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May 9 32 tweets 7 min read Read on X
Podcast 2 zum Spanien-Blackout von @solarpapst mit Michael Fette.
Das Brisante kommt am Schluss. Am Anfang wieder der Solarpapst gegen die Atomketzer - das würdige ich gesondert. Hier soll es nur um Fettes interessante Analyse gehen. (Evtl Fehler: auf meine Laien-Kappe!)
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Ab 10:43 kommt Fette zur Sache & wdh nochmal: dass die bisher Stabilität gebenden Kraftwerke rausfliegen, ist politische Entscheidung. Im
Ergebnis bekommen wir dynamisch verkoppelte Netze & Netzebenen, wo eine Menge Maßnahmen ergriffen werden müssen.
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18:40 Künftiges System: „Hopf-Punkt“ (Bifurkationspunkt, wo d System instabil wird & zu schwingen beginnt) ist früher erreicht. Bereits 1942 beschrieben für Synchrongeneratoren bei bestimmten Blindleistungs- und Spannungseigenschaften,
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wo die Spannungsregelung zu Instabilitäten führte, was den nutzbaren Bereich einschränkte. Hier ist die Ursache die dynamische Kopplung eines mechanischen (Schwungmassen) mit einem elektrischen System.
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20:00 Je früher das Erreichen dieses Punkts erkannt wird, desto mehr Zeit zum Reagieren!
Lage des Punktes hängt von den Lasteigenschaften ab - Frage dann: treten neue Schwingungen auf & können wir die feststellen?
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22:50 Feigenbaum-Diagramm: Punkte, wo aus einer Gleichung mit einem exakten Ergebnis infolge Parameter-Änderung eine mit zwei parallelen Lösungen für denselben Parameter wird & wenn weitere Veränderungen hinzukommen, es immer mehr parallele Lösungen (bis hin zum Chaos) gibt.
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Feigenbaum-Diagramme helfen dabei, zu erkennen, wo es die Punkte dieser Periodenverdopplung gibt. Forschung in Vergangenheit: wo sind diese Punkte im Energiesystem zu finden, sind sie im Realbetrieb erreichbar, von welchen Kriterien sind sie abhängig?
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Beispiel Frequenzregelung: oben ein stabiles System 1-50 Hz mit Schwingungsbereich als Ausgleichsvorgang, wo f auf stabilen Wert gedämpft wird, unten ein instabiles System, das immer mehr Energie aufnimmt & wo immer mehr Frequenzen hinzukommen.
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25:30 Die farbigen Linien bezeichnen Grenzen der Systemänderung (Stabilisierung, Zusammenbruch). Es sind diese Phasen, die uns beim #Spainout interessieren. Man kann den Beginn der Kollaps-Phase durch Messungen ermitteln & so Reaktionszeit gewinnen.
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Anbahnung Blackout USA/CAN 2003: man sieht keine stabile Sinuskurve mehr, sondern deformierte Größen und die „Feigenbaumsche“ Periodenverdopplung (die kleinen Peaks innerhalb der Kurven)…
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…die das Chaos ankündigt, bis zum Systemzusammenbruch. In der kleinen Grafik ein Blick auf einen ähnlichen Störfall im Mittelspannungsnetz in Trier 2006, der in der Zerstörung von Betriebsmitteln (Trafos) endete. Das waren Systeme ohne viel EE & Wechselrichter.
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29:00 Jetzt Spanien, 28.04.2025, 11:50 bis 12:40. Es kommt zu 2 vieldiskutierten „Hotspots“ mit f-Oszillation, schließlich Schutz-Aus von Generatoren. Aber interessant, so Fette, sei die Zeit *vor* dem Hotspot.
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29:50: Zoom in die Zeit ab 12:15, Frequenzmessungen Malaga, Riga (Grenzbereiche des ENTSOE, daher die entgegengesetzten Scheitelpunkte). Keine Sinuskurve mehr, sondern Deformationen mit Hüpfern und Einschnürungen, die
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auf magnetische Bausteine (Sättigungseffekte in Trafos & Generatoren) zurückgehen. Im weiteren Verlauf zeigen die Werte die für den Kollapsprozess typische Periodenverdopplung.
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Danach „rasten“ die beiden Oszillationsphasen mit großen Amplituden „ein“, die (ältere) Schutzgeräte bereits zum Reagieren bringen.
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Was macht die Spannung? (Werte aus dem Mittelspannungsnetz, 12-31 kV): ab 05:03, also 7 Stunden vor dem Störfall, Trafo-Stufungen, dh Versuche der Spannungskorrektur wg beginnender Drift, mittags dann die heftige Oszillation & Blackout.
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Später (38:00) sagt Fette, dass zwar die Höchstspannungswerte noch fehlen, aber Trafo-Stufungen (Korrekturversuche) aus dem Hoch- & Höchstspannungssystem gekommen seien. Es ist also zu vermuten, dass es dort genauso aussah.
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Am 30.04. gab es ein ähnliches Bild ab 5 Uhr. Vermutung: ab 5 Uhr beginnen sich mit Sonnenaufgang & Beginn der PV-Produktion die Wechselrichter zuzuschalten. Driftprozess beginnt. Trafos steuern dagegen.
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Da die Synchronmaschinen dynamisch gekoppelt sind, beeinflussen sie sich gegenseitig, können aus dem Tritt kommen & solche Oszillationen erzeugen (Nichtlinearität des Eisenkerns im Trafo). Das sorgt für Einschnürung / Deformation der Frequenzverläufe.
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Fazit: „prototypischer Kollaps, der hätte verhindert werden können“.
RoCoF, (=df/dt) Rate of change of frequency als Indikator der Robustheit: WR-basierte Anlagen können mit größerer Rate dagegenarbeiten als massenträge Großkraftwerke, allerdings nur sehr kurze Zeit,
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(weniger Energie gespeichert), was aber über die Masse ausgleichbar sei. RoCoF war nahe, aber <1, dh im Bereich, der den Kraftwerken keine Mühe hätte bereiten sollte. Sollte Schutz trotzdem eingegriffen haben, „waren es Fehleinstellungen“.
Zu RoCoF:
21 eepublicdownloads.entsoe.eu/clean-document…Image
Der „Fingerabdruck“ des Blackouts ist schön zu sehen; prototypischer Fall, der mit den Merkmalen der nichtlinearen Theorie beschrieben werden kann. Nun kommt es auf die Prävention durch Früherkennung an.
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38:00 Fette verweist auf F&E eigener Geräte: „Wir haben viele Preise gewonnen, aber wir haben kein Interesse erzeugt damit…man sagte mir, das alles funktionierte ganz anders & man bräuchte es nicht“. 😲
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Auch Analyse des 2003er Blackouts (Russo) zeigt den „Fingerabdruck“ mit deformierten Oszillationen & Spannungs-Drift Stunden vor Störfall, die Netzkomponenten haben Leistung/Energie ausgetauscht, „keine normalen Transienten“. 
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Σ in 10 Punkten!
1) man kann es messen
2) man kann Ursachen mit passender, aber heute noch nicht eingesetzter Technik früh erkennen
3) Lösungsansatz: wie verbessert man das Dämpfungs- & Regelungsverhalten & wie werden Veränderungsprozesse dargestellt?
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4) Hauptproblem nicht in den Komponenten als solchen, sondern in der Koordinierung des Spannungs-Blindleistungs-Haushaltes (daraus resultiert das Spannungsproblem)
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5) dh nicht WR oder Synchronmaschinen sind „schuld“, sondern nötig ist Abstimmung untereinander, Einstellung der Regler, Anpassung der Schutzeinrichtungen, Dämpfungsverhalten auf *allen* Frequenzen muss verbessert werden.
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6) Der #Spainout-Störfall ist reproduzierbar, siehe 30.4.! - er kann also jederzeit wieder passieren.
7) das Deformations- und Kollapsverhalten hat sich im ganzen europäischen Netz ausgebreitet,
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8) Fette: „Mir liegen auch Messungen aus deutschen Industrienetzen vor, die zeigen, dass Generatoren kurz vor der Außertrittfallgrenze waren, also ist es nicht  so, dass uns das nicht treffen könnte.“
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9) Eine Menge Arbeit kommt auf die Netzbetreiber zu. „Es geht nicht darum, einzelne Technologien zu verteufeln, sondern sie zu koordinieren“.
Jede hat Vor- & Nachteile, allerdings haben sie sehr unterschiedliche Zeitkonstanten, und ihre Koordination ist eine Herausforderung.
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10) wir brauchen Realmessungen, um das Problem bearbeiten zu können - reine Simulationsstudien werden das nicht leisten können.
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May 11
Was aus dem Spanien-Blackout für Deutschland gelernt werden kann: die Abwehrfront der Energiewende-Kapitalfraktionen steht. @maurerchr, @LionHirth und Simon Müller stecken mit eigenen Beratungsfirmen bzw NGOs mit drin in der lukrativen Energiewende-Staatsforschung.
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Vorhin machte ich ohne Lesen eine Wette: „Sie werden fordern, was sie immer fordern: mehr EE, mehr Leistungselektronik, nun zusätzlich netzbildende Leistungselektronik, mehr Geld, mehr Schulden. Wetten?“
Ich hab es 100% getroffen.
2zeitung.faz.net/faz/wirtschaft…
Was die Autoren nicht sagen: dass die Aufgabe, zigtausende Erzeuger mit netzbildenden Wechselrichtern und der zugehörigen digitalen Kommunikation auszurüsten, einen neuen, zusätzlichen, von der Allgemeinheit zu tragenden Milliarden-Kostenblock auf die „billigen“ EE lädt.
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May 10
Der europäische Stromverbund @ENTSO_E
bildet eine Untersuchungskommission & publiziert eine erste Chronologie des Spanien-Blackouts.
Das von 🇩🇪Atomgegnern gestreute Gerücht, das 🇫🇷AKW Golfech-1 könne mit einem Ausfall Auslöser gewesen sein, ist damit vom Tisch. Link unten.
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Initialisierung des Netzzusammenbruchs waren „different generation trips in South Spain“, und da steht kein AKW. In Frankreich und Portugal gab es laut ENTSOE keine Ausfälle in der Anbahnungsphase des Zusammenbruchs.
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Über die Netztrennung des AKW Golfech-1 gab es 2 Angaben, 12:33 und 12:34. Das kann auch mit Sekundenverzögerung der unterschiedlichen Reaktionen der Anlage zusammenhängen, aber auch 12:33 legt nahe, dass die Netztrennung eine Folge, nicht Ursache d spanischen Ereignisses war.
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May 1
Blackout in Spanien: hier die Vermutungen von Michael Fette, der frühere Blackouts auswertete (Link unten!).
• Symptomatik 3-4 h vor Kollaps: Oszillations- & Driftprozess bei der Spannung
• EE-Vormarsch + Industriewandel = Herausforderung durch dynamisch verkoppelte Systeme
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• hohe Durchdringung mit Leistungselektronik auf Erzeuger- wie Lastseite (Serverzentren!) begünstigt solche Oszillations-Ereignisse, die die Systeme dann in Schutz-Aus treiben
• falls das die root cause in Spanien war, haben wir ein Systemproblem. Perrow, ik hör dir trapsen.
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• mögliche Lösung wären Oszillationen/Drifts früh erkennende & dagegen arbeitende engineered safeguards, die aber eine zuverlässige Interaktion der Systemakteure und Vorgaben einer zentralen Instanz voraussetzen - im gesamten ENTSO-E
• noch ist das nicht Stand der Technik
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Apr 29
Der #Notstromthread. Was war mit den AKW beim Blackout in Spanien los? War das ein „Ausfall“ oder spielten sie gar eine Rolle beim Blackout, wie etliche Leute behaupten? Ich erkläre es im Detail & mit einer Überlegung, wie 🇩🇪AKW das Problem gelöst hätten.
1/23 Meine Handnotizen über die Stromversorgung eines deutschen Kernkraftwerks
Normalerweise hängen AKW am Landesnetz (in 🇩🇪400 kV) , in das sie einspeisen, und an einem Reservenetz (in 🇩🇪110 kV), auf das sie bei Zusammenbruch des Landesnetzes umschalten. Gelingt das nicht, weil totaler Blackout ist, was gestern der Fall war, gibt es 2 Möglichkeiten:
2/
1) Lastabwurf auf Eigenbedarf im Inselbetrieb (so würden es 🇩🇪AKW machen)
2) Notstromfall &
Nachkühlbetrieb (so haben es die laufenden 🇪🇸Westinghouse-PWR gemacht).
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Read 24 tweets
Apr 26
Ich habe heute beim @taz_lab mit zwei Atomgegnern diskutiert, - Oda Becker, die für Antiatom-NGOs gutachtet, und Armin Simon, Referent von „Ausgestrahlt“. Da war kein Platz für irgendeine Form von Verständigung; die Idee, wir wären mit AKW besser gefahren als➡️ Image
ohne, wurde voller Verachtung als „lächerlich“ vom Tisch gewischt, die 100% EE stünden doch kurz vor der Tür, Speicher gebe es noch und nöcher; Langzeitspeicherung kein Problem, CO2-Bilanz der fossil aufgerüsteren deutschen EE - négligeable; Systemrisiken, Strompreis ➡️
und Systemkosten-Explosiom? Nicht existent, AKW „gefährlich“, „technikgläubig“, das seien die AKW-Befürworter. Das taz-Publikum war wenig gnädiger. Ein Nukie hat in seinem kleinen Finger mehr questioning attitude zur „eigenen“ Technologie als diese beiden zur Energiewende.
Read 7 tweets
Apr 25
⚛️😔In memoriam 26.04.1986: diese Nacht von Freitag auf Samstag, die mich gegen die Atomkraft aufbrachte, aber schließlich (auf vielen Umwegen) zu ihr brachte: ein Lebensthema.
Tschernobyl war mein erstes AKW. In den nächsten Tweets finde ihr 3 wichtige Texte von mir darüber.
1/4 Ich als Studentin mit 2 Ingenieuren im Kontrollraum von Block 3 des AKW Tschernobyl, der 1987 wieder ans Netz gegangen war, 1991
Kernbild des RBMK aus der Lernkladde des Tschernobyler Ingenieurs Aleksij Breus, Muzej Čornobylja, Kyjiv
AKW Tschernobyl, Block 4 und 3 vor dem Unfall, 16.04.1986
„Mein Tschernobyl“, ein sehr persönlicher Text, den ich zum 30. Jahrestag geschrieben habe: immer noch aktuell.
2/4 nuklearia.de/2016/04/27/mei…
Hier ein kerntechnischer Thread mit einigen Überlegungen über die Unfallursache.
3/4 threadreaderapp.com/thread/1652619…Aleksij Breus, Der Untergang der Tschernobyler Titanic, Muzej Čornobylja, Kyjiv
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