Thread by @thestoryofbecci

Der Mann ist krank: Untertemperatur, obwohl schweißgebadet. Abgeschlagen, blass. Kann sich kaum einen Meter bewegen, ohne sich hinzusetzen. Wo er sein sollte: Mit Wärmflasche und Tee im Bett.
Wo er stattdessen ist: Am Schreibtisch, denn der Mann ist Lehrer.
#twlz #lehrerbashing

Er beschreibt seine Unterrichtsvorbereitung kleinkindgerecht schrittweise schriftlich für fachfremde Kollegen (GMS). Er hat ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil jemand nun für seine Schüler ein einziges Arbeitsblatt mehrfach kopieren muss und er es nicht selbst tun kann.

Er schreit den PC an und hat Tränen in den Augen, weil er in einer Klasse ein neues Thema einführen wollte und sucht nun verzweifelt nach einer Alternative.
Er hat eine halbe Stunde mit sich (und mir) gehadert, ob er nicht doch in die Schule gehen könne, denn er werde gebraucht.

Er hätte es beinahe in Kauf genommen, den ganzen Tag im Durchzug zu stehen und dann womöglich länger krank zu sein oder gar jemanden anzustecken. Einzig und allein die Tatsache, dass in Zeiten der Pandemie das Hinfahren mehr schaden könnte, hat ihn letztlich überzeugt.

Er hat lang überlegt, wie er die Info an die SL formuliert, damit niemand denken könnte, er habe keine Lust oder es sei gar nicht so schlimm. Möglicherweise schützt er die gesamte Schulgemeinschaft und hat das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, es aber gar nicht zu können.

Wenn es etwas Harmloseres ist, wird er den Rest des Schuljahres bei solchen Entscheidungen darauf verweisen, dass er doch bereits im Oktober einen Tag gefehlt habe und dies nicht wieder vorkommen könne.

Dies alles abgesehen von zahlreichen Zusatzaufgaben, Aufsichten, Telefongesprächen, Schülergesprächen, Elterngesprächen, die er seit April ständig und unermüdlich durchführt. Der Mann ist jung und erst wenige Jahre im Beruf. Er macht den Job gerne.

Irgendwann in den nächsten Jahren wird er vor der Entscheidung stehen: Die eigene körperliche und psychische Gesundheit priorisieren, oder in absehbarer Zukunft Richtung Burnout abdriften. Ich hoffe für ihn und uns, dass er die richtige Entscheidung trifft.

Für die Gesellschaft hoffe ich, dass sich etwas ändert.
Ich sehe die Mehrbelastung, die viele Berufsgruppen in den letzten Monaten hatten und aktuell haben, die Eltern haben, die jede/r Einzelne auf verschiedene Art und Weise hat, zuhause, bei der Arbeit, körperlich, psychisch.

Ich spreche nicht von einer Sonderbehandlung für LehrerInnen, es ist und bleibt unbestritten, dass der Beruf auch viele Vorteile hat, sonst würde ich ihn auch selbst nicht ergreifen.

Nett wäre es einfach, Arbeit und Leistung von LehrerInnen und Betreuungspersonen auch als solche anzuerkennen, statt ständig nach Fehlern und Versäumnissen zu suchen und diese medial breitzutreten.

Wir sind alle nur Menschen, wir geben unser Bestes, unsere Schüler und Kollegen liegen uns am Herzen. Unsere Energiereserven sind nicht unbegrenzt. Ein Wort der Anerkennung kann Wunder wirken. Denkt daran, bevor ihr bei der nächsten Gelegenheit ins Lehrerbashing miteinstimmt.

Für alle, die diese Informationen nochmal schriftlich brauchen:

Ferien =/= Urlaub
Lehramtsstudium =/= jahrelange Party
Lehrer =/= Beamter
Beamter =/= fauler Millionär

#twlz
#lehrerbashing

Vielen Dank für die lieben Wünsche an meinen Mann, er hat sich gefreut und es tut gut zu wissen, dass es anderen manchmal ähnlich geht. Danke für euren Zuspruch! Die Diskussionen, die teilweise entstanden sind, sind berechtigt und sinnvoll, gehen aber am Sinn und Zweck des

Threads vorbei. Deswegen schalte ich den Thread jetzt stumm. Gerne diskutiere ich mit euch an anderer Stelle, hier wollte ich lediglich darauf hinweisen, dass die meisten LehrerInnen jeden Tag ihr Bestes tun und Großes leisten. Weder das Beamtentum noch Vorurteile sollten hier

Thema sein. Danke für eure Beteiligung, sowas kenne ich mit meinem kleinen Account bisher gar nicht ☺ Schönen Abend euch allen, unabhängig davon, welcher Berufsgruppe ihr angehört 😊