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Ich war heute in einem Vortrag von Gerhard Jorch, Kinderarzt, Neonatalogie-Professor und absoluter SIDS-Experte. Was ich daraus mitgenommen habe. (Thread aus der Erinnerung)
SIDS ist per Definition ein frühkindlicher Tod aus ungeklärter Ursache. In dem Moment, indem ein Grund erkennbar ist, ist es kein SIDS. Es gibt allerdings eine gewisse Unschärfe bei den dazu gezählten Fällen, weil längst nicht alle verstorbenen Babys obduziert werden.
Die SIDS-Fälle häuften sich in Westdeutschland seit den frühen 70er Jahren, also seit die Bauchlage als Schlafposition empfohlen wurde. In der DDR gab es kurzzeitig dieselbe Empfehlung, diese wurde jedoch nach wenigen SIDS-Fällen in Kinderkrippen zurück genommen.
In Westdeutschland starben während der Zeit der Bauchlage-Empfehlung jährlich über 1000 Babys an SIDS. In der DDR, wo die meisten Babys auf dem Rücken schliefen, gab es hingegen kaum Todesfälle. Dieser Zusammenhang fiel damals jedoch niemandem auf.
Als Prof. Jorch und sein Team Ende der 80er Jahre mögliche Risikofaktoren für den Plötzlichen Kindstod erforschten, stellten sie fest: zwei sind entscheidend. Die Bauchlage. Und das Rauchen der Eltern. Bei den meisten Fällen von SIDS kamen beide Risikofaktoren zusammen.
Seit in Gesamtdeutschland flächendeckend empfohlen wird, Babys zum Schlafen auf den Rücken zu legen und nicht in der Wohnung zu rauchen, ging die Zahl der jährlichen Todesfälle drastisch zurück. Heute liegt sie bei ~150 im Jahr.
Babys zum Schlafen auf den Rücken zu legen und als Eltern nicht zu rauchen (und wenn, dann möglichst nicht mehr als 10 Zigarretten pro Tag) senken das individuelle Risiko eines Babys, an SIDS zu sterben, auf 1:10 000. Eine unglaublich geringe Wahrscheinlichkeit.
Andere Schutzfaktoren existieren zwar, haben aber im Vergleich keinen signifikanten Effekt. Schlafsack, Schnuller, Stillen: alles nicht so wichtig, so lange das Baby in einem rauchfreien Haushalt auf dem Rücken liegt.
Für typische Low-Risk-Familien - nicht drogenabhängig, keine starken Raucher, aufgeklärt und empathisch - sinkt mit diesen beiden Handlungsempfehlungen allein das SIDS-Risiko so stark, dass es fast nicht mehr existent ist.
Von sehr, sehr seltenen Ausnahmefällen abgesehen sterben heute fast nur noch Babys aus High-Risk-Familien an SIDS. Sie haben oft sehr junge, alleinerziehende Mütter ohne Schulabschluss, die rauchen und von der Aufklärung über gesunde Schlafbedingungen nicht erreicht werden.
In solch einem High-Risk-Setting kann das SIDS-Risiko für ein Baby bei 1:100 liegen! Das ist unglaublich hoch. Deshalb sollte Aufklärung unbedingt auch diese vulnerablen Gruppen erreichen.
Leider ist die Aufklärung über SIDS oft nicht so klar, wie sie sein müsste. Eltern haben oft den Eindruck, es gäbe eine ganze Reihe ungefähr gleichrangiger Schutzfaktoren: Stillen, Schnuller, Schlafsack, eigenes Bett, kühles Schlafzimmer und so weiter.
Dabei gerät das Wesentliche schnell aus dem Blick: wie wichtig die Bauchlage ist. Und das Nichtrauchen.
Und das gemeinsame Schlafen im Familienbett? Davon wird so pauschal vor allem deshalb oft abgeraten, weil es vorhandene Risikofaktoren wie Rauchen noch verstärken kann. Ohne diese Risikofaktoren, also rauchfrei und in Rückenlage, gibt es kaum messbare Unterschiede.
Und schließlich sagte Prof. Jorch: Die großen Fragen des Elternseins lassen sich nicht allein wissenschaftlich beantworten. Schlaf soll schließlich nicht nur sicher sein, er muss sich auch gut anfühlen.
Wenn Eltern nicht rauchen und ihr Kind auf den Rücken legen, ist die Wahrscheinlichkeit unendlich klein, dass es an SIDS stirbt - ob im eigenen Bett oder im Familienbett.
Und wenn ein Kind sich im Schlaf selbst umdreht, können Eltern es zwar vorsichtig zurück drehen. Sie müssen aber nicht. Letztlich ist es eine individuelle Abwägung: was brauche ich für mein Sicherheitsgefühl?
Festzuhalten bleibt: Dank den aktuellen Erkenntnissen der SIDS-Forschung schlafen Babys heute hierzulande unglaublich sicher, die Zahl der Todesfälle geht jährlich zurück und es ist zu erwarten, dass sie dies mit zunehmender Aufklärung weiter tut.
Oh, ich meinte natürlich: die Rückenlage.
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