Falls es interessiert: dachte, ich könnte Spannendes/wenig Bekanntes aus meiner Arbeit zu den Einsatzgruppen mal in einem Thread (surprise!) zusammenstellen. Aber CN Triggerwarnung: alles. Es ist wirklich, wirklich sehr schlimm.
Zu meiner Schulzeit kamen Einsatzgruppen gar nicht dran -obwohl Geschichte mein Lieblingsfach war, wusste ich überhaupt nichts von ihrer Existenz. Nur Wehrmacht im Osten und Kriegsverbrechen an russ. Kriegsgefangenen. Von Einsatzgruppen war keine Rede.
Während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse hieß es, der Fall der Einsatzgruppen sei von solch „such unprecedented brutality and of such unconceivable savagery that the mind rebels against its own thought-image [...]"
"[...] and the imagination staggers in the contemplation of a human degradation beyond the power of language to adequately portray.“ Deswegen, nochmal die Warnung: wem das zu viel ist - was ich absolut verstehen kann - dem empfehle ich, den Thread stummzuschalten.
Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes waren mobile Tötungskommandos, die hinter der sich nach Osten bewegenden Frontlinie der Wehrmacht unfassbar grausame Verbrechen begangen haben. Ihre Mitglieder kamen aus SiPo, SD, OrPo und Waffen-SS.
Aufgabe der EG war die Ausfindigmachung und Ermordung von sog. "Reichsfeinden". Der Begriff war jedoch sehr weit gefasst. Nach dem Überfall auf Polen waren die Einsatzgruppen dort zunächst mit der Ermordung der jüdischen Intelligentsia beauftragt.
Als Mitglieder der Intelligentsia zählten für die Nazis alle nicht-Arbeiter-Berufe - Ärzte ausgenommen. Das bedeutete: vor allem Akademiker, Lehrer, Angehörige des Klerus. Diese mussten nicht jüdisch sein, um ermordet zu werden - wer es war, hatte jedoch sehr schlechte Karten
Die EG waren auch mit der Ghettoisierung der Juden, die man nicht zur Intelligentsia zählte, beauftragt. So weit wir wissen, gab es für die EG in Polen noch keinen Befehl, auch Frauen und Kinder zu töten. Zu dieser Zeit wurden meist männliche Juden in "wehfähigem Alter" getötet
Das änderte sich jedoch schnell, innerhalb weniger Wochen, nach dem Beginn der "Operation Barbarossa", also nach dem Einmarsch in die Sowjetunion: die EG beginnen, auch jüdische Frauen, Kinder und Alte zu töten- Im September 1941 hatten alle EG diese Vorgehensweise übernommen.
Am Ende des Jahres 1941 hatten die Einsatzgruppen schätzungsweise zwischen 500.000 und 800.000 jüdische Zivilisten getötet. Der Internationale Militärgerichtshof (IMT) befindet im Okt. 1946, dass die EG insgesamt für den Tod von 2 Millionen Menschen verantwortlich waren.
Im neunten Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, in dem die EG behandelt wurden, nennt die Anklage 1 Million Opfer. Die Richter urteilen jedoch, dass die Ergebnisse dieses Prozesses nicht die Schätzungen des IMT widerlegen. Mehr zum Problem der geschätzten Opferzahlen später.
Zur Transparenz nenne ich mal kurz die Quellen, mit denen ich gearbeitet habe: die "Ereignismeldungen UdSSR des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes"von 1941, die von den einzelnen EKs und SKs zurück an das RSHA gingen, eine Art detaillierte Lageberichte.
Ich erzähle das Ganze am Beispiel des Einsatzkommandos 8, das bisher sehr wenig behandelt wurde. Ein weiteres wichtiges Quellendokument ist daher das Urteil des Landgerichts München gegen Otto Bradfisch, (einen der) früheren Chef des EK 8, das zu EG B gehörte.
Die Einsatzkommandos der EG B waren der Heeresgruppe Mitte zugeteilt und wurden in den "rückwärtigen Heeresgebieten" eingesetzt - weit hinter der sich nach Osten bewegenden Frontlinie und daher tief in erst vor kurzem erobertem Gebiet. Die EG B zählte anfangs etwa 655 Mann.
Zur Größenordnung: das EK 8 bestand aus 230 Männern der SiPo und des Berliner Reserve-Polizeibataillons 9, aufgeteilt in 6 Teiltrupps unter Führung von SS-Offizieren. Bradfisch setzte seine Untergebenen unter Druck, dass die Totenzahlen nicht hoch genug seien.
