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Nov 12, 2023 10 tweets 4 min read Read on X
Erschreckend: Das Innenministerium verbreitet in Emails an Bundestagsabgeordnete #Falschinformationen und Quatsch-Jura. Die Befürchtungen von Seenotrettungsorganisationen sind berechtigt. Es droht eine Kriminalisierung der #Seenotrettung. Ein #Faktencheck-Thread. Ein Schreiben vom Bundesministerium des Innern an einen Bundestagsabgeordneten, der mit einem roten Schriftzug "FALSCH" überlegt ist.
Hintergrund: in einem Gesetzentwurf hat das BMI einen Satz versteckt. Dieser führt dazu, dass uneigennützige Helfer*innen künftig wegen Einschleusens in die EU bestraft werden können. Das kann auch Seenotretter*innen treffen, wie @RonenSteinke berichtet: sueddeutsche.de/politik/ampel-…
Das BMI bestreitet das jetzt. Die Email, die nach meinen Informationen an mehrere Bundestagsabgeordnete verschickt wurde, enthält Aussagen, die teils eindeutig falsch sind, teils zumindest irreführend. Im Einzelnen:
Das BMI behauptet, dass die Gesetzesänderung nicht Rettungen erschweren "soll". Sie tut es aber! Seenotretter*innen erfüllen künftig den objektiven Tatbestand des Einschleusens. Das bestreitet das BMI auch nicht. Ausführlich auf @Verfassungsblog: verfassungsblog.de/its-called-sav…
Es ist aber ausdrücklich nicht zutreffend, dass die zur Rettung von Menschenleben erfolgende Tätigkeit von privaten Seenotrettern künftig durch eine etwaige Strafbarkeit erschwert werden soll.
Diese Aussagen sind irreführend. Der neue Straftatbestand hat 3 Merkmale:
- Hilfeleisten
- zur unerlaubten Einreise in die EU
- zugunsten mehrerer.
Ende.
Ein skrupelloses, menschenverachtendes oder gefährliches Verhalten ist keine (!) Voraussetzung für die Strafbarkeit.
Die Bundesregierung hat den Kampf gegen das skrupellose und menschenverachtende Geschäft der Schleuser deutlich verschärft - sowohl mit den grenzpolizeilichen Maßnahmen, als auch mit den vorgeschlagenen strafrechtlichen Änderungen.
Menschen aus dem Meer vor dem Ertrinken zu retten, ist keine Schleusung. Während Schleuser Menschenleben aufs Spiel setzen, retten Seenotretter Menschen vor dem Ertrinken
Das ist Quatsch-Jura. Vorsätzlich handelt, wer weiß, dass er*sie den Tatbestand erfüllt. Seenotretter*innen wissen, was sie tun. Dass es ihnen nicht auf die Hilfe zur unerlaubten Einreise ankommt (Absicht) ist rechtlich egal. Lernt man im 1. Semester Jura. Rechtlich fehlt es im Rahmen der Seenotrettung nach den SAR-Regularien bereits an dem für eine Strafbarkeit erforderlichen Vorsatz der Hilfeleistung zu einer unerlaubten Einreise. Vielmehr ist das Ziel der derzeit privat tätigen Seenotretter, dass die Geretteten der zuständigen staatlichen Organisation in einem Mitgliedstaat zur ordnungsgemäßen Registrierung und Bearbeitung ihrer Schutzersuchen übergeben und gerade nicht in die Illegalität entlassen werden.
Dieser Satz ist richtig. Nur: Was, wenn die Staatsanwaltschaft das anders sieht? Der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB) setzt eine Interessenabwägung voraus. Es reicht, wenn eine Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht bejaht. Durchsuchungen, Beschlagnahmen usw können folgen. Seenotrettung ist im Übrigen auch als gerechtfertigt anzusehen, um Gefahren für Leib und Leben abzuwenden.
Der letzte Satz ist wieder klar falsch. Die Strafbarkeit von Schleusungen mit Waffe (§ 96 Abs. 2 Nr. 3) und "Durchbruchsfällen" (neuer § 96 Abs. 2 Nr. 6) sind völlig unabhängig von der einfachen uneigennützigen Schleusung (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 b)). Das BMI wirft alles in einen Topf. Die sonstigen Änderungen des $ 96 AufenthG (Änderungen der Absätze 1 und 2) verfolgen das Ziel, die gemäß der BGH-Rechtsprechung bestehende Strafbarkeitslücke bei der Schleusung Minderjähriger, die keinen Vorsatz bilden können, zu schließen. Zudem wurden die Mindeststrafen und die Höchststrafen erhöht, da die bisherigen Strafrahmen dem Unrecht der Tat nicht angemessen sind. In besonderem Maße gilt dies für , Durchbruchsfälle" bei denen polizeiliche Kontrollen durchbrochen werden (neuer $ 96 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 AufenthG). Ohne die oben genannte Änderung des $ 96 Abs. 4 AufenthG (Verweis...
Das Vorgehen des BMI ist schockierend. Erst versucht es, den Ampel-Fraktionen in einer komplizierten Formulierungshilfe eine politisch umstrittene Verschärfung unterzujubeln (ohne Begründung, ohne Synopse!). Jetzt führt es die Abgeordneten mit Falschinformationen hinters Licht.
Dieses Verhalten gegenüber dem Parlament ist nicht nur politisch skandalös, sondern verstößt auch gegen den Grundsatz der Verfassungsorgantreue. Es sollte in meinen Augen auch personelle Konsequenzen haben.

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Jul 16
Das #Compact-Magazin ist ein Hetzblatt, das Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungsideologien verbreitet. Ich bin nicht traurig, dass es weg ist.

Dennoch: Das Verbot ist wahrscheinlich rechtswidrig. Warum erfahrt ihr hier im Thread. 👇
tagesschau.de/inland/gesells…
Das Innenministerium missbraucht das Vereinsgesetz, um eine Zeitung zu verbieten. Presserecht fällt in die Kompetenz der Länder. Die Pressegesetze kennen aber keine Grundlage für das Verbot ganzer Zeitungen (anders als noch ein Entwurf von 1952 👇).
freiheitsrechte.org/uploads/docume…
VII. Abschnitt Schutzbestimmungen § 42 (1) Zeitungen oder Zeitschriften, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung in der Bundesrepublik oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten oder in denen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen der verfassungsmäßigen Regierung oder der Behörden aufgefordert oder angereizt wird, können bis zur Dauer von 6 Monaten, in Fällen besonderer Gefährdung der Staatssicherheit auf immer verboten werden. (2) Hierüber entscheidet der für den Erscheinungsort der...
Im Fall von #Compact wahrscheinlich die kleinste Hürde, aber auch nicht einfach: Verfassungsfeindliche Beiträge in der Zeitung können nicht ohne Weiteres Redaktion/Verlag zugerechnet werden. Dazu das Bundesverfassungsgericht in der Entschedeidung zur Jungen Freiheit. 👇 Diese Auffassung ist im Grundsatz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei ihrer Umsetzung ist aber zu beachten, dass es der Zeitung freisteht, Funktion und Reichweite des eröffneten Forums zu begrenzen, etwa auf ein bestimmtes politisches Spektrum. Wird aus dem Abdruck der von Dritten stammenden Artikel oder Leserbriefe der Wille der Redaktion erkennbar, sich nicht auf Beiträge zu beschränken, die einer bestimmten redaktionellen Linie entsprechen, kann aus ihrer Veröffentlichung nicht zwingend geschlossen werden, dass darin zugleich eine Bestrebung von Verlag und Redaktion erkennbar ...
Read 7 tweets
Jan 18
Das BMI verbreitet wohl schon wieder Falschinformationen, um Abgeordnete vor der heutigen Abstimmung auf Linie zu bringen. Es behauptet, die Einschränkung "auf den Landweg" beziehe sich auch auf das uneigennützige Einschleusen von Minderjährigen. Das ist falsch. 🧵
Abs. 4 (Einschleusen in die EU) verweist vollumfänglich auf Abs. 2 Satz 2 (Einschleusen Minderjähriger). Abs. 2 S. 2 verweist umfänglich auf Abs. 1 Satz 1 (also auch auf die uneigennützige Variante). Also: das uneigennützige Einschleusen Minderjähriger in die EU ist strafbar.
Zu einem anderen Ergebnis käme man nur, wenn man die Einschränkung "auf den Landweg" auch auf den Qualifikationstatbestand des Abs. 2 Satz 2 anwenden würde. Dem steht jedoch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen.
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Jan 17
Die Ampel bricht ihr Versprechen, #Seenotrettung nicht zu kriminalisieren! Auch nach dem jetzt bekanntgewordenen Änderungsantrag drohen bis zu zehn Jahre Haft, wenn unbegleitete Minderjährige gerettet werden.
Vorgeschichte: Das Innenministerium hatte versucht, der Ampel in einer Formulierungshilfe eine krasse Verschärfung des Schleuserparagrafen unterzujubeln - versteckt in einem aberwitzigen Paragrafen-Wirrwarr. Betroffen wären u.a. Seenotretter*innen.
d) Absatz 4 wird wie folgt geändert: aa) Im Satzteil vor der Nummer 1 werden die Wörter „Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1,2 und 5“ durch die Wörter „Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a, Nummer 2, Satz 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5, Satz 2“ ersetzt. bb) In der Nummer 1 werden die Wörter „§ 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1“ durch die Wörter „§ 95 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 oder Ab- satz 2 Nummer 1“ ersetzt.
cc) Buchstabe d) Doppelbuchstabe aa) wird wie folgt gefasst: ‚aa) Im Satzteil vor der Nummer 1 werden die Wörter „Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5“ durch die Wörter „Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2, Satz 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2, 3, 5 und 6, Satz 2“ er- setzt.‘
Nachdem ich das zufällig entdeckte und @RonenSteinke in der SZ darüber berichtete, versuchte das Innenministerium zunächst, die Abgeordneten mit Falschinformationen und Quatsch-Jura auf Linie zu bringen.
Read 10 tweets
Feb 1, 2023
Das Bundesverfassungsgericht hat das Polizeigesetz in MV in großen Teilen für verfassungswidrig erklärt. Es war die erste Verfassungsbeschwerde, die ich für @freiheitsrechte koordiniert habe. Hier meine Twitter-Analyse der Entscheidung. 🧵
bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Ent…
Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen die Ausweitung von Überwachungsbefugnissen, wie man sie auch in anderen Bundesländern und auf Bundesebene beobachten kann. Die Beschwerdeschrift findet ihr hier (ganz unten unter Dokumente):
freiheitsrechte.org/themen/freihei…
Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Weite Teile des Polizeigesetzes sind verfassungswidrig. Sie bleiben jedoch teilweise mit Maßgaben aus Karlsruhe in Kraft. Gesetzgeber muss tätig werden. Diesmal bitte ohne Grundrechtsverletzungen, sonst müssen wir wieder nach Karlsruhe.
Read 28 tweets
Mar 2, 2020
Weil einige jetzt das kürzlich ergangene Urteil des #EGMR zu #Melilla anführen, um die Zurückweisung von #RefugeesGr zu rechtfertigen: Der EGMR hat keinen Blankoscheck für #Pushbacks ausgestellt. Das Vorgehen von #Griechenland ist evident rechtswidrig. 1/5
2/5 Der EGMR hat sich nur mit dem Verbot der #Kollektivausweisung beschäftigt. Aus dem Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung und der Garantie effektiven Rechtsschutzes ergibt sich weiterhin ein Anspruch auf Zugang zum #Asylverfahren.
3/5 Auch das Verbot der Kollektivausweisung greift – selbst nach der problematischen Auslegung des EGMR! Denn der EGMR hat die Ausnahme im Fall #ndandntvsspain (irrtümlich) darauf gestützt, dass legale Zugänge bestehen. Die gibt es in #Griechenland (momentan) nicht.
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