Politikwissenschaftler, die sich als "Realisten" sehen, betonen häufig, eine Position verstehen zu wollen, heiße noch nicht, Verständnis zu haben. #Mearsheimer bekennt sich gegenüber der @NZZ nun endlich dazu, ein Putinist zu sein. Einige Anmerkungen 1/
Eingangs nimmt Mearsheimer noch einmal auf die Pose des "Realisten" ein: Wer Putin als guten Strategen bezeichne, billige damit nicht zwangsläufig sein Handeln.
Im weiteren Verlauf des Interviews - das Zitat in der Überschrift macht dies bereits deutlich - ist von Distanz 2/
jedoch nichts mehr zu spüren. Da erklärt er, der Angriff von 2022 sei ein "klassischer Präventivkrieg", den die Ukraine und die USA provoziert hätten - er suggeriert also, die Invasion Russlands sei gerechtfertigt.
Mehr noch: Mearsheimer setzt - wie es für Putinisten typisch 3/
ist - die Kuba-Krise (als die Sowjets dort tatsächlich Raketen stationiert wurden) mit einer bloß hypothetischen Stationierung von US-Truppen in der Ukraine gleich. Er unterschlägt dabei, dass vor 2014 nicht einmal in Polen und Rumänien dauerhafte US-Stationierungen gab, und 4/
diese bis heute keine Angriffsfähigkeit darstellen. Unter den Tisch fällt wie üblich auch der Fakt, dass die NATO-Staaten Frankreich und Deutschland vor 2014 noch große Rüstungsverträge mit Russland abgeschlossen haben - nicht mit der Ukraine. Von welcher "Bedrohung" redet er?
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Und dann kommt die Passage, in der Mearsheimer von seinem Napoleonkomplex überwältigt wird, sich in Putin hineinversetzt und den Angriffskrieg explizit gutheißt. Bezeichnend auch, dass er keinen Gedanken daran verschwendet, wie Russland eigentlich so groß geworden ist: Hat er 6/
übersehen, dass auch in Moskau bzw. Petersburg einige Invasionen konzipiert worden sind, die letzten 1939/40 gegen Polen, das Baltikum und Finnland?
Besonders apart ist Mearsheimers Cherry picking, wenn es um Putins Worte geht. Da sagt er kurz hintereinander zuerst
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"Wir hätten Putin ernst nehmen sollen" (als er drohte, er werde in die Ukraine einmarschieren, wenn sie in die NATO aufgenommen werden könnte) und leugnet dann kurz danach, was Putin 2021 geschrieben und am Tag des Überfalls 2022 im TV gesagt hat: Die Ukraine sei kein Staat. 8/
Plötzlich will Mearsheimer Putin also nicht mehr "ernst nehmen". Stattdessen betreibt er eine atemberaubende Täter-Opfer-Umkehr: Weil sich die Ukraine nach und *aufgrund* der Invasion von 2014 gegen einen neuerlichen Einmarsch gewappnet hat, habe man sie Russland "provoziert". 9/
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass er nun sagt, die Ukraine seit bei "Ausbruch der Krise" von 2014 ja "noch nicht nennenswert in die Nato integriert" gewesen, rechtfertigte damals aber mit diesem Argument die damalige Invasion.
Mearsheimer setzt seine Täter-Opfer-Umkehr fort, indem er fortwährend unterstellt, die angegriffene Ukraine sei eine Bedrohung, nicht der Aggressor Russland (dessen Begriffe er übernimmt).
Erstaunlich, wie jemand mit so gestörter Wahrnehmung als "Realist" gelten kann. 11/
Am lustigsten ist, dass Mearsheimer seine Thesen dann selbst ad absurdum führt, ohne es aber zu bemerken: Wenn die USA nicht RU, sondern China als größte Bedrohung bezeichnen - und das war schon 2014 der Fall ("pivot to Asia") - bekunden sie vernehmbar: RU ist nebensächlich. 12/
Abschließend lässt Mearsheimer die Katze aus dem Sack: Er bekundet selbst, nicht RU muss sich "bedroht" fühlen, sondern dessen kleinere Nachbarn, die es "vernichten" könne, auch mit Atomwaffen und ohne dass die USA eingreifen würden. Deren Gegenmaßnahmen: "Provokationen".
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Der Generaldirektor der deutschen Nationalbibliothek (@DNB_Aktuelles) beteiligt sich an einem Buchprojekt des Westend-Verlags (einer #BSW-Vorfeldorganisation), mit dem Schüler eines Marburger Gymnasiums manipuliert werden. Angestoßen wurde das Projekt vom Deutschlehrer, der 1/
im Unterricht ein Buch des Antiamerikanisten Albrecht Müller durchnahm, der Russlands Angriffskrieg als Präventivkrieg gegen die NATO darstellt. Die Schüler wurden zu einem Abend im Verlag eingeladen, zu dem die Creme de la Creme der Schwurbelszene geladen war: Neben Müller
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Lafontaine, J. Sachs, Vad, Krone-Schmalz, Marc Friedrich etc. Letztere widersprechen sich in diesem Videobeitrag über den Abend auf niedliche und bezeichnende Weise gegenseitig: Während K-S treuherzig meint, es gebe doch „mehr als eine Wahrheit“, meint 3/
#WolframWeimer schafft es in seinem Beitrag für die @SZ, für die Freiheit der Kunst einzutreten und ihr zugleich Vorschriften zu machen: Kunst dürfe nicht politisch sein. Das gilt natürlich nur für "öko-sozialistische" Akteure - den explizit politischen "Comedian" Dieter Nuhr 1/
möchte der Kulturstaatsminister dagegen gegen Kritik immunisieren, ebenso J. K. Rowling (weitere lebende Künstler erwähnt er in dem Text gar nicht), die aber nicht wegen ihrer Kunst, sondern ihrer politischen Haltung kritisiert wird. Weimer ist dafür bekannt, seine Texte immer 2/
wieder zu recyceln, und so ist auch dieser Beitrag ein Potpourri altbekannter Klagen über die böse Cancel-Culture: Karl May, "Sensitive Reading", "Meinungskorridore"! Nichts davon ist überraschend, jeder Stichpunkt wurde in den von Weimer so kritisierten Sozialen Medien schon
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Die üblichen Verdächtigen (Juli Zeh, Hartmut Rosa, Svenja Flaßpöhler etc.) appellieren in @zeitonline (wo sonst?), es mit der #Aufrüstung doch bitte nicht zu überstürzen und erst mal eingehend darüber zu diskutieren, anstatt "Gegenstimmen" zu unterdrücken. Man fragt sich, ob 1/
sie vergessen haben, dass sie selbst in den "Leitmedien" mit ihrer Kritik an der Unterstützung der Ukraine ausführlich zu Wort gekommen sind - ebenso, wie jene... nun, ja... Exerten, die sie als Gewährsmänner anführen. Mit anderen Worten: den "gesellschaftlichen Diskurs", den 2/
sie einfordern, gibt es längst. Es gibt allerdings auch einen Grund, warum Leute wie Vad oder Warwick inzwischen seltener eingeladen werden: Weil sich ihre Prognosen, die Ukraine werde in wenigen Tage kapitulieren, und ihre Warnungen, D werde durch Waffenlieferungen zur
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.@vmedick hat #WolframWeimer also „einfach mal gefragt“, wie er die Kritik von @JKaube zu seinem „Konservativen Manifest“ sieht. Vielleicht hätte Medick vorher auch selbst in den Text reingelesen, um sich keinen Bären aufbinden zu lassen? Was ist denn der „Kontext“ aus dem 2/
Kaube die Zitate herausgerissen habe? Dieser Kontext zeigt deutlich: Die Formulierung von der „biologischen Selbstaufgabe“ ist kein Zitat, mit dem Weimer fremde Gedanken wiedergibt - es ist seine eigene Wertung. Er beklagt diese vermeintliche Selbstaufgabe und bezieht sich 2/
dabei affirmativ auf Oswald Spengler, der diese Entwicklung treffend beschrieben habe. Anders, als es Weimer dem gutgläubigen (und hier nicht besonders recherche- und lesefreudigen) Medick weismachen will, ist ihm „die Fortdauer…des eigenen Blutes, der Sippe, des Stammes“ ein 3/
"Ich habe Putins neoimperiale Ambitionen unterschätzt", sagt der ehemalige OSZE-Chef Greminger im Interview mit @derspiegel zum Angriffskrieg gegen die #Ukraine. Das ist einer der wenigen Sätze, denen man zustimmen mag - ansonsten offenbaren seine Aussagen eine bemerkenswerte 1/
Naivität, was zu erklären hilft, warum die OSZE unter seiner Leitung in diesem Krieg seit 2014 so versagt haben. Er schlägt vor, die Besatzung auf absehbare Zeit zu akzeptieren und die Sanktionen gegen RU abzubauen, wenn russ. Vermögen für den Wiederaufbau eingesetzt wird. 2/
Den Einwand, dass Putin den Krieg einfach wieder aufnehmen könne, kontert er mit dem Vorschlag, die Ukraine müsse "glaubhafte Sicherheitsgarantien" erhalten. Die wären allerdings nur dann glaubhaft, wenn die Garantiemächte "Stolperdrähte" spannen wie im Baltikum - er will die 3/
Von vielen der Opfer, die die Deutschen ermordeten, sind keine Briefe, Tagebücher oder andere Dokumente überliefert, aus denen diese Menschen selbst sprechen. Das trifft auch für die Opernsängerin Channa Tarakanova zu. Die wenigen Worte aus ihrem Mund, die überliefert sind,
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stammen aus den Verhörprotokollen anderer Personen, die sich über Gespräche mit ihre ausgesagt haben. Auf ihren Namen bin ich gestoßen, als ich den Überrest der Kartei der Informanten der Sicherheitspolizei Kiew durchgesehen habe. Eine der Karteikarten betrifft sie.
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Explizit ist darauf gleich doppelt vermerkt, dass sie „Jüdin“ bzw. „mosaischen“ Glaubens sei.
Welches Schicksal verbirgt sich hinter dieser Karte? In der Literatur zur Oper in Kyjiw taucht sie nicht auf, die Datenbanken von Yad Vashem und des Holocaust-Museum kennen sie nicht.
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