Russland-Politik: Wollen wir uns weiter selbst belügen?🧵
Lange Zeit war in Deutschland ein mythisches Bild von Russlands Größe, Stärke und Bedeutung prägend.
“Russland können wir nicht ignorieren, Europa braucht Russland.
Sicherheit ist ohne Russland nicht machbar.”
1/20
Diese Bilder stecken tief im deutschen Bewusstsein
und scheinen bei heutigen Forderungen nach schnellem Ende des russischen Angriffskriegs durch irgendwie geartete “Verhandlungen” eine Rolle zu spielen:
“Wir brauchen keinen Konflikt, sondern stabile Beziehungen zu Russland”.
2/20
Dieses Narrativ,
“Russland ist so bedeutend, dass wir es nicht ignorieren können” wurde auch von Angela Merkel in einem Interview in 2022 wiederholt.
Sie gab dabei zu: “Handel durch Wandel” funktionierte nicht.
Aber was ist dran am Narrativ von der Wichtigkeit Russlands?
3/20
Sind Handelsbeziehungen mit Russland wirklich so wichtig, dass es sich dafür lohnt, Ukraine und wichtige Partner unter den Bus zu werfen?
Der gesamte Handel mit Russland machte 2020 gerade mal 2 % des deutschen Außenhandels aus.
Dahin wollen AfD, BSW und Kretschmer zurück.
4/20
Selbst wenn man den deutschen Handel mit Russland mit dem der anderen ehemaligen Ostblockstaaten vergleicht, betrug er 2020 gerade mal 12 %, einschl. aller Energieimporte.
Für Deutschland ist der Handel mit Nachbarn wie Polen, Tschechien oder Ungarn fünfmal so wichtig.
5/20
Im vorherigen Thread hatten @spartyflyboy und ich auch dargestellt, dass die Mythen über vermeintlich “billiges russisches Gas”, das ein Standortfaktor für die deutsche Industrie gewesen sein soll,
sich als platte Desinformation herausstellten.
6/20
@spartyflyboy Viele, auch ich, fielen in der Zeit von 1998 - 2021 auf massive Desinformation über Bedeutung und Konsequenzen deutscher Wirtschaftsbeziehungen mit Russland hinein.
Die in der Behauptung gipfelte, ohne Gas durch Nord Stream breche die deutsche Wirtschaftsproduktion zusammen.
7/20
@spartyflyboy Dieser Bluff, der durch Falschinformationen über russische Einflussnetzwerke in die deutschen Medien sickerte, flog nach der Sprengung der Pipelines auf:
Die deutsche Wirtschaft produzierte danach einfach weiter.
Wir brauchen Russland nicht, sondern Russland braucht uns.
8/20
@spartyflyboy Es gibt also keine ernste ökonomischen Gründe für eine Wiederaufnahme enger Beziehungen zu Russland.
Als ein weiteres Argument dafür wird die militärische Stärke Russlands angeführt. Motto:
Sicherheit sei nur mit, aber nicht gegen die gefährliche Atommacht Russland machbar.
9/20
@spartyflyboy Sein nukleares Erpressungspotential versucht Putin jetzt seit über 900 Tagen gegen den Westen einzusetzen, um uns von Sanktionen oder militärischer Unterstützung der Ukraine abzuschrecken.
Erfolglos: Die Drohungen mit Atomwaffen haben sich als weiterer Bluff erwiesen.
10/20
@spartyflyboy Und die vermeintliche Stärke Russlands und seiner “2. Armee der Welt” wird von der Ukraine
-ausgestattet mit verzichtbarem Restmaterial der NATO-Armeen-
immer peinlicher in Frage gestellt:
Russlands Truppen erscheinen in diesen Tagen sogar nur als 2. Armee innerhalb von RU.
11/20
@spartyflyboy Die schiere Größe Russlands ist auch kein Indikator für Bedeutung: Kanada, Australien und Grönland sind ebenfalls sehr groß.
Weite Teile Russlands sind unwirtlich, große Entfernungen erfordern aufwendige Infrastruktur und Wegekosten.
Und so schrumpft Russlands Wichtigkeit.
12/20
@spartyflyboy Auch ich habe mich getäuscht über die Bedeutung Russlands.
- Russland ist keine “Supermacht”
- Beziehungen zu Russland sind nicht bedeutsam für die deutsche Wirtschaft
- und bringen uns keine Sicherheit.
Wer das heute, nach allen Erfahrungen noch glaubt, lebt in einem Wahn.
13/20
@spartyflyboy Warum haben Populisten unterschiedlicher Parteien Umfrage-Erfolge mit diesem Widerspruch:
-einerseits Ängste schüren vor einer “Eskalation” des Konflikts mit dem als unbesiegbar dargestellten Russland
-andererseits Verhandlungen und Kooperationen mit Russland fordern.
14/20
@spartyflyboy Hat die Erzählung über ein mächtiges Reich Russland mit einem starken, ordnenden Führer in einer als unsicher empfundenen Zeit eine eigene Attraktivität als Projektionsfläche?
Oder reicht es manchen, Russland als willkommenen Gegenpol gegen die “Übermacht” der USA zu sehen?
15/20
@spartyflyboy Bündnis Wagenknecht aktiviert in seinem Wahlprogramm bewusst antiamerikanische Reflexe, wenn es von Bedrohungsgefühlen und “Abwehrreaktionen” spricht, die die USA angeblich auslösen.
Soll das evtl. auch als Begründungs-Märchen für Putins Krieg gegen die Ukraine herhalten?
16/20
@spartyflyboy Oder geht es manchen Populisten um etwas anderes?
Um Russland als eine “positive Gegenerzählung” zum liberalen Westen,
als feuchter Alt-Right-Traum von eurasisch-völkischen Familienwerten und anti-woker Macho-Kultur.
Was dabei verdrängt oder bewusst verschwiegen wird:
17/20
@spartyflyboy Russland ist ein Terrorstaat mit einer toxischen, gewaltaffinen, unpolitischen, unsolidarischen Gesellschaft.
Gefährlich durch seine Schwäche, nicht durch seine Stärke.
Ein Staat, der uns Deutsche als Feind markiert hat und heute hybrid und mit Anschlägen angreifen will.
18/20
@spartyflyboy Soll die wieder neu aufgewärmte Andromeda-Geschichte zur Sprengung von Nord Stream 2
(international schon wegen technischer Widerspräche als unplausibel widerlegt)
jetzt durch behaupteten "polnisch-ukrainischen Staatsterrorismus”
vom russischen Staatsterrorismus ablenken?
19/20
@spartyflyboy Wie kann es uns gelingen, einen Teil der Wähler von AfD & BSW zu überzeugen, dass man Stärke nicht in kranken Diktaturen suchen muss?
Sondern dass Europa eigene Stärken ausbauen kann, die auf unseren freiheitlich-demokratischen Werten basieren.
Darüber sollten wir reden.
20/20
• • •
Missing some Tweet in this thread? You can try to
force a refresh
Nord Stream: Waffe deutsch-russischer Machtpolitik 🧵
Nord Stream war konzeptionell gegen existenzielle Interessen Osteuropas gerichtet.
Auch heute - längst zerstört - wird es als Waffe gegen Polen & Ukraine eingesetzt.
Deutschland auf Abwegen, Analyse mit @Spartyflyboy
1/24
Nord Steam zeigt problematische Muster deutsche Politik auf:
Für Appeasement mit Diktaturen wird Konflikt mit eigenen Verbündeten in Kauf genommen.
Versteckt wird das hinter ökonomischen Interessen, die letztendlich zu Abhängigkeitsverhältnissen von Diktaturen führen.
2/24
Nach dem Zerfall der UdSSR 1991 versuchte Russland kolonialen Einfluss über die ehemaligen Kolonien zu behalten: durch Kontrolle über die Verteilung von Energieressourcen Strom, Gas und Öl.
Nach der orangenen Revolution in der Ukraine 2004 zeigte sich das deutlich:
3/24
Russlands unaufhaltsamer Vormarsch im Donbas 🧵
als Medienphänomen
Kaum ein Bericht über die ukrainische Inkursion in die russische Region Kursk kommt ohne den relativierenden Hinweis aus, dass gleichzeitig der RU Vormarsch im ostukrainischen Donbas unvermindert weitergeht.
1/19
Der Erfolg der ukrainischen Offensive in der Region Kursk wird oft daran gemessen, ob er den russischen Vormarsch im Donbas stoppen könne
- indem Putin durch das ukrainische Agieren gezwungen würde, Truppen aus dem Donbas nach Kursk zurück zu beordern.
2/19
Hier zeigt sich, dass der Fokus auf die minimalen, aber stetigen Gebietsgewinne Russlands in der Ostukraine zu einer Verzerrung der Wahrnehmung über den Krieg
- und damit den Erfolg bzw. Misserfolg beider Armeen führt.
3/19
Save the date:
@gripfeli spricht morgen Abend um 19.15 im @DLF in der Sendung „zur Diskussion“ zum Thema:
„Was prägt die Stimmung in Sachsen und Thüringen?“
Grit sucht Erklär-Ansätze, woher die Russland-Affinität in Ostdeutschland stammt.
Hier ein 🧵 mit Hintergrund-Infos:
1/14
Wie viele von uns auch sieht Grit Friedrich einen Zusammenhang zwischen Unterstützung der Ukraine gegen den Aggressor Russland und dem Einsatz für Demokratie in Deutschland.
Denn wir erleben, wie demokratiefeindliche Kräfte mit RU Desinformation unsere Debatten vergiften.
2/14
Grit lebt auf dem Land in Sachsen.
Bei Beginn des brutalen russischen Angriffskriegs im Februar 2022 fiel ihr auf, dass viele ihre Nachbarn Russland-Flaggen oder Schilder „Friede mit Russland“ an ihren Häusern anbrachten, sich also mit dem Aggressor solidarisierten.
3/14
Warum traut sich Putin nicht, den Verteidigungsfall auszurufen? 🧵
Lange Jahre behauptete Putin, er fühle sich von NATO und deren potentiellen „Vasallen“ Ukraine bedroht.
Jetzt besetzt diese russisches Territorium, aber Putin reagiert extrem schwach.
Was ist da los?
1/15
2022 drohte Putin damit, bei Verletzung der territorialen Integrität Russlands alle verfügbaren Mittel, insbesondere Massenvernichtungswaffen, einzusetzen.
Das sei kein Bluff.
Das beeindruckte viele und bestimmte unsere Debatten.
Heute zeigt sich: Doch, es war ein Bluff.
2/15
Wie das ISW hervorhebt, versucht Putins Regime weiter die Bezeichnung “Krieg” zu vermeiden.
In der Ukraine läuft die “Spezialoperation” weiter.
Und im Inland läuft jetzt eine “Anti-Terror-Operation” an, gegen eingedrungene ukrainische “Terroristen”.
3/15
3 Erkenntnisse, die wir schon jetzt aus der ukrainischen Offensive bei Kursk gewinnen können 🧵
Putins Regime war lange Hoffnungsträger von Anhängern verschiedener politischer Lager bei uns,
als vermeintlich starker Gegenpol gegen die „Hegemonialmacht“ USA wirken zu können.
1/15
Eine ähnliche Rolle wird China von diesen Akteuren zugemessen, wenn in durchaus hoffnungsvoller Weise von einer zukünftig „Multipolaren Weltordnung“ gesprochen wird bzw. diese erhofft wird.
China und Russland dienten als Projektionsfläche für eine Gegenposition zu den USA.
2/15
Aber 3 Narrative derjenigen, die mittelfristig eine gewisse Annäherung und Kooperation mit Russland
- zumindest aber einen Respekt vor russischen Interessen fordern -
wurden in den letzten Tagen durch das Verhalten des russischen Regimes zerlegt.
Hier die Gegenthesen:
3/15
Dagdelen widerspricht in einem Meinungsartikel in der Berliner Zeitung dem Vorwurf, das BSW verbreite russische Propaganda.
Machen wir heute einen Praxistest.
Im Folgenden kurz die breite Facette russischer Auslandspropaganda zum Thema „ ukrainische Inkursion in bei Kursk“. 1/5
Während das russische Verteidigungsministerium heute zum ukrainischen Vormarsch an der Grenze in Richtung Kursk meldet,
die ukrainischen Truppen sein vernichtend geschlagen worden, die Grenze sei stabil ... 2/5
... geben die Lohnschreiber der prorussischen Alternativ-Realitäten Vollgas und berichten davon, dass ukrainische „Nazi-Kämpfer“ einen Krankenwagen in der Stadt Kursk „beschossen“ hätten.