkeit kolportiert wird, «benutzt» Valentin in seinem Text weder den Vorfall jenes Abends, noch hat er – nach der Einschätzung von Fachpersonen – eine Straftat begangen. Mir sind als queer-feministischem Menschen sowohl die Solidarität mit Schwächeren, die queer-feministische Solidarität, als auch der Grundsatz «Nein ist Nein» fundamental wichtig. Von allem, was ich weiss und ich mir so habe versichern lassen, hat Valentin Moritz das Nein der Frau sofort respektiert. Und es gab auch eine Vorgeschichte, die beiden kannten sich schon länger, auch intim. Fakten...
Read 9 tweets
Aug 9, 2022
Gibt ja einiges dazu DASS Transfeindlichkeit oft Überschneidungen mit Antisemitismus hat, aber kennt ihr was dazu, WARUM es den Zusammenhang gibt?

Naheliegend fände ich Transfeindlichkeit als konfromistische und regressive "Kritik" des Geschlechterverhältnis
Also so wie das Ressentiment gegen das Abstrakte, das Künstliche und Widersprüchliche von Staat und Kapital oft im Antisemitismus aufgespalten wird in personalisiert Böses und natürlich Gutes, wird Trans als verderbende Verkünstelung verstanden
Allein durchgeführt von einer Menschengruppe, die mehr oder weniger allein Schuld sein soll, an den widersprüchliche Tendenzen und Zumutungen des Geschlechterverhältnis heute (Gleichzeitig z.B. Schuld an Flexibilisierungsanforderungen UND konservativen Gender Stereotypen)
Read 4 tweets
Jul 19, 2022
Viele cis Männer werden trans Frauen nie verzeihen, dass sie das patriarchale Erbe der phallischen Macht nicht antreten.

Irgendwas muss gruselig falsch sein mit jenen, die qua Penis zu geschlechtlicher Dominanz bestimmt sein sollen, aber sie einfach nicht "wollen"
"Wollen" in Anführungszeichen, weil es um keine souveräne Entscheidung geht. Sehr wohl aber um Fragen der Identifizierung, der Lust und des Begehrens.

Die Existenz von trans Frauen denaturalisiert den Phallus und legt den Finger in die Wunde der eigenen Identifikation mit ihm
Das wird dann abgewehrt. Weil wo kommen wir sonst hin, wenn der Penis patriarchale Macht nicht mehr garantiert (klassisch reaktionär) oder weil Mann nicht will, dass die eigene männliche Dominanz mehr ist als gesellschaftlich determinierte Biologie (pseudo-radikal-feministisch)
Read 6 tweets
Oct 31, 2021
Denke, was "Gender Critical" Feminismus für cis Frauen so attraktiv macht, ist dass sie ihre Unterdrückung komplett objektivieren und externalisieren können.
Sie haben ausschließlich eine von außen kommende Geschlechterrolle, keine Geschlechtsidentität, die sie affiziert hat
Denn es stimmt natürlich, dass das Patriarchat nach dem Begriff "Frauen = potentiell gebärfähige Menschen mit Vulva" operiert und daraus zentral Unterdrückung entsteht, aber es wird einfach so getan als ob das glatt aufgehen würde und den Menschen rein äußerlich wäre
Alle Widersprüche, all das schmerzhafte und komplzierte Geschlecht-Werden gegenüber dieser Zurrichtung die sich wegen und trotz des eigenen Körpers entwickelt, wird vereindeutigt in ein: "Ich bin einfach ein Mensch bzw. eine biologische Kategorie, alles andere ist Patriarchat"
Read 8 tweets
Mar 19, 2021
[Thread]

Ok, eigentlich ist mir nur nach kotzen...

Aber für die es interessiert, teile ich jetzt mal ein paar feministisch-marxistische Thesen zum bürgerlichen Recht und der Frage, warum solche Urteile seiner inneren Logik nach kein Unfall, sondern nur konsequent sind:

1/13
Die erste Bedingung, um im Kapitalismus als Subjekt gelten und handeln zu können, ist, sich selbst und den eigenen Körper "zu besitzen" willentlich kontrollieren zu können. Der Körper ist Besitz vor jedem Besitz. Der Wille Gesetz vor jedem Gesetz.
Der klassisch-liberalen Rechtsphilosophie ist der Körper deshalb heilig, weil er die Substanz der Person und ihres Willens ist. Den Körper eines Menschen zu verletzen oder zu nutzen ist gleichbedeutend mit einer Verletzung seiner Person und deshalb unzulässig.
Read 14 tweets
Jan 21, 2021
[Thread]
Es ist schon eine besondere Ironie der Geschichte, dass einer der Lieblingsbegriffe des liberalen Feminismus heute aus der esoterischen Männerbewegung der 80er stammt.
"Toxische Männlichkeit" ist eigentlich ein maskulinistischer Begriff (1/7)
Die "Mythopoeten" wollten eine ausgeglichene, in sich ruhende Männlichkeit frei legen, die sie "Deep Masculinity" nennen. (Männliche) Gewalt und Misogynie entstehen für sie nur, weil Männer von ihrer Männlichkeit entfremdet sind. Das ist "Toxic Masculinity" (2/7)
Wer Schuld an dieser Entfremdung hat? Mythopoet Frank Pittmann meinte, es liegt daran, dass Jungen zu sehr von ihrer Mutter abhängig sind und insgesamt Frauen viel zu viel Macht über die Männlichkeit von Männern haben (3/7)
Read 7 tweets

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