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Aus gegebenem Anlass, roter Sauce und überhaupt, erkläre ich Euch heute mal, was eine Beleidigung ist. Spoiler: Es genügt nicht, dass sich jemand beleidigt fühlt. Dies ist zwar notwendige Voraussetzung, nicht aber hinreichend für den Tatbestand der Beleidigung. 1/
Inhalt jeder Beleidigung ist der Ausdruck der Missachtung gegen einen anderen. Zutreffende Tatsachenbehauptungen und wertneutrale Bezeichungen sind jedenfalls keine Beleidigung. Begriffe wie "Schwuler" oder "Jude" sollen danach keine Beleidigungen sein. 2/
Davon soll es Ausnahmen geben, und jetzt wird es schon arg schwierig. So sollen solche Äußerungen doch Beleidigungen sein können, wenn sie "in rassistischem Zusammenhang und diskriminierender Absicht" gesprochen werden oder der Bezeichnung eine abwertende Konnotation zukommt. 3/
Wann aber hat ein Wort eine "abwertende Konnotation"? Nach dem StGB-Kommentar von Fischer dann, wenn ihm diese "nach allgemeinem Verständnis" zukommt. Wann aber ist ein Verständnis "allgemein"? Je mehr der allgemeine Konsens bröckelt, desto unklarer wird das. 4/
Und dann findet sich in der Kommentierung zu § 185 StBG bei Fischer ausgerechnet folgender Satz: "So kann etwa der Begriff "Zigeuner" eine Vielzahl von Bedeutungen und Konnotationen haben, die keineswegs sämtlich beleidigenden Charakter haben". 5/
Fazit: Das Wort "Zigeuner" kann eine Beleidigung sein, muss aber nicht - wie praktisch jedes andere Wort auch. Kurz zusammengefasst: Bei der Beleidigung muss der Sender den Empfänger herabwürdigen wollen und der Empfänger muss dies auch so empfinden. 6/
Sender und Empfänger müssen nur ein gemeinsames Verständnis haben, nach dem das jeweils benutzte Wort herabwürdigend ist. Sobald das der Fall ist, kann jedes beliebige Wort eine Beleidigung sein. Halten Sie sich fest: 7/
Wenn ich weiß, dass mein Gegenüber Heringsverkäufer für absolut verachtenswerte Gestalten hält, dann wäre "Heringsverkäufer" ihm gegenüber eine Beleidigung. Wenn ich einen Verteidigerkollegen übel beschimpfen möchte, sage ich "Landgerichtsvorsitzender" zu ihm.
Kleiner Scherz. 8/
Im Grunde müsste ein Gericht - bevor es wegen Beleidigung verurteilt - eingehend erforschen, ob es ein gemeinsames Verständnis der inkriminierten Worte bei Sender ("Täter") und Empfänger ("Opfer") gibt. Gibt es dieses gemeinsame Verständnis nicht, gibt es auch keine Beleidigung.
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