Im @DLF läuft gerade eine Diskussionsrunde zum Thema „Diversität in Parlamenten“. Den Auftakt macht die familienpolitische Sprecherin der @cdu_thueringen, die sagt, der Grundsatz sei „ganz klar“, (1/12)
…dass die Zusammensetzung der Volksvertretungen „spiegelbildlich“ die der Bevölkerung abbilden solle. Diese Feststellung wird im weiteren Verlauf der Diskussion als gegeben betrachtet. Es handelt sich um einen Grundsatz, der auch innerparteiliche Personaldebatten prägt. (2/12)
Trotzdem handelt es sich auch hier (wie bei weit verbreiteten Vorstellungen von einem „Fraktionszwang“) um ein tief sitzendes Missverständnis der repräsentativen Demokratie.
Nach dem Grundgesetz sind ALLE Abgeordneten Vertreter des GANZEN VOLKES (Art 38). (3/12)
D.h. kein einziger ist Vertreter eines Teils der Bevölkerung, dem er sich zurechnet. Nur deshalb sind alle Abgeordneten moralisch verpflichtet, bei allem, was sie tun und sagen stets das Gemeinwohl im Blick zu haben. Das schließt den Einsatz für einzelne Gruppen nicht aus, (4/12)
… aber es verbietet, deren Interessen über das Gemeinwohl zu setzen.
Nur dieser Grundsatz ist auch praktikabel. Gälte das Prinzip der spiegelbildlichen Diversität, müssten wir zunächst alle Bevölkerungsgruppen identifizieren, die für sich einen Repräsentationsanspruch… (5/12)
…formulieren könnten. Statt allgemeiner Wahlen wäre es dann sinnvoll, die Parlamentssitze proportional diesen Gruppen zuzuordnen und gleich innerhalb der Gruppen zu wählen. Wozu das führt, sieht man in Ländern, in denen das Prinzip der Spiegelbildlichkeit teilweise… (6/12)
…angewendet wird, wie im Libanon oder in Bosnien-Herzegowina. Das Ergebnis solcher Modelle ist Spaltung, keine Gemeinwohlorientierung.
Aber auch umgekehrt wird ein Schuh daraus: Will ich als Staatsbürger denn überhaupt, dass mein Repräsentant so ist wie ich? (7/12)
Im ersten Moment mag das einleuchtend erscheinen. Aber eigentlich steckt hinter dem Repräsentationsmodell immer auch die Vorstellung einer Bestenauslese. Will ein Analphabet im Bundestag von einem Analphabeten vertreten werden? Eine Kranke von einer Kranken? (8/12)
Im Gegenteil: Ich wünsche mir keine Abgeordneten, die so sind wie ich, sondern welche, die klüger, fleißiger, weitsichtiger, mutiger und entschlossener sind als ich.
Das alles ist im übrigen keine Absage an Diversität. Bevölkerungsgruppen, deren Interessen… (9/12)
…in den Parlamenten ignoriert werden, sollen und müssen dafür kämpfen, dass sie dort Fürsprecher haben - in den Parteien oder durch Gründung eigener Parteien. Ohne diese Widerständigkeit wäre die Arbeiterbewegung nie zu ihrem Recht gekommen. (10/12)
Aber das hat mit Spiegelbildlichkeit nichts zu tun. Unsere Demokratie hat Rahmenbedingungen geschaffen, innerhalb derer alle Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit haben, für ihre Interessen einzutreten. Das Gemeinwohl als Schnittmenge legitimer… (11/12)
…Interessen wird durch die Interessenkonflikte kontinuierlich neu bestimmt. So ist es gut und richtig.
Die Forderung nach Spiegelbildlichkeit hingegen ist eine falsche Auffassung von repräsentativer Demokratie, die ihr letztlich nur schaden kann. (12/12)
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Thread, warum mich die Polemik des klugen @ErnstHillebrand gegen die Forderung nach steigenden Rüstungsausgaben nicht überzeugt. Die Kernthese: Russland kann die NATO nicht angreifen, weil es nach allen Vergleichskriterien militärisch weit unterlegen ist. ipg-journal.de/rubriken/ausse…
2 Die Zahlen, mit denen Hillebrandt argumentiert, sind unbestritten. Bei der Sorge vor russischer Aggression gegen NATO-Länder geht es daher nicht um die Frage, ob die NATO militärisch befähigt wäre, einen russischen Angriff zurückzuschlagen. Es geht vielmehr um…
3 …die Glaubwürdigkeit der NATO-Abschreckung. Die ist durch die Niederlage in Afghanistan und die isolationistischen Strömungen in den USA kompromittiert. Sollte die Ukraine an mangelnder Unterstützung scheitern, schwände die Glaubwürdigkeit weiter. …
Ein paar Gedanken zum Thema „einfrieren“. Der Vorteil liegt auf der Hand: eine Atempause, fast für die ganze Welt, vor allem für Europa. Sicherheitspolitisch könnte das sinnvoll sein, wenn die europäischen Mächte die Zeit nutzen, um ihre Armeen auf Vordermann zu bringen. 1/10
Wenn sie dadurch dann der Restukraine glaubwürdige Sicherheitsgarantien geben können (und wollen), könnte das sogar für die Ukraine kein völlig abwegiges Szenario sein. 2/10
Wenn es aber dazu führt, dass alle sich erstmal erleichtert den Schweiß von der Stirn wischen und anderen Themen als der Sicherheit wieder Priorität einräumen (was nicht ganz unwahrscheinlich ist), wird das Einfrieren Europa noch instabiler machen. 3/10
Es ist ernüchternd für mich zu sehen, dass sich an den Debatten, mit denen ich vor über 21 Jahren meine Zeit in der Berufspolitik im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin begonnen habe, nichts, aber auch gar nichts geändert hat. Null Fortschritt. 1/9
Wir sind damals in der @spdneukoelln von dem berühmten Lassalle-Wort ausgegangen: „Alle große politische Aktion besteht in dem Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.“ 2/9
Dazu gehörte für uns auch, nicht zu verschweigen oder zu bemänteln, was in der Einwanderungspolitik schief gelaufen war - mit einem aufklärerischen Impetus und dem Ziel gesellschaftlichen Fortschritt zu erreichen, nicht Ausgrenzung. 3/9
#malwasanderes Ein philologischer Bindfaden zu ausländischen Toponymen: 1. Ortsnamen sind Wörter. Die deutsche Sprache besteht aus deutschen Wörtern. Deshalb sind auch die Namen fremder Städte und Regionen, wenn sie in deutschen Äußerungen verwendet werden, deutsche Wörter.
2. Das ist strukturell auch völlig unvermeidbar. Denn die deutsche Phonetik verändert das fremde Wort bei der Übernahme. Selbst wenn wir anfingen „Parie“ statt „Paris“ zu sagen, würde es sich nicht so anhören wie aus französischem Munde.
3. Wo keine (identitäts-)politischen Konflikte im Hintergrund stehen, ist das überhaupt kein Problem. Niemand stört sich an Ortsnamen wie „Rom“, „Mailand“, „Brüssel“, „Prag“, „Krakau“, „Moskau“ oder „Kopenhagen“. Und wir beschweren uns nicht über „Cologne“ oder „Munich“.
„Dieser Krieg wird keine militärischen Sieger kennen. Eine Fortsetzung des Kriegs wird nur noch mehr Tote und Zerstörung zur Folge haben. Wir brauchen einen schnellstmöglichen Waffenstillstand als Ausgangspunkt für umfassende Friedensverhandlungen.“
1. „keine militärischen Sieger“ - ganz offensichtlich ist zumindest der Angreifer nicht dieser Auffassung. Und greift deshalb weiter an.
Bei den Zielen des russischen Angriffs- und Eroberungskrieges gegen die Ukraine zeichnet sich eine Veränderung ab. Es geht offenbar zunächst nicht mehr darum, die Ukraine in einen Vasallenstaat zu überführen. 1/6
Stattdessen wird die „Novorossia“-Idee wiederbelebt. Mit der Eroberung der Regierungsbezirke Cherson, Lugansk und Donezk hätte man eine stabile Landbrücke zur Krim. Ein Teilerfolg. Ein Waffenstillstand zur Absicherung der Eroberungen… 2/6
…und der einstweiligen Herstellung eines neuen Status Quo wäre der logische nächste Schritt. Die Versuchung würde in Teilen der westlichen Welt groß sein, einen solchen Waffenstillstand diplomatisch zu unterstützen, getreu dem Motto: Hauptsache, die Waffen schweigen. 3/6