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Mar 4, 2020 14 tweets 4 min read Read on X
Nein, es ist nicht besser für die Umwelt, je "reicher" wir werden.

@a_sator hat @amcafee zu seinem neuen Buch "More from Less" interviewt. Ich habe ein paar Probleme mit McAfees Analyse und seinen Schlüssen daraus.
derstandard.at/story/20001149…
Im Prinzip sagt McAfee ja nichts ganz Neues, es gibt genug Bücher und Artikel dazu.
Kernaussage: Der Kapitalismus ist super und sein Wachstumsimperativ kein Problem, weil wir Wachstum von Umweltzerstörung entkoppeln können. Er versucht das v.a. mit US-Daten zu belegen.
Es gibt bessere Experten als mich, um die Mängel in McAfees Thesen zur Entkopplung zu beschreiben. Einer davon ist @jasonhickel, der das hier getan hat:
McAfees Antwort:
Erneut Hickel:
Unterm Strich: McAfee schaut sich nicht den Material Footprint der USA an, sondern den Material-Konsum. Man kann für beides argumentieren, muss McAfee aber gar nicht für die Auswahl seiner Datengrundlage kritisieren, um seine Schlüsse nicht zu teilen.
Ich finde es noch viel problematischer, dass er die Entwicklung in den USA analysiert - und davon globale Handlungsanweisungen ableitet. Lassen wir relative Entwicklungen einmal beiseite: Die USA haben den siebthöchsten ökologischen Fußabdruck der Welt, den neunthöchsten bei CO2. Image
Ist es möglich, durch Regulierung und technologische Weiterentwicklung einen absurd hohen Ressourcenverbrauch gegenüber Zeiten praktisch ohne jegliche umweltpolitische Standards zu reduzieren: Ja. Kann das so weitergehen und ist der Trend verallgemeinerbar? Nein.
Dazu zwei Beispiele, die auch McAfee in seinem Buch bringt: Getränkedosen und Fracking.

Laut McAfee verwenden Getränkehersteller immer weniger Material bei der Herstellung von Getränkedosen, schlicht weil es günstiger ist und weil die Technologie sich weiterentwickelt.
Darum haben wir heute viel dünnere Getränkedosen, die nur mehr einen Bruchteil des Materials verbrauchen wir vor Jahrzehnten.
So weit so gut. Doch irgendwann stößt eine solche Entwicklung an eine Grenze - Dosen können nicht unendlich dünn sein.
Deswegen ist es wohl fraglich, ob alle aus Dosen trinken sollten - auch wenn das für das Wirtschaftswachstum positiv wäre.
Vielleicht sollten wir uns eher fragen, wie die Bedürfnisse "Trinken" und "Genuss" auch ohne Dosen erfüllt werden können.
Fracking: McAfee freut sich über die Reduktion der Emissionen in den USA und die geringere CO2-Intensität der Wirtschaft. Fracking steht er scheinbar unkritisch gegenüber, trotz extremen lokalen Belastungen bis hin zu Erdbeben und Gas im Trinkwasser der Menschen.
Aber man braucht gar nicht daran zu denken, um zu sehen, wie kurzsichtig das Beispiel ist. Wie Kohle ist auch gefracktes Gas endlich, es verursacht etwas weniger Emissionen, aber immer noch sehr viele. Das ist kein nachhaltiger Pfad, im Gegenteil, er verlängert Abhängigkeiten.
Solche Beispiele finden sich im Buch viele. Z. B. wird von Walbeständen geredet, die sich erholen (Was toll ist!), aber Insekten werden gar nicht erwähnt (Was problematisch ist, so wie deren extremer Schwund.)
Ein weiteres Problem ist die Dringlichkeit. Es ist gut, dass die Wirtschaft weniger energie- und CO2-intensiv wird. Mit Erneuerbaren und Effizienz allein werden die Klimaziele aber nicht schnell genug zu erreichen sein, es braucht ein Anders und in vielen Bereichen ein Weniger.
Unterm Strich: Man kann McAfees Datengrundlage kritisieren. Einige Beispiele scheinen willkürlich oder kurzsichtig. Er leitet von der Analyse v.a. der USA globale Handlungsanweisungen ab, was sehr fragwürdig ist. Die lautet: Wir brauchen mehr vom selben.

Das sehe ich anders.

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Aug 25, 2023
Die ÖVP schießt sich immer mehr auf die Klimabewegung ein und wird wohl vor der Nationalratswahl einen Law-and-Order-Wahlkampf fahren. Die Gefahr ist groß, dass die Bewegung ihr in die Karten spielt.

Was können wir dagegen tun? Ein 🧵
derstandard.at/story/30000001…
"Klimakleber" wurde mittlerweile zu einem Synonym für Klimaaktivist:innen/bewegung. Von immer mehr Leuten aus der Klimabewegung höre ich, dass ihnen das auffällt und negative Konsequenzen für sie hat. Dass es sich darauf auswirkt wie sie sich von anderen wahrgenommen fühlen.
2/17
Für 🇩🇪 zeigte sich in dieser @moreincommon_de-Umfrage, wie sich die Gleichsetzung "Klimakleber" = Klimabewegung auf die Sicht der Bevölkerung auf diese auswirkt. Die Zustimmung sinkt dramatisch. Für 🇦🇹 gibt es leider keine entspr. Zahlen.
3/17
Read 17 tweets
Jan 19, 2023
Sehr gut, dass wir dank dieser Recherche über CO2-Kompensation reden.

Aber das wahre Problem ist nicht, dass viele Zertifikate nutzlos sind: Das Problem ist, dass wir Kompensation überhaupt akzeptieren, anstatt Emissionen an der Quelle zu stoppen.

🧵🔽
zeit.de/2023/04/co2-ze…
CO2-Kompensation ist eine einzige Scheinlösung.

"Aber wir brauchen das Geld daraus, um wichtige Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen" antworten manche darauf.
Das ist falsch: Wir müssen Emissionen an der Wurzel beenden – und z.B. Waldschutz finanzieren. Unabhängig voneinander.
2/x
CO2-Kompensation führt in eine Sackgasse.

Warum? Schauen wir uns als Beispiel dafür die Firma Gucci aus dem Zeit-Artikel an.
3/x
Read 15 tweets
Jul 19, 2022
Liebe alle, ich will endlich weniger "Wir alle verdrängen die Klimakrise"-Bla hören und mehr Ideen dafür, wie wir die Lobbys und Politiker stürzen, die unseren Planeten unwiederbringlich zerstören.
derstandard.at/story/20001375…
Auch in den als den Klimawandel leugnend verschrienen USA hat eine überwältigende Mehrheit die Klimakrise verstanden – und will mehr Klimaschutz.

Grafiken von @YaleClimateComm: climatecommunication.yale.edu/visualizations…

Das Problem ist nicht Wissen – sondern Macht.
Die Menschen sind weiter als Parteien – auch bei konkreten Fragen der Klimapolitik.

In Deutschland gibt es durchwegs große Mehrheiten für ein #Tempolimit, auch bei Männern und sogar bei Unions-Wähler:innen.
Read 4 tweets
Jun 30, 2022
Should rich countries degrow their economies to stop climate change?

@NiranjanAjit with a very nuanced article for @dw_environment: on growth, the climate, poverty and more - with a lot of interesting thoughts, graphics and voices.

🧵 1/
dw.com/en/degrowth-gr…
Capping global heating at 1.5 degrees requires incredibly fast emissions reductions - and very likely negative emissions solutions. Some argue the former is only possible in a #degrowth scenario. @ysaheb points out the lack of literature on both degrowth & negative emissions.
2/ Image
Until now, world leaders have bet on green growth to solve this.
3/
Read 16 tweets
Jun 29, 2022
Live: Präsentation von #ÜbersKlimaReden – Klimakommunikationsprojekt von @ClimateOutreach, @Moreincommon_ und @klimafakten zur Situation in Deutschland.
🧵 Image
.@CarelMohn25 darüber, warum #ÜbersKlimaReden wichtig ist.
Er sagt: "Die Gesellschaft ist bereit für Klimapolitik – auf das Ansprechen und das Wie kommt es an. ImageImageImage
@CarelMohn25 .@CarelMohn25: "Leute sind bereit zum Handeln, aber wollen es auf ihre Weise tun." Image
Read 16 tweets
Nov 14, 2021
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