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Denkmäler (und ihre Stürze) sind ja gerade hot shit, deshalb hier eine kleine Geschichte dieses Berliner Denkmals, das seit 1880 im Berliner Tierarten steht und "des Vaterlandes schönste Zierde" aka Königin Luise von Preußen (1776-1810) darstellt.
An den Initiatoren kann man gut beobachten, wer sich wie am Prozess der inneren Nationsbildung beteiliget und welche kollektiven Selbstbilder dabei entworfen wurden. Außerdem, wie die bürgerliche Berliner Oberschicht mithilfe von KL Frauen zu normieren suchten.
Außerdem ist es ein Beispiel für die Verflechtung von bürgerlicher und monarchischer Erinnerungskultur, denn kaum wurde über die Gründung des "Vereins zu Errichtung des Königin Luise Denkmals" berichtet, forderte Kaiser Wilhelm I. Informationen zum Projekt an.
Es ging schließlich um seine Mutter, zu der er – so die Selbstdarstellung der Hohenzollern – ein besonders enges Verhältnis gehabt hatte. Zudem wurden Darstellung von Mitgliedern der Königsfamilie in der Öffentlichkeit kontrolliert.
Wenn man ein Denkmal errichten wollte, hatte man vor allem ein Geldproblem, deshalb sollte der Verein in ganz Deutschland "Männer-, Frauen-, Jünglings- und
Jungfrauen-Zweig-Vereine" gründen, um das Geld aufzutreiben.
Errichtet werden sollte ein Nationaldenkmal und das ist nach Nipperdey wiederum der Versuch, "der nationalen Identität in einem anschaulich bleibenden Symbol gewiss zu werden" (1968:533), denn die Königin sei "nach allen Richtungen hin ein strahlendes Vorbild gewesen".
Das Protektorat solle nach Wunsch des Vereins das Kronprinzenpaar übernehmen. Vermutlich, weil Kronprinz Friedrich auch das Konzept für das Hohenzollernmuseum im Schloss Monbijou mit Museumsleiter Dohme erarbeitete.
Wilhelm I. fand das ganze aber uncool. Er befahl, darauf hinzuwirken, "statt eines Standbildes vielmehr eine Büste oder ein Relief aufzustellen", am besten auf der Luisen-Insel, er wollte die aus seiner Sicht private Initiative also kleinhalten.
Das ging sowohl für den Kaiser als auch für den "Verein zur Errichtung des Königin-Luisen-Denkmals" gründlich schief, weil nämlich der Berliner Magistrat unter Führung von Arthur Hobrecht das Projekt an sich riss. Der Kaiser solle entscheiden, wer ein Denkmal errichten dürfe.
Der Verein tut mir Leid, er hatte schon ein Büro eingerichtet und Spenden eingeworben, doch das gut vernetzte Denkmalskomitee des Magistrats übernahm die Spendensammlung in Berlin, schon im Februar 1876 einigte man sich mit dem Kaiser auf den Entwurf des Bildhauers Encke.
Zum 100. Geburtstag der Königin am 10. März 1876 schmiss das Komitee eine Fundraisingparty im Berliner Rathaus, bei denen Skizzen von Enckes Entwurf gezeigt wurden und kein geringerer als Heinrich von Treitschke eine unglaublich üble Rede über die Königin Luise hielt. Best of:
Warum war Königin Luise so super? Weil keiner über sie sprach: "Ganz deutsch, ganz preußisch gedacht ist das alte Sprichwort, das jene Frau die beste nennt, von der die Welt am wenigsten redet." (Preußische Jahrbücher 1876)
"Keine aus der Reihe begabter Fürstinnen, welche den Thron der Hohenzollern schmückten, hat unseren Staat regiert. Auch Königin Luise bestätigt nur die Regel [...] nie mit einem Schritte übertrat sie die Schranken, welche der alte deutsche Brauch ihrem Geschlechte setzt."
Aber es wird noch schlimmer "Es ist der Prüfstein ihrer Frauenhoheit, dass sich so wenig sagen läßt von ihren Thaten." Via Königin Luise wird hier die in der Öffentlichkeit nicht sichtbare Frau idealisiert.
Treitschke beschrieb die Königin als "in schamhafter Stille" verharrend. Und wie praktisch: Eckes Entwurf und Treitschkes Deutung fügten sich nahtlos aneinander: Die Königin, den Blick gesenkt, scheint in eben dieser Stille zu verharren.
Verschiedene Attribute weisen auf ihre Leidenszeit hin: Eine
Rose am Gürtel ihres Kleides spielt auf ihre Begegnung mit Napoleon an, der ihr diese Blume zum Geschenk angeboten haben soll. Die Perlen verband sie mit Tränen.Das sahen auch zeitgenössischer Kritiker wie Rosenberg so:
"die von der Last des Unglücks gebeugte Dulderin [...]. Es ist die Gattin, welche um die gekränkte Ehre ihres Gemahls trauert, die Mutter, welche um die Zukunft ihrer Kinder sorgt, die deutsche Frau, an deren Herzen das Leiden und die Schmach ihres Vaterlandes nagen" (GL 1880).
"Das Hochrelief des Sockels zeigt Szenen aus den ›Befreiungskriegen‹. Diese thematisieren die Situation von Frauen im Krieg: Abschieds-, Verwundetenpflege-, Trauer- und Heimkehrszenen sind abgebildet."
Doch das erfolgreiche Komitee – schon fünf Wochen nach Treitschkes Rede waren 30 000 RM gesammelt – hatte noch eine andere Deutung parat, vertreten von Theodor Mommsen (nein, diese Historiker!). Bei der ging es recht anzüglich um ihr Selbstopfer bei ihrem Treffen mit Napoleon.
»Sie aber ging, wie man sie hieß; & auch hier wirkte der Zauber, wenn er gleich selbstverständlich nicht half. Sie hielt es für die Pflicht der Königin auch das zu opfern,
was die Frau nicht opfern kann und darf" – was das sein sollte, überließ Mommsen dem Kopfkino seiner Zuhörer
1877 bekam Wilhelm I. einen Gipsabdruck zum Geburtstag und ließ für den "Bürgersinn" danken, mit dem ihm "ein Herzenswunsch" erfüllt werde. Auf die musste er aber noch bis 1880 warten, Fortsetzung folgt.
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