Wozu diese aktuell unentschlossene Corona-Politik bzw. das Ausnutzen jeglichen Spielraums durch die Menschen führt, wurde mir heute mehr als schmerzlich vor Augen geführt.

Seit jetzt Mitte Dezember betreuen wir unsere Kinder (2 und 5 Jahre) neben unseren Jobs zu Hause.
Selbstverständlich tun wir das. Für uns und unsere Gesundheit, die Gesundheit der Erzieherinnen und Erzieher und die Gesundheit aller UND auch damit diese unsägliche Pandemie möglichst bald bezwungen werden kann.
Weihnachten und Silvester waren wir zu viert alleine zu Hause. Unser einziger Kontakt ist ein „Austausch-Kiga-Freund“ von Möwe, mit dessen ebenfalls sehr restriktiven Eltern wir eine Art „Wechselmodell“ vereinbart haben.
Um die Betreuung zu stemmen, haben wir ein Schichtsystem eingeführt, das den Kindern zu jeder Zeit eine Komplett-Betreuung sichert. Das funktioniert sehr gut - für die Kinder. Und einigermaßen gut für unser Jobs, die wir recht flexibel einteilen können.
Heißt aber auch, arbeiten von früh morgens bis spät in die Nacht. Anders ist es nicht zu bewältigen. Alles, was nicht zwingend sein muss, bleibt auf der Strecke: Haushalt, Sport, soziale Kontakte.
Wir sind bereits ausgelaugt von diesem aufreibenden Jahr (gleiches Betreuungsmodell hatten wir bereits bin Mitte März bis Mitte Juli, haben unsere Urlaube getrennt verbracht, um Puffertage für die Betreuung zu haben etc.) in diesen neuen Lockdown gestartet. Entsprechend leer sind
die Batterien. Aber: Wir haben Verständnis für die Maßnahmen, finden sie richtig und tragen sie mit. Es ist für uns daher klar, dass wir durchhalten wollen, ohne Notbetreuung. Dafür machen wir Abstriche, in der Lebensqualität, in der Karriereplanung (auch der verständnisvollste
Arbeitgeber kann diese „ich tu was ich kann, aber das muss reichen“-Mentalität nicht professionell gut heißen) und ab nächste Woche, wenn ich Zusatz-Kind-Kranktage nehme, auch finanziell. Soweit so gut, so unvermeidbar. Für uns.
Was mir heute aber schlichtweg fast die Luft zum Atmen nahm: Erstmals wurde mir ein ziemlich perfider Zusammenhang klar. Durch ein Gespräch mit der Kita. Die private Kita ist zu 60-70 Prozent ausgelastet, was wohl die Norm in Bayern sein soll aktuell.
„Die Eltern sind einfach am Limit. Das muss man schon verstehen.“

Joah, ich verstehe das sehr gut. Aber gibt es genau dafür nicht die Kind-Krank-Tage? Zwei Drittel der Eltern sehen keine andere Möglichkeit als ihre Kinder zu schicken?! Versteht mich nicht falsch: Natürlich
gibt es Eltern, die das mit ihrer Arbeit nicht anders vereinbaren können und andere, denen wirklich die Kraft ausgeht. Das weiß ich und für Kinder aus diesen Familien wurde die „jeder kann bringen“-Regel ja gemacht, die Schwelle niedrig gesetzt.
Dadurch, dass jetzt aber zu viele Familien sich das Leben leicht machen und die Kinder bringen, stecken wir alle gemeinsam länger in dieser verfluchten Pandemie. Und: Jetzt kommt meine neue Erkenntnis - werden die Familien, die die Kinder irgendwie selbst betreuen
doppelt bestraft. Nicht nur, dass wir diesen Wahnsinn im Alltag zwischen Arbeit und Kindern auf uns nehmen, auf Gehalt verzichten, in den Teams ganz transparent das schwächste Glied sind, nein, dadurch, dass praktisch alle Kinder ein Recht auf Betreuung haben, wird es auch keine
Rückerstattung von Beiträgen geben. Es könnten ja alle bringen, daher wird das gesamte Personal vorgehalten (anstatt das Risiko durch weniger Menschen vor Ort zu senken) und kann den Eltern der daheim gebliebenen Kindern nicht entgegengekommen werden.
Dass die Beiträge nicht gesenkt werden (wir reden hier von etwa 800 Euro pro Monat pro Kind), wird zusätzlich Eltern veranlassen, ihre Kinder zu bringen. Ein Teufelskreis.
In einer privaten Kita gibt es auch ökonomische Interessen. Die ich auch sehr wohl nachvollziehen kann. Die aktuellen Regeln führen aber zu der absurden Situation, dass das Bringen der Kinder aus der wirtschaftlichen Not mancher Einrichtung heraus sehr attraktiv gemacht wird.
So gibt es bei uns aktuell keinerlei Angebote (brauche ich persönlich auch nicht) für die Kinder daheim. Es geht primär darum, den Kita-Alltag der anwesenden Kinder mit voller Personalkraft optimal zu gestalten. Das was hier gerade läuft, ist keine Notbetreuung sondern
forcierter Regelbetrieb. Das wird uns allen auf die Füße fallen. Dann knallen entweder die Fallzahlen aufgrund der Mutation durch die Decke oder es wird wieder auf Systemrelevanz beschränkt. Zum Leidwesen der Kinder, für die die Kita wirklich der aktuell bessere Ort ist
und der Eltern, die jetzt versuchen durchzuhalten, dann aber alle Möglichkeiten wie Kindkranktage aufgebraucht haben werden.
So bin fertig. Bitte verzichtet auf Kommentare wie, jeder empfindet Stress anders etc. Ich weiß das. Aber zwei Drittel ist zu viel! Ich bin echt sauer.

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19 Jan
Bullshitbingo zur #Pressekonferenz.

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Nominiert sind schon mal die Worte:

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Und vor allem:

Große Einigkeit
Ausnahme
Appellieren
„Gleitzug“ - oho. Das ist neu.
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Ah, die Ausnahme!!
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4 Jun 20
X-beliebiger Tag 22 Uhr: Ich sitze wieder vor meinem Rechner – arbeite an einem Projekttext, bei dem ich einfach mal Ruhe brauche. Richtig Ruhe. Ohne Kinderspielgeräusche im Hintergrund, ohne Unterbrechung von „Mama“ und „Aua“.
Immerhin, die Spülmaschine läuft bereits, das schlimmste Chaos ist beseitigt, die Wäsche hängt auf der Terrasse und die nasse Wäsche in der Waschmaschine wartet dann wohl bis morgen.
Ein weiterer Tag, der in einer unaufgeräumten Wohnung, zwischen Wäsche, die direkt aus dem Korb angezogen wird und Spielsachen beginnt, die irgendwo hinters Sofa gerutscht sind. So what – durchhalten irgendwie.
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