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Das Urteil des BVerfG ist in erster Linie eine Klatsche für den EuGH - sehr viel weniger für die EZB. Und das Anleihenkaufprogramm wird womöglich trotzdem weitergehen können, auch mit deutscher Beteiligung. Ein kleiner Thread 1/
Das BVerfG kritisiert, dass die EZB stur ein währungspolitisches Ziel (Inflationsrate um 2%) verfolgt, ohne sich mit den wirtschaftspolitischen Konsequenzen zu befassen. Sie hätte abwägen müssen, ob und wie lang die Folgeeffekte ihrer Strategie gerechtfertigt sind. 2/
Das BVerfG nimmt diese Abwägung nun aber nich etwa selber vor (was ihm sicherlich als Anmaßung von Kompetenz und Sachverstand bei hochkomplexen ökonomischen Fragen angekreidet worden wäre), sondern überlässt es der EZB, sie binnen drei Monaten nachzuholen. 3/
Wenn dies geschieht, und die EZB feststellt, dass die wirtschaftspolitischen Folgeschäden nicht außer Verhältnis zu den währungspolitischen Erfolgen stehen (und die Bundesbank diese Einschätzung teilt), darf die Bundesbank weiter an dem Programm teilnehmen. 4/
Die Feststellung der Verhältnismäßigkeit durch die EZB (bzw die zustimmende Einschätzung der Bundesbank und das mangelnde Einschreiten von Bundestag & Regierung) ließe sich dann ggf. in einem neuen Verfahren gerichtlich angreifen, wenn diese bezweifelt wird. 5/
Das BVerfG sagt also nicht, dass das Anleihenkaufprogramm unverhältnismäßig war, sondern nur, dass es an einer inhaltlichen Begründung durch die EZB mangelt, anhand derer sich berurteilen ließe, ob es unverhältnismäßig war. 6/
Deutliche schärfere Worte findet es für den EuGH. Dieser hatte das Programm 2018 durchgewunken, und dabei einen sehr großzügigen Prüfungsmaßstab angelegt, der die tatsächlichen wirtschaftspolitischen Auswirkungen des Programms weitestgehend ausgeklammert hat. 7/
Das BVerfG bezeichnet diese Art der Prüfung nun als "schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar" und "objektiv willkürlich". Bei einfachen Meinungsverschiedenheiten zwischen BVerfG und EuGH gehe die Einschätzung von Letzterem zwar vor. 8/
Das gelte aber nicht mehr, wenn der EuGH seine Prüfungskompetenz faktisch aufgibt, indem er einen Prüfungsmaßstab anlegt, bei dem letztlich alles durchrutscht, so wie in diesem Fall. 9/
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