Vergangene Woche habe ich kritisch hinterfragt, ob es angemessen für die Bundesbank ist,als Top-Nachricht auf der eigenen Webseite die Überschrift „Coronakrise lässt TARGET2-Saldo auf über eine Billion Euro steigen“ zu bringen.
In dem Tweet geht es mir nicht darum, die Debatte um #Target2 abzuwürgen. Das ist eine wichtige Debatte. Darum habe ich mich auch selber schon sehr früh an der Debatte beteiligt, z.B. hier mit @schieritz : voxeu.org/article/german… 3/
Ich habe auch nichts dagegen, dass die Bundesbank die Größenordnung berichtet, über die Ursachen und Folgen aufklärt. Das ist alles gut und wichtig. 4/
Nur: Meine Frage war, ob wirklich ein Überschreiten einer nominalen, willkürlichen, aber psychologisch wichtigen Marke bei den TARGET2-Forderungen es wert ist, die Topmeldung der @bundesbank Webseite zu werden. 5/
Ob jetzt die Target-Forderungen Deutschlands 999,9 Mrd. € oder 1000,1 Mrd. € ausmachen, ist ökonomisch weitgehend irrelevant. Die Grenze von 1000 Mrd. € ist einzig dazu geeignet, dem (eher Nicht-Fach-)Leser die immense Größe zu signalisieren. 6/
Für Medien sind solche Schlagzeilen angemessen, um in der Öffentlichkeit durchzudringen und (natürlich) am Ende Zeitungen oder Werbung zu verkaufen. Bei manchen Journalisten mag es auch zur politischen Agenda passen, dem Leser einen Schrecken einzujagen. 7/
Zentralbanken und Statistiker sollten aber informieren, nicht hektische Aufmerksamkeit erzeugen. Eine Schlagzeile wie die der #Buba aber schafft solche Aufmerksamkeit, auch wenn die Analyse dahinter (wie im Fall der Buba&Target2) seriös ist. 8/
Deshalb ist die @bundesbank Schlagzeile etwas, was man in Medien findet, aber üblicherweise nicht bei @destatis, und meiner Wahrnehmung nach auch nicht bei anderen Zentralbanken. 9/
Die Kritik an dieser nominalen Darstellung stand auch in meinem Tweet („ökonomisch irrelevant, weil nominal“). Leider wurde dieser Teil des Zitates in der @faznet nicht mit wiedergegeben. 10/
Herr Braunberger merkt an, dass ich bei der Financial Times Deutschland gearbeitet habe, die „nicht gerade für dezente Überschriften bekannt war“.Beides stimmt.Für eine Zeitung (selbst für die @faznet mit dezenten Schlagzeilen) wäre die Überschrift ja auch angemessen gewesen. 11/
Aber: Eine Zentralbank ist keine Zeitung. Aufgabe der Zentralbank ist, gute Geldpolitik zu machen und diese der Öffentlichkeit zu erklären. Aufgabe der Medien ist, die Zentralbank kritisch dabei zu begleiten und zu hinterfragen. 12/
Es ist aus meiner Sicht genauso verfehlt, wenn eine Zentralbank versucht, knackige Schlagzeilen zu produzieren, wie wenn eine Zeitung versuchen würde, zum Verlautbarungsorgan einer (wie auch immer hoch angesehenen) Notenbank zu werden. 13/
Dieser Hinweis auf Aufgaben verschiedener Institutionen in einer Gesellschaft, auf die „Checks and Balances“, ist meiner Meinung nach nicht „Intoleranz“, sondern Hinweis auf demokratische Spielregeln. 14/
Wo ist nun das Problem mit der Schlagzeile der @bundesbank? In Deutschland gibt es genug irrationale Diskussionen um eine vermeintlich verfehlte Geldpolitik der @ecb, ohne neues Öl ins Feuer zu gießen. 15/
Mit der Überschrift gibt die @bundesbank jenen einen Kronzeugen, die das Überschreiten der 1000 Mrd. € Marke bei den #Target2-Salden skandalisieren wollen (weil die Schlagzeile bei der Buba ja signalisiert, dass das Überschreiten wichtig ist). 16/
Das passiert zu einem Zeitpunkt, an dem in anderen Teilen der €-Zone das Verhalten und die öffentliche Kommunikation der @bundesbank nicht immer als konstruktiv wahrgenommen wird; zuletzt gab es (für Zentralbanker) wenig dezente Kritik für die öffentlichen Äußerungen 17/
In einer solchen Situation sollte jede Institution mit Gewicht und Bedeutung wie die @bundesbank vorsichtig mit ihrer Kommunikation sein.
Mir fällt es schwer zu verstehen, wie man einen Hinweis auf diese Zusammenhänge als „Intoleranz“ in der Debatte auslegen kann. 19/
(Ich schätze sonst die Arbeit von Herrn Braunberger sehr; in meiner Sicht hat sich mit ihm die volkswirtschaftliche Berichterstattung der @faznet massiv verbessert. Von daher finde ich es schade, wenn er meine Tweets so missversteht.) /END
Hier jetzt etwas mehr Details zu #Haushalt & #Wachstumsinitiative.
Vorweg: Wie man das Ergebnis bewertet, kommt natürlich auf das mentale Referenzszenario an. Hätte ich mir (wenn es keine #Schuldenbremse gäbe) etwas anderes gewünscht? Ja.
Das Leben ist ja kein Wunschkonzert. Es gibt die Schuldenbremse und auch keine absehbare politische Mehrheit, diese schnell zu ändern. Und im Vergleich zu den Szenarien, die denkbar gewesen wären, ist das Kompromissergebnis aus meiner Sicht ziemlich gut. 2/
Es ist zunächst positiv, dass der Haushaltsstreit der Ampel-Koalition jetzt (hoffentlich) beendet ist. Die anhaltende Unsicherheit alleine war bereits ein Wachstumshindernis. Positiv ist außerdem, dass wohl massive Einschnitte im Bundeshaushalt vermieden werden konnten. 3/
Angesichts der aktuellen Debatte, wie man Fachkräfte zur Mehrarbeit bringen kann und welche Rolle die Frauenerwerbstätigkeit dabei spielt, ist ein Blick auf die Daten hilfreich. Wie so oft mit Empirie: Es gibt Überraschungen! Ein 🧵 1/
Grundsätzlich: Seit den frühen 1990ern und auch gegenüber 2006 ist Gesamterwerbstätigkeit vor allem bei Frauen gestiegen. 2/
Besonders deutlich ist der Effekt bei älteren Frauen, der Ausstieg aus dem Arbeitsmarkt hat sich bei vielen nach hinten verschoben. Und ab Mitte 40 steigt die Erwerbstätigkeit sogar noch einmal und liegt bei den älteren Jahrgängen höher als bei den Jüngeren. 3/
Die Idee von @c_lindner , #Überstunden steuerfrei zu stellen, ist nicht neu. Im Herbst war sie bereits von der CDU ins Gespräch gebracht worden. Die Idee bleibt aus meiner Sicht aber eine schlechte Idee, aus einer ganzen Reihe von Gründen: 1/
Erstens gibt es keinerlei empirische Evidenz, dass Beschäftigte in relevantem Maß derzeit Überstunden jenseits der Vollbeschäftigung ablehnen würden, weil heute die Steuerbelastung zu hoch wäre. Von daher ist der Effekt auf das Arbeitsangebot unklar. 2/
Zweitens schafft eine Besserstellung von Überstunden den Anreiz bei den Unternehmen, lieber auf überlange Arbeitszeiten zu setzen, statt Nachwuchs zu rekrutieren oder auszubilden oder bei Teilzeitbeschäftigten die Voraussetzungen für Mehrarbeit zu schaffen. 3/
Weil das bei einigen ÖkonomInnen in der Debatte wild durcheinander zu gehen scheint:
Die EU-Lieferkettenrichtlinie sollte nie europäische oder deutsche Arbeitsstandards weltweit durchsetzen.
Es geht vielmehr um grundlegende Menschenrechte und @ILO -Kernarbeitsnormen. 1/
Dabei geht es um Dinge wie das Verbot von Sklaven- und Zwangsarbeit ebenso wie Kinderarbeit, die Garantie grundsätzlicher Organisationsfreiheit sowie des Diskriminierungsverbots aufgrund von Ethnie, Geschlecht oder Religion. 2/
Wer es im Detail nachlesen will: Hier die Liste der Normen, die durch die EU-Richtlinie geschützt werden sollte:
(Übrigens überwiegend von den meisten Ländern weltweit unterzeichnet.) 3/eur-lex.europa.eu/resource.html?…
Neuer @IMKFlash Policy Brief von Lukas Endres zur CO2-Bepreisung und #Klimageld.
Ergebnis: Ein – wie absehbar ab 2027 stark steigender – CO2-Preis würde auch in der Mitte der Verteilung zu vielen VerliererInnen führen. Ein 🧵 1/ imk-boeckler.de/de/faust-detai…
Was haben wir gemacht? Wir haben mit Haushaltsdaten aus der Einkommens-und Verbrauchsstichprobe errechnet, wie stark ein CO2-Preis von 275 €/t im Jahr 2030 Haushalte jeweils belasten würde und eine Entlastung durch eine volle Rückerstattung mit einem Klimageld gegengerechnet. 2/
Das Ergebnis: Es bleiben fast 5 Mio. Hauhalte (etwa 11 %), die netto (also nach Zahlung des Klimageldes) stark belastet bleiben, im Saldo mehr als 2 % ihres Nettoeinkommens verlieren. Dabei sind dies nicht reiche Haushalte, sondern verstärkt jene in der Mitte der Verteilung. 3/
Aktuellen Debatten vermitteln den Eindruck, in Deutschland seien die Sozialausgaben explodiert und der Staat über alle Maße aufgebläht worden.
Ein genauer Blick auf die OECD-/EU-Statistiken offenbart: Dieser Eindruck ist von Fakten nicht gedeckt.
Ein 🧵1/
Fangen wir einmal mit dem Wachstum der realen öffentlichen Sozialausgaben der vergangenen 20 Jahre an.
Hier liegt Deutschland bei den OECD-Ländern ziemlich weit hinten - d.h. die Sozialausgaben sind WENIG gewachsen. 2/
Nun könnte man denken, 🇩🇪 habe halt schon vor 20 Jahren einen im internationalen Vergleich aufgeblähten Sozialstaat gehabt, wie sieht es also mit Sozialausgaben relativ zur Wirtschaftsleistung aus? Auch hier ist Deutschland im Vergleich der reichen OECD-Länder unauffällig. 3/