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Die soziokulturelle Zukunft des Viertels.
Ein paar Gedankenfragmente in einem laangen Thread.

Hurra. Eine Kneipe äußert sich zum Cornern.

Wer das möchte, kann uns schnödes Eigeninteresse vorwerfen.
Wer uns kennengelernt hat in den letzten 3 Jahrzehnten, würde uns jedoch...
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...vielleicht zugute halten, das Gewinnmaximierung um jeden Preis nicht wirklich unsere Kernkompetenz darstellt.

Das Eisen ist ein Zimmer in einem liebgewonnenen sozialen Raum namens Viertel.
Wir versuchen dieses Zimmer hübsch zu machen – mit Gedanken und Taten. Aber es...
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...ist nur ein Zimmer von vielen.
In diesen Zimmern werden subkulturelle Angebote gemacht. Sie sind Wohn- und Spielzimmer (manchmal gar Kreißsaal) der musizierenden, schreibenden und darstellenden Kunst, sie sind die Küche, an deren Tischen all diese wunderbaren Ideen...
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...überhaupt erst entstehen, die unserem so durchrationalisierten Alltag überhaupt noch Verspieltheit, Tiefe und Leichtigkeit zugleich anbieten.

Im Bild geblieben sind die Straßen des Viertels die Flure und es wurde höchste Zeit, dass diese dem Diktat der Funktionalität...
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...beraubt und ein wenig mediterranisiert wurden.
Ein paar entspannte Corner-Bierchen am Eck… in der lauen Nacht mit Leuten ins Gespräch kommen… Super!
Doch wie auch beim Sommerurlaub besteht die Gefahr: Wer bei mediterraner Lebensart Florenz im Sinn hat und dabei nicht...
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...auf die Landkarte guckt, landet wohlmöglich am Ballermann.

Die Dosis macht wie immer das Gift und hemmungsloses Feiern ohne jegliche Form von Sozialverantwortung zerstört mit der Zeit alles, was uns bei „Reclaim the streets“ lieb und wertvoll war.
Es gibt in diesem...
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...Spiel (wie so oft in dynamischen gesellschaftlichen Prozessen) auf Anbieter- wie Nutzerseite Akteure, denen alles egal ist. Deren einzige Maßstäbe Gewinnmaximierung und Dichtballern um jeden Preis ist. Und jede*r, dem das Viertel mit all seinen Clubs, Nischen und Straßen..
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...als soziokultureller Raum etwas bedeutet, sollte sich fragen, ob sie/er sich in diesem Strom achselzuckend treiben lassen will.

Verantwortungsvolle Clubbetreiber versuchen soziale Räume anzubieten, in denen Kultur entstehen und lebendig werden kann, aber auch...
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...respektvollem und vorurteilsfreiem Miteinander ein Rahmen gegeben wird. Dieser Rahmen kann so manches Mal als einengend empfunden werden und so braucht es als anarchisches Gegengewicht unbedingt immer mal wieder die Straße als unbegrenzten Raum.
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Aber ich überlasse es Eurer Fantasie, Euch das Viertel vorzustellen wenn es die sozialen Raume der Clubs nicht mehr gäbe und diese komplett ersetzt würden durch den, sich auf den Straßen gerade durchsetzenden, kleinsten kulturellen Nenner des „AllYoucandrink und dann...
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...Ellenbogen raus“.

Genau das wird Eure Zukunft sein.
In ein paar Jahren gibt es keine Clubs mehr.
Billigbiere aus Kiosken und Supermärkten werden die Straßen fluten… und das war‘s auch schon.

Ja. Es ist so ernst.

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Wir Clubs haben in diesem Spiel mit Regeln und Pflichten, die nur für uns gelten (und die wir definitiv gut finden) so wenig Chancen wie Werder in der Championsleague.
Unsere Gäste gehen in unseren Läden auf Toilette und nicht in die Vorgärten.
Die Flaschen und Essensreste..
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...unserer Gäste werden in unseren Läden entsorgt und nicht in den Hauseingängen.
Wenn es bei uns zu wild wird, greifen wir regulierend ein.
Wir verstehen uns als Teil der Nachbarschaft. Ein lebhafter Teil, aber einer der versucht Verantwortung zu übernehmen und nicht...
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...durch sein Verhalten in den Vorgärten der Leute doch nur Verachtung dokumentiert für den Ort, den er/sie doch scheinbar allnächtlich so gerne aufsucht.

Für Verstöße gegen all diese von uns unterstützten Regeln, die bei anderen Akteuren tolerierter Teil des...
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...Geschäftsmodells sind, würden wir zudem schnell unsere Lizenz verlieren (ich muss gerade selber bitter lächeln für all diese Parallelen zum modernen Fußballgeschäft).

Also mehr Polizei und Ordnungsdienst nachts um 2 Uhr an den Brennpunkten?
Würde das nicht nur an den...
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...Symptomen herumnesteln? Mal davon abgesehen, dass mir die Beamten wahrlich leid täten, allnächtlich ein paar Hundert alkoholbedingt sehr gereizten Menschen gegenüberzustehen. Erfahrungsgemäß würde sich dann ordnungspolitisch an „Easy targets“ abreagiert...
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......werden (und schon sind wir wieder bei Clubs und Kulturschaffenden).

Ich bin ja auch weitgehend ratlos – die Zeiten sind auf so vielen Ebenen zehrend und ermüdend gerade.

Aber vielleicht wären das hier Ansätze:
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- Geschäftsmodelle hinterfragen, welche darauf basieren, ohne jede Eigenverantwortung den öffentlichen Raum zuzmüllen (eine Art soziokultureller „Naturschutz“)

- Alle Menschen (Ja! IHR!), denen das Viertel als sozialer Raum etwas bedeutet, versuchen sich klarer zu machen,
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...warum das eigentlich so ist.
Und wie jede*r einzelne dazu beitragen kann, all das war ihr/ihm hier etwas bedeutet, durch sein ganz persönliches Verhalten zu erhalten.

Und wenn am Ende dieses Prozesses die Entscheidung steht: „Kioskbier ist der heiße Scheiß!“
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...dann haben wir Clubs das selbstverständlich so zu akzeptieren, versuchen uns irgendwie zu arrangieren und danken gegebenenfalls irgendwann für die schöne Zeit.

Aber ich finde, wir hätten es verdient, dass dies eine ganz bewusste Entscheidung werden wird.
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Und nicht „irgendwie einfach so passiert ist“.

Danke.

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