Das 🇪🇺-Wiederaufbauinstrument schrumpft gefährlich. Der Gipfel erleidet einen Rückfall in graue Einstimmigkeitsvorzeiten. Und manche Länder haben den Ernst der Lage immer noch nicht verstanden.
Ein (langer) Thread zum #EUCO-Verhandlungsstand:
Ein (langer) Thread zum #EUCO-Verhandlungsstand:
1/ Es gab die begründete Befürchtung vor diesem Gipfel, dass der Europäische Rat seinem Ruf als Verschlimmbesserer-in-chief alle Ehre machen würde. Es kam genau so. Der auf Kante genähte, aber letztlich sinnvolle Vorschlag der @EU_Commission vom Mai kommt voll unter die Räder.
2/ Das Wiederaufbauinstrument wird zusammengestaucht: Aus ursprünglich 500 Mrd Euro in zusätzlichen EU-Ausgaben sollen nun 390 Mrd werden. Das wird nicht ohne Folgen für den Kern des Instruments, die Recovery and Resilience Facility (RRF), bleiben, die bei 310 Mrd liegen sollte.
3/ Sollte die Abschlusssumme für die RRF deutlich unter 310 Mrd liegen und gleichzeitig der jetzige Verteilungsschlüssel beibehalten werden, stellt sich irgendwann die Frage, wie makroökonomisch durchschlagend das Instrument noch ist.
4/ Vor allem aber trifft die Kürzung des Instruments jene Posten, durch die das Instrument Teile der bestehenden Töpfe des EU-Haushaltes mitfinanzieren sollte - darunter die Töpfe für Gesundheit und für Forschung, Garantien für die EIB und sogar Agrar- und Strukturfonds.
5/Hier waren Kommission und Michel den Nettozahlern bereits stark entgegen gekommen: Sie schrumpften den eigentlichen Finanzrahmen auf ein Niveau, das einer kompletten Kompensation der wegfallenden britischen Beiträge durch Einsparungen entspricht. So zahlt niemand bis 2027 mehr.
6/Dafür sollten einige Ausgaben über das Wiederaufbauinstrument finanziert werden - doch die kommen nun auch auf den Hackblock. Dabei wird es vor allem die "modernen" Bereiche ohne garantierte Rückflüsse wie Forschung treffen - und nicht Gelder für Agrarpolitik und Strukturfonds.
7/ Im Ergebnis wird die drastische Kürzung des Instruments wohl zu einer weiteren Unterhöhlung des modernen Teils der EU-Haushalts führen - oder aber zu einer makröokomischen Verzwergung der RRF. Beides wäre falsch.
8/ Doch es kommt dicker: Die Niederlande haben bei der Frage, wie über die Verteilung der Gelder in der RRF entschieden wird, die Pandorabüchse der Einstimmigkeit aufgemacht. Sie wollen ein Veto, das sie über prozedurale Umwege auch bekommen werden, aber nicht so heißen wird.
9/ Dass das vermutlich nie genutzt werden wird und vor allem innenpolitisches Theater war, ändert leider nichts an der Tatsache, dass das vorhersehbar Viktor Orban bestärkt hat, seinerseits für eine Sperrung von Geldern bei Rechtsstaatsverstößen auf Einstimmigkeit zu pochen.
10/ Entsprechend sieht das wahrscheinlichste Ergebnis nun wie folgt aus: Ein geschrumpftes Wiederaufbauinstrument inklusive Rückfall in graue Einstimmigkeitsvorzeit; ein ambitionsloser Finanzrahmen; und ein zahnloser Rechtsstaatsmechanismus.
11/ Das ist immer noch nicht nichts - das Wiederaufbauinstrument ist weiterhin ein wichtiger Baustein für die Erholung in Europa und wäre trotz allem ein echter Meilenstein. Aber der Europäische Rat hat bis jetzt ganze Arbeit geleistet, seinem schlechten Ruf gerecht zu werden.
12/ Das liegt - von außen betrachtet - vor allem wohl daran, dass einige Länder immer noch nicht begriffen haben, wie gefährlich diese Krise für die EU wirklich ist - und weiter alleine auf Kostenreduktion aus sind. Das ist so kurzsichtig, dass es weh tut. Aber es funktioniert.
13/ Wenn sich das heute fortsetzen sollte, dann wäre es sinnvoll, erstmal abzubrechen. Wer kein konstruktives Interesse an einem Abschluss hat, dem sollte man nicht endlos hinterher rennen - das würde für alle sehr teuer. Manchmal helfen ja ein paar Wochen des Nachdenkens.
