Thread by @florianaigner

Man kann gegen etwas sein und es trotzdem nicht verbieten wollen. Ich halte das für einen ganz wichtigen Gedanken. Mir wird momentan erst bewusst, wie viele Menschen das anders sehen. Das beunruhigt mich. (Thread)

Ein Beispiel: Ich engagiere mich seit vielen Jahren für wissenschaftliches Denken, gegen Esoterik, Aberglauben und Pseudowissenschaft. Ich finde Horoskope blöd, Verschwörungstheorien bedrohlich und alternativmedizinische Heilsversprechen gesundheitsgefährdend.

Aber nie wäre es mir in den Sinn gekommen, ein gesetzliches Verbot für all diese Dinge zu fordern. Soll es illegal sein, magische Heilsteine zu verkaufen? Nein. Soll man bestraft werden, wenn man sein Leben nach dem Horoskop ausrichtet? Nein, man braucht eher Hilfe.

Natürlich gibt es Grauzonen: Wenn es sich um echten Betrug handelt, greift das Gesetz. Wenn jemand die Gesundheit anderer gefährdet, indem er ihnen Lügen erzählt, muss eingeschritten werden. Aber grundsätzlich sollte möglichst viel erlaubt sein.

Ich muss dabei immer an den großen Aufklärer James Randi denken, den ich mal gefragt habe, ob er Alternativmedizin verbieten würde. "Nein", sagt er. "Schließlich haben Leute das Recht dumm zu sein, wenn sie das wollen." Ein kluger Satz.

Man kann also etwas schlecht finden, man kann sich sogar vehement gegen etwas einsetzen und trotzdem kein Verbot dieser Sache anstreben. Ich finde diesen Gedanken so offensichtlich, dass er mir fast banal vorkommt. Trotzdem sehen das erschreckend viele Leute offenbar anders.

"Du bist gegen ein Verbot von X, wie kannst du nur! Weißt du nicht, dass X schlecht ist?" höre ich dann. Ja, X ist schlecht. Es wäre gut, wenn es aufhören würde. Aber bitte durch Überzeugung, nicht durch ein gesetzliches Verbot.

Oder andersherum: "X ist nicht verboten. Also ist es gut. Warum kritisierst du mich für X? Ich mache doch nichts Unerlaubtes!" Was für ein Unsinn! Man kann selbstverständlich auch ein unmoralisches Ekel sein, ohne dabei gegen Gesetze zu verstoßen.

Der entscheidende Punkt ist: Das ist kein Konstruktionsfehler unserer Gesetze, das ist notwendigerweise so. Es wäre furchtbar, wenn detailgenau gesetzlich geregelt wäre, welches Verhalten gut und welches schlecht ist. Dafür sind Gesetze nicht da.

Gesetze ziehen nicht eine Trennlinie zwischen dem, was man tun soll, und dem, was man nicht tun soll, sondern zwischen dem, was wir als Gesellschaft bestrafen wollen, und dem, wofür wir Bestrafung übertrieben finden. Das kann aber natürlich trotzdem unerwünscht und falsch sein.

Gesetze sind nur ein Mittel (ein besonders drastisches) um das Verhalten zu beeinflussen. Es gibt auch viele andere. Und weil persönliche Freiheit etwas Gutes ist, sollte man das Mittel des Verbots nur dort einsetzen, wo es wirklich nötig ist.

Es wäre also sehr schön, wenn wir diese automatische Assoziation "schlecht-verboten" und "legal-gut" im Kopf abbauen könnten. Es gibt dazwischen immer einen Graubereich, und das ist auch gut so.

Würde jemand fordern, Esoteriker einzusperren - ich würde mich dagegen ähnlich vehement einsetzen wie ich mich gegen die Aussagen ebendieser Esoteriker einsetze.