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RT, damit der Ursprungstweet nicht zweckentfremdet wird:
Thread zu einem Thema im Thema #Hilfsmittelthriller
(Ups...später, der sollte noch nicht raus^^)
So, jetzt aber, wenn der Kreischlauf schon keinen Bock mehr auf Arbeit hat...*pfotenreib*
Kurze Warnung vorweg: Das ist *meine* Meinung und nicht verallgemeinerbar. Und ich beschmeiße euch nicht mit Quellen. Wer Bock auf tiefschürfende Lektüre aus der Gesundheitsethik, -philosophie und -ökonomik hat, möge die Open Access-Artikel auf PubMed plündern*.
*Wer Hilfe bei der Benutzung braucht und sie nicht online woanders findet, kann gerne winken. Aber bitte wirklich erst anderswo gucken, ich bin hier ja schließlich privat. ;)
Also. Hilfsmittel. Hilfsmittel gibt es unterschiedliche: Einweg-, Mehrweg-, Dauernutzung... Wer ihre Übernahme beantragt, tut das meistens nicht aus Bequemlichkeit oder Lust auf ein bisschen Luxus.
Stattdessen sind Hilfsmittel in der Regel notwendig, um gesundheitliche Beeinträchtigungen zu behandeln (mit Heilungs- oder Besserungsanspruch oder palliativ) oder ihre Folgen zu auszugleichen.
CN Körperzeug

Ich benutze z.B. Einwegkatheter. Jeden Tag. Mehrfach. Weil bei meiner Blase die Muskeln gegeneinander und gegen den Rest der Welt arbeiten. Ich muss sehr plötzlich zum Klo hechten und die Blase kann dann aber doch nicht. Oder nur halb.
Das Hilfsmittel, die Einwegkatheter, sind also gleich für mehrere Sachen da:
Blase wird leer und meine Nieren kriegen nicht noch einen Schaden deshalb, weil die schmollende Blase ihren Inhalt einfach zurückschickt.
Für die Katheter brauche ich immer wieder neue Rezepte, die ich dem deutschen Sitz der Herstellerin schicke. Jedes Quartal.
Das geht sicher auch unkomplizierter über Homecare-Modelle, bei denen Rezepte nicht den Umweg über mich nehmen. Aber ich hab Sachen, die meine Versorgung angehen, gerne selbst im Blick.
Entscheidungssache.
Wichtig im #Hilfsmittelthriller ist nämlich, dass Menschen eine Wahl haben. An möglichst vielen Enden. Damit das Hilfsmittel passt. Es gibt von fast allem 101 verschiedene Modelle. Auch bei Kathetern: Weichere, härtere, ein Stück länger oder kürzer, ...
Das setzt voraus, dass du dich durchtesten kannst. Wenn du nicht weißt, was es gibt, hast du keine Auswahl.
Und natürlich, dass du weißt, welche Organisationswege es gibt. Möglichst viel oder wenig, um das du dich selbst kümmern musst/kannst, ...
Das Testenkönnen ist dann erst recht wichtig, wenn es um Hilfsmittel geht, die dich länger begleiten werden. Einen Rollstuhl hat 1 nicht für ein Quartal und hopst dann in den nächsten, sondern meistens für ein paar Jahre.
Vielleicht braucht es auch mehr als einen Rollstuhl: Wenn ein Rollstuhlmodell so ist, dass jemand es 50 % der Zeit gut nutzen kann, braucht es vielleicht für die anderen 50 % einen anderen Rolli. Oder einen Rollator. Oder Unterarmstützen oder was auch immer passt.
Davon, dass Personen erfahren, was für Angebote es gibt und, dass sie testen können, was bei *ihnen* passt und was nicht, hängen bei Hilfsmitteln oft der Alltag und die Gesundheit ganz erheblich ab:
Mein Rollstuhl hat z.B. eine ganz bestimmte Bereifung, ist auf meine Körpermaße zugeschnitten und hat ein sehr geringes Eigengewicht. Wenn eins dieser Merkmale anders wäre, könnte ich ihn nicht benutzen.
Das weiß ich, weil ich andere Modelle testen konnte, anfangs mit anderer Bereifung gefahren bin und zwischendurch, wenn mein Gefährt in Reparatur war, Ersatz-Exemplare nehmen musste.
Und mich in Rollis von Freund*innen gesetzt habe, die solange mal eine Testfahrt mit meinem gemacht haben...😎😏
Danach waren meistens alle froh, wieder im eigenen Exemplar zu sitzen^^
Unpassender und unpassend ausgerüsteter Rolli ist, wie wenn dich jemand zwingt, bei Glatteis in High Heels über eine geflieste Treppe zu laufen: Geht steil abwärts, wird schmerzhaft und die Schäden können eskalieren.
Bei mir sind das bei nicht passenden Rollis Spastiken an der Wirbelsäule und in den Beinen, noch mehr Spaß mit der Blase als sonst schon, Sehnenscheidenentzündungen und Ödeme in den Flossen. Plusminus Stürze, je nachdem.
Hilfsmittel müssen also passen.
Nur...ist da noch die Sache mit der Finanzierung.
Die kann, ganz vereinfacht (ergänzt gerne) über unterschiedliche "große" Zweige dran sein:
- Sicherung einer Behandlung, Abwendung einer drohenden Behinderung oder Ausgleich derselben für den häuslichen Existenzbereich? 🐙🦑🐙-Kasse
- Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft? Andere Träger*innen der sozialstaatlichen Hilfen.
-> Kommunales Sozialamt/regionale Integrationsdienste/...
-> Rentenversicherung und Agentur für Arbeit bevorzugt dann, wenn es um Wiedererlangen/Erhaltung von Arbeitsfähigkeit geht
(Falls ihr wissen wollt, wer bei euch im Einzelfall zuständig ist: Die EUTB wissen das meistens...oder wissen, wer das wissen müsste. Bevor 1 sich tottelefoniert oder -mailt.^^)
Bei sowas wie meinen Kathetern ist der Fall klar wie...äh...ja, Wasser. Krankenkasse.
Rolli? Auch: Krankenkasse. Wenn du ohne etwas im Zweifelsfall nicht vom Bett zum Klo kommst, besteht kaum Diskussionsbedarf.
Oder?
Womöglich sieht die Kasse das anders: Wenn du an einem Tag den E-Rolli brauchst, weil deine Armmuskeln nicht mit dem Aktivrolli klarkommen, du den aber am anderen benutzen kannst und dann auch solltest, damit die Muskulatur gefordert wird...zwei Gefährte.
E-Motions, also Aktivrollis mit fest "angedockter" Restkraftunterstützung per Motor, sind übrigens kein Hybrid zwischen E-Rolli und Aktivrolli. Die haben Eigenschaften, die sie zu etwas Drittem machen. ;)
Die Kassen beurteilen bei Entscheidungen formal immer in der Balance zwischen individuellem Bedarf und Wirtschaftlichkeit.
Und hier wird's böse:
Hilfsmittel sind nämlich scheißteuer. Die Kassen gucken, wenn jemand Bedarf per Rezept anmeldet, also als erstes: Ist so ein Hilfsmittel schon im Pool?
Nicht bei sowas wie Kathetern. *hüstel* Das wäre etwas arg ambitioniert. Aber bei sowas wie großen Mobilitätshilfen.
Im Pool liegen Hilfsmittel herum, die gerade niemand nutzt. Mit Identifikationsnummer, Hersteller- und Zustandsbeschreibung und ungefährer Einschätzung, welchen Reparaturbedarf die gerade haben. Vielleicht passt was davon? Vielleicht nicht.
Wenn nicht, müsste die Stelle, die für die (anteilige*) Finanzierung zuständig ist, die Neuanschaffung bewilligen und (mit)finanzieren.

*Leistungen zur Teilhabe werden i.d.R. nur anteilig übernommen
Mein Rolli musste z.B. neu gebaut werden, weil kein im Pool herumstehendes Gefährt gepasst hätte. Hu, für die Kosten hätte ich auch mit 'nem Kleinwagen vom Klo zum Bett fahren können. Aber der hätte nicht durch die Tür gepasst, ihr kennt das.
Also prüfen die Leistungsträger*innen je nach Hilfsmittel sehr, sehr genau oder jedenfalls sehr umfassend, ob das wirklich finanziert wird.
Oder...tadaaa, ob nicht vielleicht eine andere Stelle in der Pflicht ist:
Zweite Mobilitätshilfe aka zweiter Rolli oder Add On wie ein Vorspannbike? Vielleicht doch nicht die KV, weil das Leistungen zur Teilhabe sind? Oder die Unfallversicherung? Oder die Rentenversicherung, weil du damit zur Arbeit willst?
Oder das Versorgungsamt, weil du wegen des Grundes, weshalb du das Etwas beantragst, Leistungen nach dem Opferentschädigungsrecht bekommen könntest? Oder oder?
Solche Prüfungen nehmen Zeit in Anspruch. Je nach Hilfsmittel brauchst du es aber. Dringend. Eigentlich sofort.
Deshalb sind Krankenversicherungen gehalten sich schnell zu kümmern. Nach drei Monaten darf 1 die KV deshalb verklagen. Oder sich (niedrigschwelliger) beschweren.
Hier zum Beispiel: bundesamtsozialesicherung.de/de/service/bes…

(Danke, Twitter^^)
Was auch passieren kann, ist, dass eine Möbiusschleife aufgeht: Die KV sagt Nein und bietet eine Alternative an, die du nicht beantragt hast, weil sie nicht die notwendigen Eigenschaften für dich mitbringt. Siehe oben zum Thema unpassende Hilfsmittel.
Du legst Widerspruch ein. Die KV prüft das. Dann will sie nebenan noch nachfragen, ob nicht doch jemand anderes in der Leistungspflicht ist. Und die andere Stelle muss dann prüfen, ob du Anspruch hast. Und falls die Nein sagt, legst du Widerspruch ein. Und...
...vielleicht klagst du irgendwann. Alleine oder mit Hilfe des VdK oder sonstwem. Aber auch das kostet Zeit.
Soweit böse, soweit im eingangs retweeteten Artikel beschrieben.
Jetzt wird's diskutabel.

Denn die Lösung des Problems ist bisweilen Crowdfunding.
Entweder komplett oder vorübergehend. Vorübergehend so, dass Privatpersonen zusammenwerfen, bis jemand das Hilfsmittel selbst zahlen kann, und die Person klagt gegen die KV oder wen auch immer und gibt das Geld bei einer gewonnenen Klage zurück.
Von meiner Seite aus ist die letztere Version erstmal völlig theoretisch gedacht, weil ich die noch nicht in der Praxisanwendung mitbekommen hab, aber gehen sollte das, wenn sich Privatpersonen nicht oder nur semi-anonym beteiligen.
Crowdfunding für Hilfsmittel ist wie Crowdfunding für Medikamente in Deutschland noch nicht halb so verbreitet wie z.B. in den USA.
Es gibt an dem Ende alles Mögliche, einschließlich Tipps online, wie du deine Kampagne besonders gut aufziehst. Bilder. Emotionen. Wie persönlich lässt sich das gestalten. Wo kannst du das Crowdfunding bewerben. Und so weiter.
Manchmal funktioniert das. Menschen bekommen die Medikamente oder Hilfsmittel, die sie zum Über-/Leben brauchen und die ihnen die staatlichen Gesundheitssysteme (falls überhaupt halbwegs etablierte existieren) versagen.
Es ist bitter nötig, dass Medis oder Hilfsmittel ankommen, wo sie gebraucht werden.
Und es ist klasse, dass es dann die dafür notwendige Solidarität zwischen Leuten gibt sich gegenseitig zu helfen.
Die Kehrseite der Medaille ist zum einen halt, dass die, die sich bei sowas als erstes solidarisch zeigen, meistens die sind, die wissen, wie beschissen es ist, wenn 1 von staatlichen Sicherheitsnetzen fallengelassen wird. Wir helfen uns gegenseitig. Klar.
Zum anderen, und das ist zum Kotzen: Zumindest in Deutschland sind die Leistungspflichten und Rechte auf Versorgungs- und Teilhabeleistungen ~ relativ ~ klar ausdefiniert. Jedenfalls für alle, die eine gesetzliche Versicherung haben (nope, nicht alle Leute sind krankenversichert)
und die Regelleistungen in Anspruch nehmen dürfen (wer nach dem AsylBG versorgt wird, hat nochmal die special edition an Beschränkungen vor der Nase).
*Wenn* Crowdfunding für ein Hilfsmittel erfolgreich ist, hat eine Person das, was gerade bei Hilfsmitteln vielleicht notwendig ist, wenn jemand nicht krank/kränker werden/sterben/wegen sinnfreier Einschränkungen durchdrehen will.
Aber die, die eigentlich zahlen sollten, kommen davon. Außer, jemand hat die Kraft übrig, dann tatsächlich noch - wie die Person im Artikel es plant - eine Klage durchzuziehen. Und danach vielleicht noch eine.
Sowas kostet richtig Nerven. Und es ist absolut nachvollziehbar, wenn eine Person sagt: Ich hab das Hilfsmittel und alle Kostenträger*innen mögen in ihren Bescheiden versauern, ich bin froh, wenn ich jetzt nicht unterwegs zu k.o./krank geworden bin, um das Hilfsmittel zu nutzen.
Aber ich glaub, das wäre da, wo Menschen sich das irgend vorstellen können, der zweite Punkt in Hilfsmittelthrillern, wo wir uns gegenseitig mit Soli zukippen sollten: Sich gegenseitig dabei zu unterstützen, dass die Kostenträger*innen doch noch zahlen müssen.
Weil jedes einzelne Mal, dass sich eine gesellschaftlich getragene Institution aus der Verantwortung winden kann, einen Lerneffekt hat. Und so funktioniert Sozialstaat nicht.
Wir können vielleicht nicht dafür sorgen, dass Hilfsmittel nicht mehr absurd teuer sind. Aber wir könnten uns damit dahinterklemmen, dass die, die die Hilfsmittel zahlen müssten, ein größeres Interesse daran bekommen, Verhandlungen anders zu führen.
Ansonsten ist die Motivation einfach groß, die Schraube weiterzudrehen. Und irgendwann bricht sie - und vermutlich kriegen wie das sogar noch mit.
*wir, nicht wie
Deshalb - unterstützt euch nicht nur dann, wenn es um das konkrete Hilfsmittel geht. Sondern erst recht dann, wenn es darum geht, parallel oder im Nachgang doch noch dafür zu sorgen, dass die Kosten erstattet werden.
Mal so als skurrile Idee zusammenphantasiert: Wenn jemand eine Erstattung bekommt und nicht mehr nachvollziehbar ist, wer sich an einem Crowdfunding alles beteiligt hat...
...könnte das Geld für Klagen verwendet werden. Oder für gruselige Selbstbeteiligungen. Oder das nächste CF.
Hauptsache, es tut sich nicht eine Art Parallelwelt der praktischen Solidarität auf, die den Sozialstaat komplett aus der Verantwortung flattern lässt. Das ist in manchen Bereichen zeitweise notwendig, aber in der Gesundheitsversorgung wäre das eine Katastrophe mit Ansage.
(Unter anderem deshalb, weil Behinderungen und chronische Erkrankungen einmal quer durch alle Communities existieren...und auch da, wo Menschen keine Community haben und keinen Zugang zu einer finden.)
Thread Ende.
Und natürlich ein PS: Ich will, und das ist *meine Entscheidung für mich und niemanden sonst*, übrigens bei dem Hilfsmittel, das ich gerade ~ nicht ~ kriege, aber brauche, kein CF. Falls ich Futterpakete brauche, melde ich mich.^^
PPS: Ich will mein Blog zurück.
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